Konzert: Motorama (Wovenhand, Don Cavalli)
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 25.02.2013
Zuschauer: ausverkauft (etwa 500)
Konzertdauer: eine knappe Stunde
Ein bildhübsches blondes Model war zu Gast beim Konzert von Motorama in der Pariser Maroquinerie. Hohe Wangenknochen, strahlend blaue Augen, bestimmt 1,80 groß, sofort hatte ich die Vermutung es mit einem Mannequin aus Russland zu tun zu haben. Meine Vorahnung bestätigte sich hinterher. Die Schönheit war eine alte Freundin von den Bandmitgliedern von Motorama und stammt wie sie aus Rostov-On-Don im Kaukasus. Aus dieser kalten Ecke scheinen erstaunliche Leute zu kommen. Natürlich gibt es dort sicherlich nicht nur aufstrebende Popbands und potentielle Topmodels, sondern auch viel Armut und einfaches Leben, aber irgendwie muss es auch ein guter Nährboden für Talente sein. 1000 Kilometer von der Kapitale Moskau entfernt, lebt man sehr autark und abgeschottet von westlichen Vergnügungen, hat aber gerade durch das Internet einen Draht zur Welt. Provinzler sind die Menschen dort sicherlich nicht, schließlich hat die Stadt etwa 1 Million Einwohner. Dennoch: bekannte Konzertlocations und Modelagenturen gibt es dort nicht, wenn man es auf diesen Gebieten zu etwas bringen will, muss man raus in die weite Welt. Für Motorama hat dieser Weg nach draußen etliche Jahre gedauert. Die Band wurde schon Anfang 2000 gegründet und hat sich in den Kellern Russlands schon lange die Finger wund gespielt. Vielleicht würden sie immmer noch dort auftreten, wenn nicht Sean, der Labelchef des in Bordeaux ansässigen Labels Talitres, die Gruppe gesignt hätte. Plötzlich war es vorbei mit selbstgebrannten CDs wie dem Vorgänger Alps, den man noch wie vor gratis im Netz runterziehen kann, wenngleich die Gruppe nach wie vor Videos und T-Shirts in Eigenregie herstellt. Ihre Bodenständigkeit scheinen sie trotz des mittleren Hypes um sie trotzdem nicht verloren zu haben. Sie stellen sich selbst noch an den Merch Stand, verkaufen Platten und T-Shirts und erklären den Leuten geduldig, welchen See man auf dem Cover des Albums Calendar sehen kann und was der russische Schriftzug auf den Shirts bedeuet. Alles Handarbeit also, obwohl man ihnen teilweise unberechtigerweise vorwirft, ein Kunstprodukt zu sein und nur Joy Division zu klonen.
Ich selbst war vorher auch skpetisch ob dieser Ian Curtis Nachfolger aus Rostov on Don was taugen würde, wurde aber beim übewältigenden Konzert im Point Ephémère Ende letzten Jahres eines Besseren belehrt. Der Gig hatte mich so umgehauen, daß ich ihn zum Konzerte des Jahres 2012 wählte.
Enstprechend hoch war die heutige Erwaltunsghaltung und - ich kann es vorwegnehmen-, die turmhohen Erwartungen konnten nicht ganz erfüllt werden. Schuld daran waren einige schwierige Bedingungen. Die Band war erst sehr kurzfristig in Paris angekommen, hatte keine Zeit für einen ordentlichen Soundcheck und musste diesen ganz kurzfristig auf der Bühne selbst durchführen. Dort stand dannn dummerweise noch eine fette Marschall Box im Weg rum, die von dem danach startenden Wovenhand gebraucht wurde. Sänger Vladislav war daher gezwungen, sein Mikrofon seitlich aufzubauen und schräg dort reinzusingen. Angesichts seines enormen Bewegungsradius und gewaltigen Tatendrangs war das ein starkes Handicap, er wirkte oft ein wenig beängt und hatte Angst über die Box hinter ihm zu stolpern. Der großgewachsene Bursche braucht nun einmal viel Platz, er liebt es, ausladende Bewegungen zu machen, mit seiner Gitarre rumzufuchteln und von links nach rechts zu springen.
Seine Ehefrau, die Basseri Irene ist da sparsamer. Sie steht meistens mit unbewegter Miene auf der Stelle, überrascht aber immer wieder mit unerwarteten Ausbrüchen, bei der ihre Haare wild durch die Luft fliegen. So war es vor ein paar Monaten im Point Ephémere und so war es auch gestern in der Maroquinerie. Eine unberechenbare Liveband. Manchmal wirken sie recht statisch, dann aber wieder sind alle in Bewegung.
Typisch scheint mir zu sein, daß sie eine gewisse Zeit brauchen, um warm zu werden. Die ersten drei Lieder verliefen deshalb auch recht ruhig, aber gegen Ende wurde es immer aufgepeitschter und exzesssiver. Schade, daß die Leute im Publikum kaum ragierten. Trotz äußerst tanzbarer, rasant schneller und zackiger Rhythmen, standen die meisten nur rum.
Dabei waren gerade Stücke wie Alps oder One Moment so mitreißend, daß man eigentlich Pogo hätte tanzen können.
Eine knappe Stunde lang performten die Russen Lieder ihrer beiden Alben und erteilten ähnlich gelagerten britischen Bands eine Lehrstunde im Post Punk Revival. Hier gab es keinen Bombast wie bei den White Lies oder Glasvegas, auch keinen gothischen Trauermarsch wie bei Iliketrains, sondern Tempo, Tempo, Tempo und Melodien, Melodien, Melodien. Umwerfend war das, zumindest in den besten Momenten, wie bei den Supernummern To The South oder Image. Nie verloren Motorama ihre Leichtfüßigkeit und Eleganz, nie wurde es episch und schwülstig, immer war alles herrlich tanzbar, taufrisch und aufregend.
Und eines wurde ganz deutlich: der Joy Division Vergleich hinkte trotz der verhallten Grabesstimme von Vlad gewaltig.
Im Grund genommen klingen Motorama live ohnehin weniger nach Joy Division als nach The National oder Tindersticks auf Speed, aber ohne deren Altherrenattitüde und ihr einschläferndes Phlegma. Also keine Musik für alte melancholische Waver, die heutzutage im Clubsessel Rotwein trinken und zu Vanderlyle Crybabdy Geeks mitsummen, sondern moderne, sehr flotte und abgehakte Klänge ähnlich wie bei den Good Shoes oder den Maccabees, die auch New Wave Nostalgikern wie mir, die mit The Cure und New Order groß geworden sind, wahnsinig gut gefallen.
Toll war natürlich auch der Look. Motorama sahen aus, als wollten sie gleich noch auf den Tennisplatz.Vlad trug ein Polo der Marke Tacchini (wie John McEnroe damals), Irene ein tailliertes Damentennishemd, strahlend weiße Sneakers und eine hautenge schwarze Legging, die ihren straffen Po wunderbar betonte.
Kurzum, es war schwer für mich da zu widerstehen. Tennis in Kombination mit Post Punk Revival Musik, das ist so ziemlich alles, was ich liebe. Ich hatte also, trotz der Tonproblemchen und des Platzmangels eine wunderbare Stunde mit Motorama und bedauerte, daß es nicht noch ein bißchen länger ging.
Don Cavalli hate zuvor mit seinem Altherrenblues gelangweilt, während Wovenhand am Ende den grimmigen schwarzbehüteten Cowboy raushängen ließ. Der Bursche schaute die Leute in den ersten Reihen mit seinen stechend blauen Augen sauböse an, fast wie ein Ostberliner Grenzbeamter beim Überschreiten der innerdeutschen Grenze damals vor der Wende.
Der Sound von Wovenhand war bleischwer und höllisch laut, aber meine Frau, die endlich mal wieder mit mir bei einem Konzert war, hatte schon nach drei Liedern keinen Bock mehr. Wir gingen darum oben ins Restaurant und ließen den Abend bei Wein und einem ordentlichen Essen gemütlich ausklingen.
Motrorama werde ihren Weg gehen, soviel steht fest und 2013 werden alle die ihre Shows sehen merken, daß wir es hier nicht mit Klonen, sondern einer originellen tollen Band zu tun haben.
Aus Rostov-On Don kommen wirklich interessante Leute. Hach verflixt, warum habe ich keine Email oder Handyadresse von diesem russischen Model notiert?!
Setlist Motorama folgt!
Deutsche Tourdaten Motorama:
04.03.2013: Druckluft, Oberhausen
05.03.2013: Komma, Esslingen
06.03.2013: Schlachthof, Wiesbaden
07.03.2013: Ostpol, Dresden
08.0.30213: About Blank, Berlin
09.0.30213: Molotow, Hamburg
Deutsche Tourdaten Motorama:
04.03.2013: Druckluft, Oberhausen
05.03.2013: Komma, Esslingen
06.03.2013: Schlachthof, Wiesbaden
07.03.2013: Ostpol, Dresden
08.0.30213: About Blank, Berlin
09.0.30213: Molotow, Hamburg
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