Konzert: Nick Cave & The Bad Seeds
Ort: Admiralspalast Berlin
Zuschauer: ca. 2000
Dauer: ca. 90 Minuten
Dank an Miriam für ihre Unterstützung.
Zuletzt habe ich es im Jahr 2001 versucht zu einem Konzert von Nick Cave zu gehen. Leider wurde ich damals kurzfristig krank und das Konzert fand ohne mich statt. Jahrelang habe ich das Live-Treiben von Herrn Cave aus dem Blick verloren, bis ich Anfang 2013 auf ein Special Event im Admiralspalast aufmerksam wurde.
Im Admiralspalast (damals noch unsaniertes Metropol-Theater) war ich zuletzt 1999 zu Tom Waits. Ähnlich wie bei dem Konzert von Tom Waits, so waren auch die Karten zu Nick Cave heiß begehrt. Beim Pre-Sale habe ich keine mehr bekommen und beim regulären Verkauf einen Tag später nur mit Glück, denn innerhalb von wenigen Sekunden waren die frei verkäuflichen Tickets ausverkauft Bis zu 300 Euro wurde auf dem Schwarzmarkt für ein Ticket verlangt.
Angesetzt war der Abend als "Special Event", um das neue Album "Push The Sky Away" zu promoten. So fanden sich meine Freundin und ich pünktlich um halb sieben zur Toresöffnung beim Admiralspalast ein - in der kecken Annahme, dass die meisten Konzertgänger wohl nicht so zeitig vor Ort wären. Ein Irrtum, denn als wir ankamen, blickten wir auf eine sicherlich 100m lange Schlange. Ein wenig zu dünn bekleidet, froren wir uns gen Eingang entgegen, was dann doch recht zügig passierte. Glücklicherweise hatten wir sogar Karten für den unbestuhlten Innenraum bekommen, der noch angenehm leer war.
Der angekündigte Ablauf des Abends war ein kurzer Dokumentarfilm zur Entstehung des neuen Albums sowie deren Live-Präsentation mit Streichern und Chor.
Ein paar Gongschläge später erhob sich der Vorhang und eine große Leinwand kam zum Vorschein. Was soll ich sagen - der Dokumentarfilm bestand aus diversen Interviewschnipseln der Band, die bei den Aufnahmen zum Album entstanden sind. Der Ton war recht leise und die Bilder und Inhalte recht unspektakulär. Im Ganzen ein nettes Promo-Video ohne wirkliche Tiefe, oder bleibenden Eindruck zu hinterlassen.- Aber deswegen war zu diesem Event wohl niemand gekommen.
Mittlerweile hatte sich der Innenraum des Admiralspalast gut gefüllt, aber Gedränge gab es nicht. Das Publikum waren meist Akademiker (oder Musikjournalisten) zwischen 30 und 50 Jahren. Ein entspanntes Miteinander.
Die obligatorische Umbauphase und dann endlich erhob sich der Vorhang ein zweites Mal. Zum Vorschein kamen ein kleines Klassik-Ensemble sowie ein "Kinder-"-Chor. Nach und nach trudelten weitere Musiker ein, und die ersten Klänge von We No Who U R begannen. Unter tosendem Applaus, Pfeifen und Johlen kam dann auch Nick Cave hinzu. Was für eine Bühnenpräsenz direkt von Beginn an: Sein eng geschnittener (natürlich schwarzer) Anzug sitzt tadellos, seine Gesten zur Musik sind stimmig, seine Stimme klingt brillant.
Im ersten Teil des Konzerts spielt Nick Cave sein neues Album Stück für Stück "herunter". Herunter spielen bedeutet dabei aber nicht, dass das blutleer, kontur- und lieblos geschieht. Das Gegenteil ist der Fall.
Im Vorfeld gab es (in meinen Augen) überzogene Kritik am aktuellen Album: Es sei zu ruhig, balladenlastig, altersmilde. Diese Kritik kann ich beim ersten Song noch nachfühlen und nachvollziehen, denn man merkt, wie Nick Cave sich erst langsam in das Konzert eingroovt. Stetig steigert sich aber diese Energie, was schon beim vom Kinderchor begleiteten Wide Lovely Eyes zu spüren und zu sehen ist. Die Geschichten seiner Lieder, die instrumentale Begleitung durch das Klassik-Ensemble, der Kinderchor im Hintergrund gepaart mit der stimmungsvollen Beleuchtung im geschichtsträchtigen Admiralspalast transportieren eine an einen Gottesdienst erinnernde Erhabenheit, natürlich auf eine ganz eigene, dämonische und verführerische Art und Weise.
Im weiteren Verlauf steigert sich diese Erhabenheit in eine stärker werdende eruptive Eindringlichkeit, die von Nick Caves steten Lieblingsthemen erzählen, ein Roadtrip zwischen Himmel und Hölle, Schönheit und Zerfall.
Beschwörerisch folgt Water´s Edge, dessen tragische Schwere biblischen Ausmaßes mit der letzten Beschwörungsformel förmlich in die Dunkelheit gerissen wird... It´s the will of love, it´s the thrill of love, but the chill of love is coming down.
Dazu macht das gesamte begleitende und unterstützende Ensemble einen grandiosen Job. Der Klang ist perfekt! Klar, druckvoll und eindringlich. Selbst kleine Nuancen vielfältig eingesetzter Instrumente haben ihre großen Momente und entfalten sich in einem unglaublich fein abgestimmten Zusammenspiel.
Nick Cave: Der Udo Jürgens der Unterwelt. Sein Ensemble: Die Dämonen der Finsternis... Das Publikum hat längst jeglichen Widerstand aufgegeben, ist nun vollends in die widersprüchliche Welt des Herrn Cave eingesogen und fühlt sich dennoch sichtlich geborgen.
Es ist mein erstes Mal, dass ich ein Live Konzert erlebe, bei dem ein Album in seiner Gesamtheit und im Ablauf durchgespielt wird. Cave und seine Musiker überschreiten das reine "Vorstellen" des Albums, indem es ihnen gelingt, es als Gesamtwerk atmosphärisch, künstlerisch, gestisch und energetisch zu füllen. Aus dem Gesamtwerk wir ein Gesamtkunstwerk.
>Nach kompletter Vorstellung des Albums beginnt der "dritte" Teil des Abends, in dem Nick Cave ein paar seiner "alten" Klassiker nicht nur wie eine lebendige Juke-Box herunterspielt, sondern sie in die vorangegangene Atmosphäre integriert: Klassikensemble und Kinderchor bleiben zumindest anfangs noch mit auf der Bühne und halten die Energie. From Her To Eternity wird glühend ins Publikum gepeitscht. Die für mich schönste Fassung von The Ship Song fehlt ebenso wenig wie das The Mercy Seat gen Ende. Abgeschlossen wird der Abend mit der Zugabe Stagger Lee.
Nick Cave strotzt an diesem Abend vor Energie und Präsenz. Diese Energie überträgt sich ungehemmt auf das euphorische Publikum. Als die Lichter angehen, bleiben noch viele in Saal und fühlen dem Erlebten nach. Es sind diese besonderen Momente, die einen verleiten könnten, selbst unbekannte Menschen in den Arm zu nehmen - einfach nur, weil sie mit einem diese Intensität geteilt haben.
Nick Cave ist Ende des Jahres auch in Deutschland auf Tour. Dieses Mal leider in größeren Hallen.
Setlist Nick Cave & The Bad Seeds, Admiralspalast, Berlin:
01: We No Who U R
02: Wide Lovely Eyes
03: Water´s Edge
04: Jubilee Street
05: Mermaids
06: We Real Cool
07: Finishing Jubilee Street
08: Higgs Boson Blues
09: Push The Sky Away
10: From Her To Eternity
11: O Children
12: The Ship Song
13: Jack The Ripper
14: Deanna
15: Love Letter
16: Your Funeral...My Trial
17: The Mercy Seat
18: Stagger Lee (Z)
Das Konzert wurde an diesem Abend live in diversen Radiostationen übertragen. Die beeindruckende Aufnahme habe ich verlinkt.
Beim Anhören der Aufnahme ist es im Nachhinein kaum zu glauben, dass wir vor Ort waren. So einmalig und besonders war dieser Abend.
Nick Cave ist Ende des Jahres auch in Deutschland auf Tour. Dieses Mal leider in größeren Hallen.
Setlist Nick Cave & The Bad Seeds, Admiralspalast, Berlin:
01: We No Who U R
02: Wide Lovely Eyes
03: Water´s Edge
04: Jubilee Street
05: Mermaids
06: We Real Cool
07: Finishing Jubilee Street
08: Higgs Boson Blues
09: Push The Sky Away
10: From Her To Eternity
11: O Children
12: The Ship Song
13: Jack The Ripper
14: Deanna
15: Love Letter
16: Your Funeral...My Trial
17: The Mercy Seat
18: Stagger Lee (Z)
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