Montag, 25. Mai 2009

Erica Buettner, Paris, 24.05.09


Konzert: Erica Buettner

Ort: Ein Wohnzimmer, irgendwo in Paris, Oliver Peel Session # 6
Datum: 24.05.2009
Zuschauer: 20
Konzertdauer: 45 Minuten



Erica Buettner habe ich im vor ziemlich genau einem Jahr kennengelernt. Allerdings noch nicht persönlich, sondern als aufmerksamer Beobachter ihres Konzertes in der Pariser Belushi's Bar. Ein junger, folkbegeisterter Franzose namens Mika hatte den Folkabend (21.05.2008) organisiert und sogar das Kunststück vollbracht, die renommierte Meg Baird (vormals Espers) und die hochtalentierte Sharron Kraus für das wunderbare Konzert zu gewinnen. Erst als Erica ein par Monate später solo im Pop In auftrat, ergab sich ein Plausch und die liebenswürdige Amerikanerin mit Wohnsitz Paris war mir auf Anhieb sympatisch. In den folgenden Wochen tauschten wir ab und an E-Mails aus und ich verfolgte ihren Werdegang weiterhin aufmerksam. Leider gingen mir ein paar ihrer in kleineren Cafés stattfindenden Konzerte durch die Lappen, aber als This Is The Kit und The Hand zusammen im Pop In ein begeisterndes Konzert gaben, sah ich Erica wieder, denn sie half ihren Freundinnen an der Querflöte aus. Auch bei anderen Konzerten (Antony & The Johnsons, Neko Case, Aimee Mann) trafen wir uns zufällig, allerding als Zuschauer, da die Amerikanerin genau wie ich gerne selbst zu Liveshows geht.

Am 25.04.2009 gab es dann aber endlich wieder die Gelegenheit, Miss Buettner auf und nicht nur vor der Bühne zu erleben. Zusammen mit ihrem neuen Bassisten Romain performte sie in der urigen Künstlerscheune des 1 bis und präsentierte auch einige neue, mir bis dahin unbekannte Songs. Ich erfuhr, daß ihr erstes Album so gut wie fertig sei, daß sie aber noch ein Label suche und sich der Release somit verzögere. Glücklicherweise verzögerte sich eine Sache aber nicht weiter: die Oliver Peel Session in unserem heimischen Wohnzimmer (!), auf die ich mich mit der Sängerin seit einiger Zeit geeinigt hatte, ohne einen genauen Termin zu finden.

Der 24. Mai wurde gewählt und somit kam es lediglich zwei Tage nach dem fulminanten Auftritt von Pollyanna in unseren vier Wänden bereits zur nächsten Session. Im Bestreben es der Künstlerin und den Gästen so angenehm wie möglich zu gestalten, hatten wir bergeweise Crêpes vorbereitet und jede Menge Getränke geordert. Alles war angerichtet, als Erica schließlich am 24. Mai an unserer Haustüre klingelte. Vorher nicht ahnen konnten wir aber, daß dieser Sonntag einer der heißesten des Jahres sein würde! Die Temperaturen waren auf weit über 30 Grad geklettert und in unserer Bude herrschte ein Luft zum Schneiden. Umso erfreuter waren wir, daß die meisten Gäste auch wirklich eintrudelten und nicht Ausreden vorschoben, um heimlich ein Picknick im Freien zu machen, was ich ihnen gar nicht hätte verübeln können! Circa. 20 Gäste fanden sich schließlich bei uns ein und gegen 17 Uhr 30 konnte es dann endlich mit Musik losgehen. Ich hatte die Künstlerin kurz unseren Gästen vorgestellt, erläutert, daß Erica aus Connecticut stamme, seit vier Jahren in Paris lebe, 24 Jahre alt sei und schon in etablierten Locations wie der Maroquinerie, dem Pop In und der Belushis's Bar aufgetreten sei und außerdem eine kleine Hollandtournee mit Françoiz Breut auf ihrem Habenkonto verbuchen könne. Zudem erwähnte ich, daß sie ein Lied zu dem Sampler Les Filles Fragiles- die zarten, bzw empfindlichen Mädchen - beigetragen hat.

Der Titel passt denn auch auf das Wesen von Erica Buettner ziemlich gut. Sie macht den Eindruck einer äußerst sanftmütigen, ruhigen und für ihr Alter sehr reifen und intelligenten Person. Ein gutes, ausgefeiltes Songwriting ist für sie wichtig, sie will nicht nur für ihre wundervolle Stimme geschätzt werden, sondern vielmehr für ihre poetischen Geschichten, die sie zu erzählen hat. Deshalb erläuterte sie auch in einem sehr ordentlichen französisch jeweils, um was es in dem jeweiligen Song gehe. Zuhören war also angesagt, aber das war bei unserem ungemein aufmerksamen und mucksmäuschenstillen Publikum (war ihnen allen zu heiß?) ohnehin selbstverständlich. Gespannt und feierlich lauschten Muiskfans im Schneidersitz auf dem Boden oder bequem auf dem Sofa (privilegierte Plätze!) den betörend schönen, manchmal traurigen Stories von Erica und bestaunten das feinfühlige und sehr gekonnte Gitarrenspiel der Blondine, die nicht nur mit der Hitze, sondern auch mit den Miaulauten unseres aufgedrehten Katers D'Artagnan klarkommen musste. Der Stubentiger versuchte so einige Male, der Sängerin mit der sanften die Show zu stehlen, aber es gelang ihm nicht! Erica sang von einem Reisenden, der die Konflikte dieser Welt sieht und versucht, dennoch stark zu bleiben (Time Travelling), versetzt sich in die Rolle eines Vogels und sinniert darüber, wie man auf begangene Fehler reagieren kann (Our Most Fragile Things) ), oder besingt die erste, unschuldige Liebe (True Love And Water) und griff bei When It Goes auch einmal zum Banjo, daß sie herrlich pluckern ließ. Einer meiner Lieblingssongs war das recht neue Artic Dogs, daß auf Platte sicherlich einen psychedelischen Einschlag haben wird, den man heute akustisch nur erahnen konnte. Auch der Text ist spannend und nahegehend (" Stay awake we're trying to survive though the ice is cracking we are still alive stay awake don't let yourself go numb feel and feel until all feeling's gone; in the very source of cold we will make a space for warmth digging like the arctic dogs...")

Gegen Ende des circa. 45 minütigen Sets war dann die Zeit für Coverversionen gekommen. Das herrliche Elliott Smith Cover Between The Bars kannte ich schon vom Pop In her, aber heute intonierte sie diesen modernen Klassiker besonders einfühlsam und berührend. Und da sie so gut französich spricht, bot sie den Franzosen in unserem Wohnzimmer auf meinen etwas vorlauten Zuruf hin auch eine Coverversion in der Sprache Molière's, ursprünglich gesungen von Marie Laforêt. C'est Julien hieß die hübsche Ballade, die das traumhaft intime und hingebungsvolle Konzert beendete.

Hätte Erica bereits eine CD zu verkaufen gehabt, sie wäre weggegangen, wie warme Semmeln!




Setlist Erica Buettner, Oliver Peel Session # 6, Paris:

01: Time Travelling
02: Our Most Fragile Things
03: Better Than It Really Is
04: True Love And Water
05: When It Goes
06: Arctic Dogs
07: No Land's Man
08: Between The Bars (Elliott Smith Cover)
09: C'est Julien


Achtung: Liebe Damen und Herren von Morr Music. Erica Buettner ist sehr an ihrem feinen Label interessiert, sie mag ihre Künstler außerordentlich gerne und würde sich bei ihnen gut aufgehoben fühlen. Sie hat ihr erstes Album komplett fertig, sucht aber noch ein Label. Bitte benachrichtigen sie bei Interesse das Konzerttagebuch oder die Künstlerin selbst. Danke!

- Mehr Fotos von der Oliver Peel Session mit Erica Buettner hier
- Videos: Erica Buettner singt C'est Julien von Marie Laforêt und die Katze miaut. Traumhaft! When It Goes, Erica Buettner am Banjo. Hach, schön!




3 Kommentare :

E. hat gesagt…

dem treiben in deinem wohnzimmer musste mal ein kleines denkmal gesetzt werden: im klienicum!

Oliver Peel hat gesagt…

Habe es gerade gefunden, fühle mich sehr geehrt!

Christoph hat gesagt…

Ich kann mich nur anschließen! Habe mich sehr über die netten Worte gefreut, als ich es heute morgen gelesen habe.

 

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