Mittwoch, 20. Mai 2009

Per Gessle & the Heavy Metal Kids, Gent, 02.05.09


Konzert: Per Gessle & the Heavy Metal Kids (Martinique)
Ort: Handelsbuers, Gent
Datum: 02.05.2009
Zuschauer: vielleicht 300, wenn überhaupt
Dauer: Per 110 min, Martinique 20 min


Da sitzt er nun vor mir Per Gessle, der schwedische Poptitan der 90iger und signiert meine Mitbringsel. Irgendwie toll, irgendwie aber auch nicht.

Epilog: Ende der 80ger Jahre formiert Per Gessle, der in Schweden bereits mit seiner Band Gyllene Tider sehr erfolgreich ist, mit der ebenfalls erfolgreichen Sängerin
Marie Fredriksson das Duo Roxette. Mit der Hilfe eines amerikanischen Austauschstudenten gelingt es den beiden, mit ihrem Song The Look die Welt aufzumischen. Der Titel klettert bis auf Platz eins der Billboard Charts. In den kommenden Jahren sollen noch drei weitere Nummer eins Hits folgen, und damit stürzten die beiden ABBA (mit nur einer Nummer eins in den Staaten) vom Thron. Was ABBA für die Endsiebziger Generation waren, sind nun Roxette für die Generation zehn Jahre später. Umjubelt touren die beiden um den Globus, nehmen nebenher ein Album in Hotelzimmern auf, bis, ja bis Marie nach der 1994/95 Tour beschließt, eine Familie zu gründen und sich ein wenig zurückzuziehen. Per veröffentlicht ein Soloalbum auf Englisch, es folgt ein weiteres Roxette Album, jedoch ohne Tour. Zum Anbeginn des neuen Jahrhunderts versucht man mit neuem Album und anschließender Tour ein Comback, man tut sich jedoch schwer, die neuzeitlichen Arenen auszuverkaufen. 2002 wird zudem bei Marie ein Hirntumor diagnostiziert und als Folge daraus zieht sie sich zurück aus dem Rampenlicht – Roxette liegen auf Eis. Per nimmt weiterhin Platten auf, auf Schwedisch. Damit ist er recht erfolgreich in seiner Heimat, jedoch vergisst der Rest der Welt ihn und Roxette darüber irgendwie…

Im Jetzt: Januar 2009 - Per wird 50, die schwedische Boulevardpresse berichtet von einer Überraschungsparty seiner Frau und der Herr
veröffentlicht ein weiters Soloalbum. Es heißt Party Crasher (und ist erneut auf Englisch) – jedoch bleibt die Frage offen, welche Party er mit dem Album crashen will. Und nachdem die Platte in Schweden erschienen ist und wie eigentlich alles vom Herrn Gessle seinen Platz an der Spitze der Charts findet, kündigt man eine Europatour an. Das ist neu, das hatte es noch nie gegeben, Per Solo und das außerhalb von Schweden. So gut so schön, die vom Konzertveranstalter Marekt Lieberberg verlangten 46 € pro Ticket waren mir den Spaß aber dann doch erst einmal nicht wert. Abhilfe kam da aus Belgien, genauer aus Gent, wo das Ticket schlanke 25 € kosten sollte. Eigentlich wollten wir schon immer mal nach Gent, und das Handelsbuers stand auch auf meiner Liste der mal besuchenden Konzertlocations (wenn man selbst auf der Seite des Touristoffices schon von den örtlichen Hygieneberichen schwärmt). Also Tickets geordert (Herr Lieberberg, das ist Globalisierung!) und Samstagmorgen ab nach Gent.

Da wohl die Nachfrage nach Konzertkarten noch geringer ausgefallen wäre, als sie es nun sowieso schon ist, hatte man sich von Anbeginn dazu entschlossen, die Tour mit dem Untertitel "The man from Roxette" zu bewerben, was einerseits natürlich Erwartungen weckt, andererseits Erinnerungen oder wiederum irgendwie Unbehagen. Abern, denn letztendlich hat Per die Songs geschrieben, soll er sie also auch singen! Um 14 h sitzt schon das erste Grüppchen vor der Türe und wartet sehnsüchtig auf
den Einlass, wir holen nur unsere Karten ab und gehen dann die Stadt erkunden.

Als um 18:30 h die Geschäfte schließen und wir beschließen, zum Handelsbuers zu gehen, ist das Grüppchen größer geworden. Man drängelt sich dicht an dicht vor dem großen alten hölzernen Tor, das dann endlich gegen 19 h geöffnet wird. Das Grüppchen drängelt sich hinein in einen großen Saal, in dem sich eine Bar befindet. Der Raum ist groß und mächtig und wunderschön gestaltet, am Ende legt ein DJ auf und in der Mitte stehen überdimensionale Blumenkübel. Die Gruppe besteht größtenteils aus Spaniern, ein paar Argentiniern, ein paar Einheimischen und einer Hand voll Deutschen und Niederländern. Die Spanier sind mit allerlei Zeug bewaffnet und tragen Schweinchenohren – Auffallen ist alles! Die U 20 Zielgruppe sucht man vergebens. So stehen wir nun eine Stunde lang in einer Schlange vor einem Vorhang und warten und warten…

Um 20 h endlich gibt der Vorhang den Weg frei in den eigentlichen Konzertsaal, dieser ist klein und zur Hälfte abgehängt, aber dennoch sehr, sehr hübsch restauriert. Beschallt wird man bis 20:15 h mit 80ger-Jahre Pop. Dann betritt Martinique die Bühne. Mit astreiner Kastratenstimme trällert er vier Songs zum Playback. Bei zweien spielt er dazu auch Gitarre, einer der Songs ist französisch und wird ohne Playback, dafür aber mit Gitarre feilgeboten. Die Spanierinnen in der ersten Reihe feiern den Herrn ohne Ende ab, ich finde ihn endlangweilig. Wie sich im Nachhinein herausstellt, ist Martinique der Ehemann von Helena Jefferson, der Backgroundsängerin von Per. Zum Schluss seiner Darbietung gibt es ein Abklatsch
am Bühnenrand mit den heißen Spanierinnen, dass bringt zumindest den Soundtechniker hinter uns dazu, lauthals zu lachen.

Es folgt eine halbe Stunde Umbaupause. Dann erlischt das gedimmte Saallicht und erklingt The Sound of Musik als Intro, und dann betritt Pers Band, die Heavy Metal Kids, die Bühne und schließlich auch der Meister himself.

Die Ladys feiern ohne Ende, sie schreien, kreischen & lassen sich hemmungslos gehen (das ganze erinnert irgendwie an einen Jungesellinnenabschied). Per setzt als erster ein und beginnt, etwas daher zu schrammeln, was sich dann als Dressed for success herausstellt. Überhaupt, die ersten drei performten Songs klingen irgendwie für mich wie von einer Top 40 Coverband auf irgendeiner Party gespielte Einheitsbreisongs, besonders der Rhythmus ist immer gleich. Stimmung will da bei mir irgendwie nicht aufkommen. Dabei ist die Band ja Roxette Titel erprobt, hinterm Schlagzeug sitzt Pelle Alsing und an den Keyboards Pers Langzeitproduzent Clarence
Öfwerman. Gitarre spielt Christoffer Lundquist, der auch schon für Roxette in den Sechssaiter zupfte, einzig Helena Jefferson und Magnus Börjesson am Bass sind neu im Boot.

Besser wird es erst mit The party pleaser, die Band kommt ins Rocken, auf Wish I could fly hätte ich gut und gerne verzichten können, die Die-Hard Roxette aber wohl augenscheinlich nicht. Das erste Highlight des Abends ist dann I have a party in my head, dieser wunderschön minimalistische Song. Highlight Nummer zwei lässt nicht lange auf sich warten. Mit den Worten „this next song is 100% the 80’s for me“ stimmt Per Listen to your heart in einer sehr sehr minimalen Version an, wirklich zum Dahinschmelzen. Zu Opportunity nox packt sich der Herr ins Haar, das Dreiwettertaft hält, und so sitzt die sorgsam gestaltete Frisur auf einmal nichtmehr! Lustig…

Und dann kommt eine Tourpemiere, Helena tritt zu Per in die Bühnenmitte und beginnt mit ihrer lieblichen Stimme das wunderschöne Hey Mr. DJ zu singen. Nun ist es mit dieser sehr ruhigen Nummer natürlich äußerst schwer, wieder Schwung in das Geschehen zu bringen, doch mit Doesn’t make sense gelingt das ganz großartig, die Nummer beginnt recht langsam und endet in einem endlosen Gitarrensoli.

Dann folgen erneut Roxette Klassiker, die grausam arrangiert sind und auch so klingen … hätte man drauf verzichten können … muss man aber wohl irgendwie spielen. Das nächste Highlight bildet eine wunderschön minimalistische Version von
It must have been love nur mit Accoustic und Slide Gitarre dargeboten am Ende des ersten Zugabenblocks. Im zweiten Zugabenblock taucht dann mit Sleeping in my car der erste wirklich gut klingende Roxette Song auf. Queen of rain beschließt das Set. Die spanischen Damen werfen ihre Schweineohren auf die Bühne, die sich dann die Band aufzieht!

Wir warten noch gut eine Stunde in der Schlange der Fans, bis Per sich erneut blicken lässt, ich lasse mir meine Jugenderinnerungen von 1994 signieren. Per wirkt alt und müde. Drei Tage später wird er zusammen mit Marie im Sportpalais zu Antwerpen die Wiedervereinigung von Roxette im Rahmen der Nokia Night of the Proms bekannt geben, wobei die Presse von einer zerbrechlich wirkenden Marie Fredikson spricht. Tags darauf betreten beide in Amsterdam erstmals seit 2001 wieder gemeinsam die Bühne.

Per selbst betitelt die Tour als die beste, die er jemals gemacht habe, verspricht eine CD und DVD sowie eine Doppel LP, denn wie er meint, gibt es einen Punkt im Leben, an dem jeder gute Musiker eine Doppel Live LP veröffentlichen sollte, und stellt sich dabei in eine Reihe mit Bowie und Co.

Ich fahre nach Hause und sehe mich einen Tag später mit der Frage konfrontiert: und würdest du es wieder machen, zu einem Konzert von ihm gehen? Ich überlege und komme zu dem Entschluss, vielleicht in erneut 15 Jahren, wenn die Tickets wieder 25 € kosten, um Jugenderinnerungen aufzufrischen… vielleicht…


01. Dressed for success
02. Drowning in wonderfulthoughts about her
03. Stupid
04. The party pleaser
05. Wish I could fly
06. She doesn't live here anymore
07. 7twenty7
08. I have a party in my head
09. Late, later on
10. Listen to your heart
11. Do you wanne be my baby?
12. Opportunity nox
13. Hey Mr. DJ
13. Doesn't make sense
14. Church of your heart
15. Dangerous
16. Joyride

17. C’mon
18. Are you an old hippie, Sir?
19. The look
20. It must have been love

21. (I’m not your) steppin' stone
23. Sleeping in my car
24. Queen of rain



von Oliver S.




 

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