Sonntag, 8. April 2012

Dan Mangan, Paris, 06.04.12


Konzert: Dan Mangan (Flip Grater)

Ort: La Mécanique Ondulatoire
Datum: 06.04.2012

Zuschauer: etwa 130
Konzertdauer. Dan etwa 75 Minuten, Flip Grater 30 Minuten



Der Kanadier Dan Mangan muss in Paris noch kleinere Brötchen backen als in Deutschland. Für den Publikumsliebling von Haldern und anderer deutscher Festivals reicht es in der Seine-Metropole noch nicht ganz zur großen Zugnummer. Sein für das Nouveau Casino (Kapazität: 400 Besucher) geplantes Konzert musste in die wesentlich kleinere Mécanique Ondulatoire verlegt werden, wo maximal 150 Leute Platz finden. Damit schien der sympathische Bursche aber schon sehr zufrieden zu sein: "Als ich beim ersten Mal hier spielte waren vielleicht 5 Leute da, beim letzten Mal etwa 30-40 und heute mindestens 3 mal soviele, es geht also aufwärts."


Und in der Tat, auch in Frankreich kommen so ganz langsam ein paar Leute auf den Geschmack. Allerdings bestand das heutige Publikum zu nicht geringen Teilen aus Kanadiern, oder vielmehr Kanadierinnen. Gleich neben mir hatte ein Grüppchen junger Mädels Stellung bezogen und feierte von Anfang bis Ende.

Vorangegangen war aber zunächst der recht kurze Auftritt der charmanten Flip Grater aus Neuseeland. Die Dame mit dem schicken Pagenschnitt und dem Stewardessen-Look sang mit sehr schöner Stimme reduzierte Foksongs auf ihrer Akustikgitarre und wusste durchaus zu gefallen. Leider aber bekam ich nur noch 3 Lieder mit, weil ich vorher im Meditations-Kurs war. Ich lerne da " im Hier und Jetzt zu sein" und weder an die Vergangenheit noch die Zukunft zu denken. Ein schwieriges Unterfangen und immer wenn ich da raus komme, bin ich irgendwie müde und matt vom vielen Nichtstun und Nichtsdenken. Deshalb fällt es mir auch schwer, viel über Flip Grater zu sagen, außer, daß ich mich gerne einmal näher mit ihr beschäftigen möchte, sie hat immerhin schon drei Alben herausgebracht, die zum Teil sehr gute Kritiken bekommen haben.

Meine Müdigkeit trug ich leider auch mit zum Konzert von Dan Mangan rüber. Es war ein seltsames Gefühl. Ich stand da apatisch und leer vor der Bühne und die jungen Mädchen neben mir waren in unglaublicher Partylaune, hüpften rum wie verückt und knipsten sich ständig selbst ab. Ich fühlte mich in ihrer Gegenwart wie ein launischer , alter Mann, der des Lebens schon ziemlich überdrüssig ist und auch in punkto Konzerte schon alles gesehen hat.


Dabei gaben sich Dan Mangan und seine Mistpieler allergrößte Mühe, mich und die Leute bei Laune zu halten. Von Anfang an schmetterten sie ihre Folkrocker mit viel Inbrunst und Einsatz und machten dabei einen Höllenlärm. Gut, daß ich Ohrenstöpsel dabei hatte, sonst hätte mich der zauselige Trompeter weggeblasen! Ganz zu schweigen von Dan, der wieder mal sang wie ein besoffener Matrose und mit seiner unfassbaren, herrlich würzigen Reibeisenstimme wahnsinnig auftrumpfte.


Performt wurden überwiegend Tracks vom letzten Output Oh Fortune (inklusive des starken Titelstracks!), aber auch Sachen von Nice, Nice Very Nice. Fast alles Uptempo-Nummern, die vordergründig fröhlich und stimmungsvoll waren, aber auch viel Melancholie intus hatten.



Als besonders schön vermerkte ich Leaves, Trees, Forest. Eine warmherzige Gitarrenballade mit tollen Harmonien und einer einschmiegsamen Melodie.



Aber auch Road Regrets ragte heraus, mit seiner flotten Akustikgitarre, dem polternden Bass und der einprägsamen Textpassage:" It's a crying shame." Die Kanadierinnen neben mir hüpften rum wie auf einer Abi-Fete, umarmten sich pausenlos und vergaßen nie laut kichernd, sich auch selbst noch einmal für die Ewigkeit festzuhalten. Fast gewann ich den Eindruck, daß vorne auch Hänschenklein hätte gespielt werden können, ohne die Stimmung einzutrüben, aber das war vielleicht nur so ein Gedanke von mir. Tatsache war aber, daß Dan das wilde Treiben von der Bühne aus genau verfolgte und auch sah, daß die Mädchen immer mit Blitzlicht rumknipsten. Da machte er plötzlich ein ganz braves Gesicht, posierte mitten im Lied und wurde prompt abgelichtet. Dan schmunzelte gütig und besann sich wieder auf seinen Song. Eine äußerst charmante Szene.

Kurze Zeit später wurde er ziemlich ernst, redete vom Irak Krieg und Geoge W.Bush, bevor ihn ein Zuruf aus dem Hintergund jäh unterbach. Er brummelte leicht genervt zurück: "Hey I am trying to be deep!", nahm dann aber wieder den Faden auf und erklärte das das nun folgende Post War Blues von verfehlter Außenpolitik handele. Auch dieser Song wieder enorm druckvoll und laut und trotz seiner Thematik und seines Titels nicht gerade an alte Bob Dylan Songs erinnernd.



Die Stücke wurden in der Folge kompromisslos und ohne großen Ansagen abgefeuert, bis man irgendwann das Pulver verschossen hatte und unweigerlich dem letzten Lied zusteuerte. Natürlich war es Robots, natürlich wurde mitgesungen ("Robots need love too") und natürlich ging Herr Mangan mitsamt seiner Gitarre durch das johlende Publikum. Trotz dieser Vorhersehbarkeit war es wieder toll und endorphinanregend.

Die Stimmung hatte seinen Höhepunkt erreicht und so war es nur normal, daß auch noch eine Zugabe her musste. Dabei schien es wirklich so, als habe die Band diese nicht eingeplant. Das Licht war schon angegangen und die fünf Musiker wirkten so, als wollten sie nun schleunigst oben an die Bar. Aber das Publikum ließ sie noch nicht so schnell ziehen und so gab es als Sahnehupferl noch das absolut wundervolle Tina's Glorious Comeback ("we're not Elvis anymore"), daß ein rundum gelungenes Konzert beschloß.

Es ist also sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis Mangan auch Frankreich im Sturm erobert.

Aus unserem Archiv:

Dan Mangan, Haldern, 13.08.11
Dan Mangan, Frankfurt, 05.06.11




1 Kommentare :

E. hat gesagt…

ja, bei uns ist dan berechtigterweise eine ganze meile weiter. ich war ja zunächst auch skeptisch, aber der typ überwindet jede distanz. und, ich betone es immer wieder, er hat eine fantastische band am start.

 

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