Mittwoch, 21. März 2007

2raumwohnung, Köln, 20.03.07

Konzert: 2raumwohnung
Ort: E-Werk, Köln
Datum: 20.03.2007
Zuschauer: sehr voll

Auf dem Weg nach Köln hatte ich das Gefühl, eine alte Liebe nach langer Zeit wiederzusehen. In den vergangenen Jahren hatte ich immer wieder an sie gedacht, verfolgt, was sie so macht, ihre Stimme immer wieder im Ohr gehabt. Ich wußte nicht, wie es sein würde, sie wiederzusehen, ob die Gefühle noch da wären - ich fuhr übrigens zu einem Konzert.

Als vor einigen Jahren "Wir trafen uns in einem Garten" erschien (ursprünglich, wie ich eben gelernt habe, als Werbesong), war ich gleich gebannt von dem damals sehr neuen Sound des Elektro-Pop Duos 2raumwohnung. Fan der beiden Humpe-Schwestern bin ich seit meinen ersten Erinnerungen an Musik. Ich halte Annette & Inga Humpe für die größten deutschen Musikerinnen. Mit jeder neuen Platte von 2raumwohnung brökelte meine Liebe allerdings ein wenig, auch wenn ich mir das vielleicht nicht eingestehen wollte ("zwei von Millionen von Sternen, die sich immer mehr von einander entfernen", um es mit der Band zu sagen). Heute hatte ich erstmals Gelegenheit, Inga, die jüngere Humpe-Schwester, live zu erleben, nachdem ich vor zwei Jahren Annette mit ihrer Band Ich & Ich gesehen hatte (und sie mir mit der Zugabe "Blaue Augen" von Ideal fast Tränen in meine blau-grauen Augen gebracht hat). Soviel zur pathetischen Einleitung...

Auf dem Weg zum E-Werk war noch wenig los. Auch innen war es noch sehr überschaubar, was mich schon fürchten ließ, daß das Konzert nicht ausverkauft sein würde. Statt mich vorne an das Absperrgitter gleich an der Bühne zu stellen (was problemlos eine halbe Stunde vor Beginn der Vorgruppe möglich war), suchte ich mir einen Platz auf der Empore, von der ich auch mein letztes Konzert im E-Werk, nämlich das der Kooks, gesehen hatte.

Als um 20.15 Uhr die Vorgruppe auftrat, war der Saal unter uns schon gut gefüllt.
Und den Bewegungen des Publikums zufolge, kam die Musik von Werle & Stankowski, einem Kölner Duo, nicht nur bei mir gut an. Simon Werle und Johannes Stankowski machen nach eigenen Angaben Indie/Elektro/Folk. Das beschreibt es schon ziemlich gut. In Kritiken ist auch immer wieder von elektronischer Lagerfeuermusik zu lesen. Auf der Bühne heißt das dann, daß Johannes Stankowski Gitarre spielt und singt (seine Stimme ist sehr einprägsam und erinnert ab und an an die Talking Heads) und Simon Werle allerlei elektronische Geräusche dazu gibt. Das klingt, so wie ich es beschreibe, ganz schrecklich, ist aber sehr gut hörbar und in Teilen wirklich brillant. Es ist auch keine Easy-Listening- oder Chill-Out Musik, wie ich nach den ersten Takten dachte, sondern durchdachter, teilweise eben sehr guter Pop. Mir gefiel "Lady Grey" ganz besonders gut, dabei kamen mir auch die Assoziationen an die Talking Heads in den Sinn. Außerdem habe ich bisher noch nie Sample-Soli erlebt! Leider spielte die Band nur sieben Titel. Ein achtes, auf der Setlist verzeichnetes Lied, das wohl Zugabe sein sollte, wurde nicht mehr gespielt. Johannes Stankowski kündigte eines der Stücke mit "Versucht mal, auf den Text zu achten, ansonsten hört auf den Beat" an, irgendwie ein schönes Motto für diesen schönen Auftritt.

Setlist Werle & Stankowski:

01: Sound of my guitar
02: Throw your life away
03: Lady Grey
04: After all
05: I like it
06: Lost in love
07: In this world


In der Umbaupause konnte ich schön beobachten, was am Mischpult und den Beleuchtungscomputern passierte. Als das Licht ausging, legte einer der Ton-Leute eine Intro-CD in den CD-Player. Als die vorbei war, sollte wohl eine zweite eingelegt werden, was sein Kollege wohl ordentlich versaute, beide wurden nämlich ein wenig hektisch, ohne daß Musik kam. Gerettet wurde die Szene durch den Auftritt der Band.

Für die Tour haben Inga Humpe und Tommi Eckart zusätzliche Musiker mitgebracht. Die Band im Hintergrund bestand aus Schlagzeuger, zweitem Keyboarder und Gitarrist. Zeitweise waren dazu ein weiterer Gitarrist (oder Bassist) und zwei Background-Sänger auf der Bühne. Der Bühnenaufbau war recht dezent.
Die Musiker standen auf beleuchteten Podesten, zwischen denen im Hintergrund vier dreiteilige Bildschirm-Türme aufgebaut waren.

Das Konzert begann mit "Spiel mit" von "Es wird morgen". Und was soll ich sagen, es war toll. Inga Humpe wirkt natürlich viel jünger als 51 und hatte offensichtlich viel Spaß. Sie sollte in den
nächsten knapp zwei Stunden ununterbrochen über die Bühne tanzen. "36 Grad" war der erste Titel der neuen CD. Das Set war bunt gemischt, besonders gut kamen aber die ältesten Lieder an, denke ich. Bei einem davon, "Ich & Elaine", bat Inga Humpe beste Freundinnen auf die Bühne, die mit ihr tanzen sollten. "Vier oder sieben noch". Es wurden dann vielleicht zehn, zwölf, die um und mit der Sängerin tanzten. Mein erster richtiger Liebling kam mit "Wolken ziehen vorbei".

Der Saal unter mir war bester Stimmung. Ich habe selten erlebt, daß eine Menge so dauerhaft hin und her tanzte. Rührend war das ganz spärlich vorgetragene "2 von Millionen", damals Werbesong
für die HypoVereinsbank. Dabei sang Inga nur vom Gitarristen begleitet in der Mitte der Bühne. Es war wundervoll.

Gegen Ende des regulären Teils kündigte das Ex-Neonbaby dann ein Lied mit "das
haben Tommi und ich schon in jeder Pommes-Bude gespielt". Statt der regulären Version des großen Hits "Wir trafen uns in einem Garten" kam aber der Remix "mit Max". Da haben sicher einige, die sich auf die schlichtere, bekannte Version gefreut hatten, geschluckt. Viel Zeit dafür blieb aber nicht, denn gleich anschließend suchte Inga Humpe die "Miss Freie Liebe Köln", die während des folgenden Lieds (überraschenderweise "Freie Liebe") "wild mit dem Schlagzeuger knutschen" sollte. Eine Bianca tat das dann auch während des gesamten Stücks, während der Schlagzeuger irgendwie weiterspielte.

Mit dem nächsten großen Hit "Besser geht's nicht" war dann erst einmal Schluß. Nach kurzer Pause kamen die beiden (mit Band) aber zu drei Zugaben mit insgesamt vier Stücken zurück. Neben meinem Liebling "Nimm mich mit" kam natürlich noch die "richtige" Version von "Wir trafen uns in einem Garten". Selbst bei Depeche Mode habe ich es damals nicht erlebt, daß in einem Konzert Lied und Remix gespielt wurden. Als viele nach der
zweiten Zugabe schon auf dem Heimweg waren, kam mit Lotus noch eine letzte (sehr indische) Zugabe. Dabei sang Inga Humpe am Anfang - die Band saß nebeneinander auf der Bühne - : "Bitte keine Fotos, ich weiß, wie's aussieht."

"Wir sind die anderen" von 2004 hat als Untertitel "Frühling 2007", das Konzert endete zwei Stunden vor Beginn des Frühlings 2007. Auch wenn wir damit einen Tag zu früh waren, hatte ich schon irgendwie das Gefühl, zu dem Konzert ein paar Jahre zu spät gekommen zu sein. Es war toll, keine Frage (auch wenn das schönste und romantischste Lied der Band fehlte, "Ich denk an Dich"). Und ich war begeistert, meine alte Liebe endlich gesehen zu haben. Aber ich war nicht so euphorisch, wie ich es vor fünf Jahren gewesen wäre. Zwei von Millionen von Sternen eben.

Setlist 2raumwohnung:

01: Spiel mit
02: Ich weiß warum
03: 36 Grad
04: Ich + Elaine
05: Wolken ziehen vorbei
06: La la la
07: Wir sind die anderen
08: 1 2 3
09: Sexy Girl
10: Ja
11: 2 von Millionen
12: Du bewegst Dich richtig
13: Nimm sie
14: Garten mit Max
15: Freie Liebe
16: Besser geht's nicht

17: Sasha (Z)
18: Nimm mich mit (Z)

19: Wir trafen uns in einem Garten (Z)

20: Lotus (Z)



2 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Eine Bianca knutscht wild mit dem Schlagzeuger der Band und Du setzt dahinter kein Ausrufezeichen, Christoph?! Ausrufezeichen magst Du wohl nicht, oder? ;-) (Ist Cécile auch schon aufgefallen).

"Trotzdem" natürlich ein sehr schöner, ja fast poetischer Text, mit tollen Bildern.
Unglaublich, daß Inga schon 51 (!) ist.

Christoph hat gesagt…

Echt? Und ich bin eigentlich der Meinung, ich benutze dauernd Ausrufezeichen. Vielleicht habe ich mich daher unbewußt eingeschränkt.

Ja, unfassbar. Die Humpes scheinen einen Jungbrunnen im Elternhaus gehabt zu haben.

 

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