Konzert: HURTS
Ort: Postbahnhof am Ostbahnhof, Berlin
Datum: 09.02.2013
Dauer: 70min
Besucher: ca. 1.000 – innerhalb von Minuten ausverkauft!
von Tanita
Es gibt manche Bands, die geraten bei mir seltsamerweise wieder sehr schnell in Vergessenheit, obwohl sie das eigentlich gar nicht verdient haben. Andererseits geht es mir dann, wenn ich mich wieder daran erinnere, wie gut ich diese Band eigentlich finde, in etwa so, wie wenn ich einen alten Bekannten nach langer Zeit unverhofft auf der Straße treffe. Nachdem mich Hurts 2011 live sehr beeindruckt hatten und ich mir die Band gleich 3 mal in kürzester Zeit angesehen habe, war für mich klar, dass ich unbedingt zu dem als „exklusiver Showcase“ beworbenen Konzert im Postbahnhof in Berlin musste. Als hoffnungsloser Konzertjunkie konnte ich einfach nicht widerstehen: die Band würde live gut sein (so dachte ich zumindest), es würde das erste Konzert in Deutschland vor Veröffentlichung des neuen Albums sein, man würde wohl noch mehr neue Songs zu hören bekommen und auch wichtig: ich kannte die Location noch nicht! Ergo: 5 Stunden nervige Zugfahrt – ab geht’s! So „einfach“ gestaltete sich die ganze Angelegenheit aber anfänglich doch nicht: denn als Ende letzten Jahres verkündet wurde, dass Hurts im März ihr sehnlichst erwartetes zweites Album Exile veröffentlichen würden und im Vorfeld ein paar exklusive Shows spielen würden, konnte man sich lediglich per Email um die Chance, ein Ticket kaufen zu dürfen, bewerben. Absolut lächerlich, was man sich heutzutage als Fan alles antun muss, um eine Band zu sehen...aber nun gut. Tatsächlich hatte ich genug „Glück“, um mir ein Ticket bestellen zu dürfen und der Zeitpunkt des Konzerts fiel so perfekt auf das Wochenende nach meinen ersten Klausuren, dass ich einfach nicht anders konnte. Die Farce, die sich bereits beim Ticketkauf und dem Hinweis, das man die Tickets ja an der Abendkasse abholen müsste, angedeutet hatte, war dann bei meiner Ankunft auch in vollstem Ausmaß an Idiotie ersichtlich – trotz der Tatsache, dass ich chronisch zu spät komme und dieses Mal aber sogar absichtlich fast eine halbe Stunde nach Einlass erst am Postbahnhof war, um nicht in der Kälte stehen zu müssen, durfte ich genau das dann fast eine dreiviertel Stunde lang tun. Nicht gerade der beste Weg, um die Vorfreude auf ein Konzert zu steigern. Immerhin habe ich beim Warten in der Kälte ein paar nette Konzert- und an diesem Abend fast noch wichtiger Hurts-Enthusiasten kennengelernt, u.a. einen jungen Herrn, den ich ritterlich mit meinem zweiten Ticket vor einem zwielichtigen Ticketverkäufer – noch so ein Hassthema – gerettet habe und so wurde die scheinbar nicht enden wollende Distanz zum Eingang doch irgendwann, kurz nachdem die Vorband schon begonnen hatte, gemeinsam überwunden.
Da das nicht das erste Konzert war, auf dem die Organisation einfach fragwürdig war, habe ich mir davon noch nicht meine gute Laune verderben lassen, aber als ich dann der Vorband genauer zugehört habe, war dann leider der vorläufige Tiefpunkt erreicht. Ich möchte wirklich Niemandem Unrecht tun und allgemein finde ich, dass jeder Künstler, der mutig genug ist, sich auf eine Bühne zu stellen und vor Menschen seine Seele zu offenbaren, eine Daseinsberechtigung hat. Allerdings war mir bei Say Lou Lou nach wenigen Liedern klar, dass diese Band für mich persönlich genauso insignifikant bleiben würde, wie ihr Name es mir bereits prophezeit hatte. In unserer kleinen Gruppe von durchfrorenen Menschen waren wir uns schnell einig, dass die beiden Sängerinnen leider sehr einfallslosen Pop vortrugen, der insgesamt im Publikum nicht besonders auf Begeisterung stieß und so machte sich der allseits beliebte Fluchtimpuls in Richtung Bar bemerkbar. Dadurch bot sich aber immerhin die Möglichkeit die Location mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Alles genauso, wie man sich einen hippen industriell angehauchten Hauptstadtclub aus dem Bilderbuch vorstellen würde – besonders gut fand ich, dass man auch vom hintersten Winkel des Raums die Bühne super sehen konnte und somit das nervige Gedrängel von unhöflichen Menschen auf ein Minimum reduziert wurde.
Nach ein paar netten Gesprächen an der Bar, war es dann wie erwartet kurz nach neun endlich Zeit für Hurts. Man konnte die Spannung im Raum deutlich spüren, da sich alle der Exklusivität des Konzertes bewusst zu sein schienen. Erwähnenswert ist auch die große Anzahl von wirklichen „Die Hard“-Hurts-Fans, die ich bereits bei bloßer Betrachtung sehr sympathisch fand, denn man konnte ihnen ansehen, wie aufgeregt und nervlich angespannt sie kurz vor Beginn des Konzerts waren und es ist immer wieder faszinierend mitanzusehen, wie auch und v.a., Frauen mittleren Alters in hysterische Kreischanfälle verfallen, sobald das Licht erlischt und die Band auf die Bühne kommt.
Theo Hutchcraft und Adam Anderson betraten genauso die Bühne, wie ich es erwartet hatte – Adam gewohnt reserviert und fast schon etwas abwesend und Theo, sich ganz seiner Wirkung auf die weiblichen Hurts-Fans bewusst, genoss die die lautstarke Reaktion auf ihr Erscheinen sichtlich. Ich war sehr gespannt, mit welchen Song Hurts das Set eröffnen würden und wurde nicht enttäuscht, da sie gleich mit dem Titelsong Exile begannen, der für mich persönlich um einiges härter klingt, als das, was man sonst von den sonst so von Hurts gewöhnt ist – optisch unterstrichen von Theo, der den Opener ganz „bad ass“ mit schwarzer Kapuze absolvierte. Direkt gefolgt von Miracle, der ersten Singleauskopplung aus Exile, einem definitiv sehr eingängigen Song, der aber trotzdem Theos stimmliches Können live deutlich zur Geltung bringt. Durch die beiden neuen Songs hatten Theo und Adam das Publikum bereits fest in der Hand, aber als dann die ersten Klänge des nächsten Songs den Raum erfüllten und alle wirklich jedes einzelne Wort von Wonderful Life mitsangen, war klar, dass Hurts an diesem Abend relativ leichtes Spiel haben sollten. Dieser Moment hielt mir auch wieder vor Augen, warum Hurts mich 2011 live so beeindruckt hatten. Einerseits ist da Theos wundervolle Stimme, die auf Platte zwar schon toll klingt, aber live und dies ist vermutlich auch seinem Auftreten geschuldet, Züge der Stimme eines Opernsängers hat und einen förmlich in die Lieder hineinzieht und dann auf der anderen Seite ist da der seltsam ruhige Adam, der die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn verschwimmen lässt. Auf der Bühne entfaltet sich eine ganz besondere Dynamik zwischen den beiden, die so gegensätzlich erscheinen und manchmal hatte ich den Eindruck, dass Adam das Publikum kaum wahrnimmt, sondern so konzentriert auf seine Musik ist und lediglich die Verbindung zu Theo und dessen Bestätigung sucht. Genau diese besondere Verbindung schafft ihre Musik auch zwischen der Band und dem Publikum und noch schöner eigentlich, zwischen den einzelnen Menschen im Publikum, die für diese wenigen Momenten während des Konzerts ihr Herz komplett der Musik öffnen und sich in die melancholische Welt von Hurts entführen lassen. Ich weiß nicht genau woher diese unfassbare Coolness kommt, die Hurts live austrahlen, denn wie ihnen von vielen Kritikern zurecht vorgehalten wird, könnte man, wenn man lediglich ihr Debüt Happiness auf Platte gehört hat und sie noch nie live gesehen hat, von grenzenlosem, fast nicht zu ertragendem Kitsch sprechen – doch damit tut man den beiden wirklich Unrecht, da hinter dem perfekten Image tatsächlich mehr steckt. Auch wenn Hurts für manche rein oberflächlich betrachtet zu viel ist, man sollte, falls man die Möglichkeit hat, der Band live eine Chance geben – selten wurde meiner Meinung nach ein Image auch live so perfekt „over the top“ umgesetzt, wie bei Hurts. Seien es generell die schwarzen Anzüge, dieses Mal zusätzlich noch die schwarze Kapuze und die Lederhandschuhe, die gönnerhaft ins Publikum geworfenen weißen Rosen, die noch begehrter sind, als die Setlists oder aber auch die fragwürdigen Tänzerinnen in Spitzenbodies (dieses Mal „leider“ stattdessen mehr Begleitmusiker) - das alles ist so künstlich und überinszeniert, dass es schon wieder gut ist.
Die Setlist des Abends war mit 14 Liedern zwar ziemlich kurz, allerdings eine perfekte Mischung aus alten Songs und 5 neuen Songs. Für mich persönlich immer wieder eines der Highlights im Set: Silver Lining, dessen unfassbares Intro mir jedes Mal durch Mark und Bein geht – einfach großartig. Dem folgenden neuen Song Blind stand ich zunächst etwas skeptisch gegenüber, da er eine ziemlich seltsame Sequenz enthält, die ich anfangs zu dancelastig fand und mich eher an Captain Jack, als an Hurts erinnert hat. Leider muss ich gestehen, dass ich bis zum Ende des Songs generös darüber hinwegsehen konnte, da Theo mit so viel Pathos in schwindelerregend hohen Tonlagen gegen diese sich wiederholende Passage ansingt, dass insgesamt doch genug Hurts vorhanden ist und der Song wirklich ungewohnt, aber nichtsdestotrotz ganz toll ist. Dieser eher ruhige Song bot die perfekte Grundlage für Evelyn, dessen bedächtige Stimmung wirkungsvoll von dem neuen Song Cupid „zerstört“ wurde, der in etwa so sehr reingehauen hat, wie der Opener – für mich persönlich positiv zu bewerten, dass Hurts bei ihrem zweiten Album ein paar mehr Gitarren auspacken. Die nächsten fünf Songs bis zu den Zugaben lieferten noch einmal einen dynamischen Ritt durch sämtliche Stimmungen, für mich persönlich alles Highlights, da Sunday (besonders toller Übergang von Cupid!), Blood, Tears & Gold, Unspoken und Illuminated, das immer besonders schön – und auch kitschig – ist, wenn alle gebeten werden ihre Handys oder Kameras oder sonstige leuchtende Gegenstände in die Höhe zu halten, einfach tolle Songs des ersten Albums sind und auch dementsprechend begeistert vom Publikum angenommen wurden. Der letzte Song vor den Zugaben namens The Road, war dem Publikum als allererster Vorgeschmack auf Exile ,in makellosem Hurts-Stil, bereits letztes Jahr vorgesetzt worden und wurde bereits begeistert mitgesungen. Die beiden Zugaben Better than Love und natürlich, direkt nach Wonderful Life wohl der größte Erfolg in der bisherigen Bandgeschichte Hurts, Stay.
Ein wirklich toller Abschluss, bei dem alle mit größter Hingabe und in vollkommen falschen Tonlagen das Stay mitsangen und es einfach nur schön fanden. Umso trauriger dann, dass die meisten nicht damit gerechnet hatten, dass dieses als Warm-Up-Gig gedachte Konzert, wohl relativ kurz ausfallen würde. Natürlich wären noch 2 bis 3 zusätzliche Lieder schön gewesen, aber andererseits haben Hurts eben auch bisher nur ein veröffentlichtes Album und bevor man dann noch 10 Coverversionen zu hören bekommt, fand ich dieses Set in seiner Kürze, aber ausgewogener Songvielfalt, absolut angemessen. Besonders schön war es auch einfach zu sehen, dass Hurts mehrfach ihre starke persönliche Bindung an Berlin und ihre deutschen Fans betonten und viel mehr noch, dass man ihnen wirklich abnahm, dass sie das „It's good to be back.“ scheinbar auch ernst meinen.
Man darf also durchaus auf das gespannt sein, was Hurts 2013 noch so von sich hören lassen werden! Wie man das in Berlin eben so macht, bin ich danach direkt in das nahegelegene Radialsystem zur Arte Berlinale Party gegangen. Klingt wahnsinnig angeberisch, aber ich hatte mich spaßeshalber auf einen Gästelistenplatz beworben und gewonnen und habe selbstverständlich liebend gern die Möglichkeit wahrgenommen auch noch ein Gratiskonzert von Get Well Soon abzustauben! Ich möchte fast nicht von einem Konzert sprechen, da es sich dabei um eine Aufzeichnung für die Arte Live Lounge handelte und die Atmosphäre dementsprechend steril war, aber nicht einmal dieser Umstand und die absolut seltsame Mischung von Menschen, die sich im Radialsystem versammelt hatten, konnte der Wirkung von Konstantin Groppers Stimme und Get Well Soon im Allgemeinen Abbruch tun – auch wenn ich zwischendurch gerne manchem stocksteifen Pseudo-Bohemian-Hipster-Wichtigtuer-Menschen das Weinglas aus der Hand schlagen wollte, damit ich nicht die Einzige bin, die vollkommen peinlich zu You Cannot Cast Out The Demons (You Might As Well Dance) „tanzt“. Insgesamt ein wundervoller Abschluss eines tollen Abends – bleibt mir nur zu sagen, dass ich nun noch gespannter auf Exile bin, das am 11.03. endlich erscheinen wird, Berlin anscheinend doch gar nicht so fürchterlich sein kann, wie man wegen Kraftklub annehmen möchte und ich so schnell wie möglich wieder zu einem richtigen Get Well Soon Konzert muss!
Setlist Hurts, Postbahnhof am Ostbahnhof, Berlin:
01: Exile
02: Miracle
03: Wonderful Life
04: Silver Lining
05: Blind
06: Evelyn
07: Cupid
08: Sunday
09: Blood, Tears & Gold
10: Unspoken
11: Illuminated
12: The Road
13: Better than Love (Z)
14: Stay (Z)
1 Kommentare :
Boah, es ist echt erstaunlich, wie wieviel Zeit echte Menschen im wahren Leben haben. Ich wäre auch gerne wieder Student. Vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Ich war auf dem Konzert in Kölle und war echt enttäuscht, weil der Gig in Köln 2011 eins der besten Konzerte war, auf denen ich überhaupt war. 2013 war eher mau. Wegen meiner Frau muss ich jetzt nach Dùsseldorf, was schon wegen der "Stadt" furchtbar ist. Mal sehen. (Jetzt habe ich doch tatsächlich mehr geschrieben, als ich wollte.
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