Donnerstag, 7. Mai 2009

Get Well Soon & Dear Reader, Paris, 06.05.09


Konzert: Get Well Soon & Dear Reader Ort: La Maroquinerie, Paris Datum: 06.05.2009 Zuschauer: complet/ausverkauft Konzertdauer: Get Well Soon: 84 Minuten, Dear Reader 38 Minuten


Am 6. Mai 2009 steppte in Paris musikalisch der Bär. Die junge Österreicherin Soap & Skin spielte im Zèbre de Belleville, die französische Indierocksensation Stuck In The Sound im Bataclan, die Kanadierin Peaches im Elysée Montmarte, ihre Landsleute von Pink Mountaintop im Mains d'Oeuvres, die Elektrorocker Holy Fuck zusammen mit It Hugs Back im Point Éphémère und die hippe Engländerin Lily Allen vor ausverkauftem Hause in der Cigale.

Dennoch entschied ich mich für die Kombination Get Well Soon + Dear Reader, weil ich erleben wollte, wie sich die Truppe um Konstantin Gropper bei ihrem ersten Headlining Konzert in der französischen Metropole schlagen würde und außerdem auch Lust hatte, das entzückende südafrikanische Trio wiederzusehen, das bereits vor ein paar Wochen an gleicher Stelle aufgetreten war.

Die Maroquinerie war trotz der großen Konkurrenz durch diese parallel laufenden Konzerte restlos ausverkauft und die Bedingungen somit bestens für ein stimmungsvolles Konzert.

Es ging auch gleich mit einer Überraschung los, denn Dear Reader, normalerweise bestehend aus Cherilyn MacNeil (Piano, Gesang, Gitarre), Darryl Torr (Bass, Keyboard, Loops) und Michael Wright (Schlagzeug, ab und zu Gesang) hatten hochkarätige Verstärkung mit dabei. Maxi, der Trompeter und Gitarrist von Get Well Soon und Elisabeth, die derzeitige Violinistin der deutschen Indiesensation vervollständigten das Line-Up und machten aus dem dem südafrikanischen Trio ein multikulturelles Quintett. Und das gefiel mir ganz ausgezeichnet so, denn Maxi sorgte mit ein paar effizienten Gitarrenriffs dafür, daß der Sound eine Spur rockiger und garagiger wurde und Elizabeth half tatkräftig dabei mit, Titel (vor allem das wundervolle Great White Bear) albumgetreu nachzuspielen. Die fünf jungen Musiker harmonierten auf Anhieb ganz prima miteinander und bescherten einer schon zu diesem Zeitpunkt gut gefüllten Maroquinerie ein erlesenes und niveauvolles Konzert, bei dem vor allem Cherylin neben ihrer traumhaften Stimme mit ihrem unwiderstehlichen Augenaufschlag betörte.

Eine geschriebene Setlist habe ich nicht gefunden, mir schien das Set gegenüber der Show in Holland, über die mein Partner Christoph berichtet hatte, aber unverändert zu sein. Schon gleich zu Anfang gefiel das atmosphärisch dichte Never Goes, bei dem Cherylin direkt vor meiner Nase wundervoll Klavier spielte. Auch die recht bombastische Instrumentierung störte micht nicht sonderlich, denn wenn man akzeptiert hat, daß Dear Reader keinen klassisch reduzierten Folk machen, ist auch eine stärkere Orchestrierung nur konsequent. Noch einen Tick besser war aber das countryeske Bend, das fast ein wenig an Dolly Parton (was nichts Schlechtes ist)! erinnerte. Hit des Abends war dann die Singleauskopplung Dearheart, die auf Leslie Feists Spuren wandelt (ähnlicher Rhythmus wie My Moon My Man), aber auch zu einem James Bond Film gut passen würde, gefolgt von Out Out und den beiden abschließenden Knüllern Release Me (sehr bewegend) und Great White Bear (unwiderstehlich niedlich).

Ein überzeugendes, gut halbstündiges Konzert, daß beim Pariser Publikum nicht nur wegen der guten Lieder, sondern auch aufgrund der charmant-sympathischen Art der Bandmitglieder viel Anklang fand.

Inzwischen waren auch die letzten Gäste eingetrudelt und man stand an dicht in Erwartung der Band aus Deutschland. Spätestens seitdem Get Well Soon beim Festival des Inrocks im November 2008 in der Cigale aufgetreten waren, kennt man sie auch in Paris und vor allem die Zeitschrift Les Inrockuptibles hat ohne Unterlaß von dem musikalischen Genie Konstantin Gropper geschwärmt. Die positive Berichterstattung hat die Neugierde mächtig angeschürt und unter anderem auch dazu geführt, daß Get Well Soon bereits viermal in Frankreich aufgetreten waren. Das erste Konzert fand in der Flèche d'or statt, dann ging es im Sommer 2008 zum stets gut besetzten Festival Le Rock Dans Tous Ses Etats in Evreux (wir berichtetene hier), im Oktober eröffneten die Deutschen dann in der Cigale fulminant für Calexico und im November traten sie neben den Stars des Abends Franz Ferdinand erneut in der kultigen Cigale auf. Vor Jahresfrist hatten sie keine Geigerin dabei, da Theresa nicht mehr zur Verfügung stand. Inzwischen wurde aber mit Elisiabeth aus Österrreich ein talentierter und charmanter Ersatz gefunden und Get Well Soon mit Fiedel ist ja auch irgendwie viel schöner!

Gegen 21 Uhr ging es schließlich in der Maroquinerie los. Die Band ließ sich Zeit beim Einmarsch, zelebrierte diesen mit der Prelude richtiggehend. Dann aber waren die Hauptakteure zu erkennen und aufmunternder Beifall brandete auf. Es muß ein Ruck durch Deutschland gehen, sagte Bundespräsident Roman Herzog einmal und dieser Ruck ging nun von einer deutschen Band ausgehend durch die gesamte Pariser Maroquinerie! Mit ihrer Prelude und dem anschließenden People Magazin Front Cover gelang ihnen ein Traumstart. Die Poesie und Melancholie, die dem Oeuvre innewohn, traf genau den Geschmack der Pariser, die Stimmung war von Anfang an ganz hervorragend und steigerte sich in der weiteren Folge von Lied zu Lied. Get Well Soon entzündeten ein wahres Feuerwerk an starken Songs! Bei We Are Safe Inside While They Burn Down The House fühlten sich einige an Radiohead erinnert, aber Gropper und Co sind so viel mehr als bloße Kopierer. Und seien wir mal ehrlich: Singt Konstantin nicht schöner und weniger greinend als Thom Yorke?

Mein persönlicher Favorit kam aber etwas später: I Sold My Hands For Food So Please Feed Me hat einen solch herrlich dramatischen Aufbau, daß mir nach wie vor die Spucke wegbleibt. Trippelnd und recht verhalten startend, entwickelte sich dieser melancholische Schmachtfetzen zu einem postrockigen Monster, das mich mit Haut und Haaren verschlang. Am Ende sah man nur noch wild rockende Musiker auf der Bühne, die alle Blockaden gelockert hatten und sich in eine Rausch spielten. Klar, daß der Funken bei soviel Einsatz auf das Publikum übersprang und alle energisch mit dem Kopf nickten, um den unwiderstehlichen Rhtyhmus nachzuahmen.

Nach einem gut aufgenomenen You/Aurora/You/Seaside war dann sogar die Zeit für einen neuen Song gekommen. Busy Hope war direkter und frontaler als die ansonsten sehr komplex aufgebauten Songs und vermochte so auf Anhieb das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Ein sicherer Kandidat für das zweite Album, auf das wohl schon jeder Fan gespannt wartet. Aber auch das "alte" Material ist ja bei weitem noch nicht ausgelutscht. Ich persönlich könnte einen Song wie If This Hat Is Missing I Have Gone Hunting noch etliche Male hören, ohne daß er mir zu den Ohren herauskommt. Zumal die Liveinterpreation ja jedesmals etwas unterschiedlich ausfällt, was sehr begrüßenswert ist. Wer möchte schon genau die Albumversion geboten bekommen? Um es auf den Punkt zu bringen: Live ist das Ganze noch einen Zacken schärfer, rockiger, packender, euphorisierender als auf CD! Shoot baby, shoot baby", sangen dann auch viele Leute aus voller Kehle mit und hatten Probleme sich wieder einzubekommen. Mit Lost In The Mountains wurde dann stilvoll und mit Klasse der offizielle Teil beendet, bevor Konstantin allein zurück kam und Your Teenage FBI vortrug. Warum die Zuschauer allerdings über den Text lachten, indem es unter anderem um Dänemarkurlaube ging, wurde mir nicht ganz klar. Spätes Highlight war im Anschluß das absolut gelungene grandiose Cover von Bon Ivers Hit Flume. Konstantin Gropper verfügt zwar nicht über die Falsettstimme eines Justin Vernon, aber er hatte mit Cherilyn von Dear Reader eine kongeniale Gesangespartnerin an seiner Seite. Zudem war die Instrumentierung neuartig und unglaublich harmonisch und rund, ich hätte das Lied am liebsten dreimal hintereinander gehört! Aber wenn es am schönsten ist, soll man bekanntlich aufhören, wenngleich es mit Dear Tempest-Tossed nach einer kurzen Pause noch eine allerletzte Zugabe gab. Das Pariser Publikum tobte und feierte die vielköpfige Band minutenlang frenetisch.

Ce n'est pas facile d'être allemand"- es ist nicht leicht Deutscher zu sein - hatte Konstantin während des Konzertes gesagt und erklärte das folgendermaßen: "Wenn ein Franzose oder eine Französin mit einem französischen Akzent Deutsch spricht, sagt jeder gleich: How Cute! Im umgekehrten Falle ist das anders, wenn ein Deutscher mit einem deutschen Akzent farnzösisch spricht, sind die Reaktionen nicht so positiv."

Aber ich glaube heute hatte man als Deutscher in Paris ein recht leichtes leben. Die Zuschauer waren begeistert von der teutonischen Band und man schätzte auch die Bemühungen, sich auf französisch auszudrücken, ganz egal ob der Akzent manchmal etwas holprig war.

Get Well Soon haben in der Pariser Maroquinerie ohne jeden Zweifel einen verdienten Triumph gefeiert. Es war eines der besten Konzerte, die ich je in der Maroquinerie gesehen habe und ich war schon unzählige Male in dem Schuppen! Bravo und Glückwunsch auch von meiner Seite!





Pour nos lecteurs français:

"Ce n'est pas facile d'être allemand."

Certainement la phrase du jour, prononcée par Konstantin Gropper, le leader du groupe allemand Get Well Soon, qui a donné à une Maroquinerie pleine à craquer un concert époustouflant, voire épique! Le jeune Konstantin est un talent hors norme et il a prouvé que des groupes de renommée internationale comme Radiohead, Calexico, Beirut, Arcade Fire où Interpol ont désormais un sérieux concurrent pour la couronne du meilleur groupe du rock actuel. Un concert très intense qui faisait appel à tous les sens et réunissait tous les ingrédients qu'il fallait pour un spectacle inoubliable: il y avait la poesie, la tendresse, la mélancholie, la rage, la beauté, la puissance, le drame. Avec chaque morceau les applaudissements étaient plus nourris qu'avant et le groupe a fini par se lacher complètement vers la fin, epaulé par le soutien d'un public epaté par la beauté, la complexité et la puissance de fabuleux morceaux. Konstantin a fait des efforts considérables en français depuis son dernier passage à Paris (à la Cigale en novembre dernier pour le festival des Inrocks) et il s'est vraiment pas mal débrouillé. Alors pourquoi n'est-il pas facile d'être allemand? L'explication du chanteur/guitariste: "Quand un français/ une française parle allemand avec un accent français tout le monde dit: "How cute!" Quand un allemand parle français avec un accent, il n' y a pas les mêmes reactions..."

Mais je crois que le public parisien a largement honoré ces efforts de s'exprimerdans la langue de Molière et tout le monde a vu que Get Well Soon est un groupe de pure folie qui est en pleine progression vers les sommets. À mon avis leur chemin ne s'arrête pas à la Maroquinerie. Prochain arrêt: La Cigale! Et cette fois- ci comme tête d'affiche...

Pour revenir à la phrase du début: Ce soir je me sentais très bien dans ma peau. Et je suis allemand, marié à une française! Finalement ce n'est pas si difficile que ça d'être allemand. Vive l'amitié franco-allemande! Et bravo, Konstantin tu es un digne ambassadeur de notre pays, un peu comme l'était Steffi Graf avant. Elle a mis le feu à Paris aussi quand elle a gagné sa dernière finale à Roland Garros contre Hingis. Comme Get Well Soon aujourd'hui!

Inoubliable! Un des concerts de l'année avec une reprise de Flume de Bon Iver de toute beauté et une première partie (Dear Reader, de l'Afrique du Sud) charmante et extraordinaire!

Setlist Get Well Soon, La Maroquinerie, Paris:

01: Prelude
02: People Magazine Front Cover
03: We Are Safe Inside While they Burn Down Our House
04: Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day
05: Help To Prevent Forest Fires
06: I Sold My Hands For Food So Please Feed Me
07: You/Aurora/You/Seaside
08: Busy Hope (neu)
09: Born Slippy Nuxx Underworld Cover
10: Tick Tack! Goes My Automatic Heart
11: If This Hat Is Missing I Have Gone Hunting
12: Lost In The Mountains (Of The Heart)

13: Your Teenage FBI (Z)
14: Flume (Bon Iver Cover) (Z)

15: Dear Tempest- Tossed. Dear Weekened (Z)

Photos kommen sehr soon!

Aus unserem Archiv:

- Get Well Soon (mit Dear Reader), Nijmegen: 25.04.2009
- Get Well Soon, Paris, 14.10.08
- Get Well Soon, Wiesbaden, 30.08.08
- Get Well Soon, Melt!, 20.07.08
- Get Well Soon, Evreux, 28.06.08
- Get Well Soon, Frankfurt, 15.04.08
- Get Well Soon, Köln, 09.04.08
- Get Well Soon, Berlin, 21.09.07
- Get Well Soon, Haldern, 02.08.07

- Dear Reader im Gebäude 9 in Köln
- und im Museum Ludwig in Köln Anfang Februar
- und in Paris





4 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Das hätte ich auch verflucht gerne gesehen!

Christina hat gesagt…

Aber du hast sie doch beide in der Kombination gerade erst gesehen!

(ich bin positiv überrascht, dass Streber-Konni im europäischen Ausland scheinbar nicht immer deutsch spricht. Puh!)

Christoph hat gesagt…

Das ist doch wieder ewig her! :-)

Vor allem meinte ich aber auch das Duett.

Christina hat gesagt…

Hatten wir das nicht in Nijmegen? (ich war ja während GWS damit beschäftigt, die High Scores unnützer Handyspiele zu knacken, deswegen habe ich nicht alles mitbekommen ;) )

 

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