Samstag, 16. Februar 2013

Julie Doiron, Köln, 15.02.13


Konzert: Julie Doiron
Ort: King Georg, Köln
Datum: 15.02.2013
Zuschauer: vielleicht 100
Dauer: Julie Doiron knapp 75 min, Jacco Gardner 30 min


Eine der sauren Gurken, in die ich bei King Georg Konzerten bislang immer beissen musste, war der fehlende (online-) Vorverkauf. Ein paar Mal - zuletzt Ende des Jahres bei Neil Halstead - kam ich gerade noch so in den kleinen Club. 40 Minuten abgehetzte Anreise und dann den Spruch: "ihr nicht mehr" zu hören, ist zu frustrierend. Allerdings ist das späte Nochreinkommen auch keine Garantie für einen guten Abend, weil das King Georg den Grundriss eines Streichholzes hat und die letzten, die noch dürfen, vom Künstler (am Zündkopf) kaum etwas sehen und hören. Seit ein paar Tagen ist die Homepage nicht mehr schmerzhaft rot, seit vergangener Woche existiert ein Vorverkauf. Sehr schön!

Musikalisch gibt es an dem Club in der Nähe des Ebertplatzes eh nichts auszusetzen, sein Programm ist seit Jahren exzellent. Auch Julie Doiron hat schon einmal im King Georg gespielt, aus irgendeinem Grund (Vermutung: anderes Konzert) konnte ich da aber nicht, obwohl mich Kollege Oliver vor Jahren schon auf die Kanadierin aufmerksam gemacht hatte und ich seitdem fleißig ihre Musik kaufe.

Die Vorgruppe Jacco Gardner aus den Niederlanden hatte ich bislang nicht gekannt. Allerdings hatte ich im Vorfeld aufgeschnappt, daß sie heimliche Co-Headliner sein würden. Auch in der Schlange vor dem Club unterhielten sich alle in meiner Nähe über sie. Ich bin der letzte, der Böses über Vorgruppen-Freunde sagte, wenn der Hauptband dann aber offensichtliches Desinteresse gezeigt wird, gilt das nicht. Aber das kommt später, erst spielten Jacco Gardner ja, und alle hörten zu.

Es handelt sich bei den Niederländern um den Sänger Jacco und drei Live-Begleiter. Während des halbstündigen Auftritts sprach er von "my new record" oder "I have written..." Dabei war eines der Hauptelemente seiner Musik der dreistimmige (mit viel Hall versehene) Gesang. Dazu kam eine wundervoll alt klingende Orgel, die nicht immer den Rhythmus hielt, sowie die Instrumente seiner Kollegen, Bass (Jasper Verhulst), Gitarre (Keez Groenteman) und Schlagzeug (Jos van Tol).

In den Stücken steckte viel Altes. Ich habe die Beach Boys rausgehört, ein Stück klang nach No milk today, die Zugabe nach dem hervorragenden Album von James Levy and the Blood Red Rose. Eine andere Stimme nannte hinterher die frühen Pink Floyd ohne den psychedelischen Quatsch. Daß diese im besten Sinne altbackene Musik von extrem jung aussehenden Musikern gespielt wurde, war alles andere als albern, der Auftritt gefiel mir ausgezeichnet! Und Jaccos Eltern hatten offenbar ein gutes Händchen bei der musikalischen Früherziehung. Lieder kannte ich nicht, mit einer Setlist kann ich nicht dienen. Beim nächsten Mal dann. Am 4. April spielt die Band in Haldern, auch für das Festival wäre sie ein sicherer Tipp. Das gestrige Konzert war übrigens neben einem Auftritt in Berlin das zweite in Deutschland.

Die lauten Gespräche in der Umbaupause gingen dann leider ungebremst weiter, als Julie Doiron mit Gitarrist Christopher MacLauchlan fertig war und mit dem ersten Stück begann. Auch wenn es es eine Kneipe ist und man seine Kumpels so lange nicht gesehen hat und wirklich nur die Vorgruppe sehen wollte, rechtfertigt das sicher kein rüpelhaftes Verhalten. Ich bin auch nicht sicher, ob es so schrecklich unhöflich den Freunden gegenüber ist, mal nicht mit den Bierflaschen anzustoßen, während zwei Meter entfernt eine Künstlerin versucht, leise Lieder zu singen. Vermutlich habe ich aber eine viel zu uncoole Frisur, um das beurteilen zu können.

Ich habe bei den vielen Alben der Kanadierin den Überblick verloren, das erste Stück (Swan pool) stammte aber vom 2007er Album Woke myself up. Julie Doiron hat seit Mitte der 90er Jahre neun Solo-Alben veröffentlicht, zuletzt So many days im vergangenen Jahr.

Die erste Hälfte des Konzerts bestritten Julie und Christopher gemeinsam, mir gefiel allerdings der Solo-Teil ab Homeless besser. A propos Homeless: Christopher erinnerte mich (an den vielen Hinterköpfen vorbei) an Saul aus Homeland, vermutlich lag das aber nur an einem ergrauten Bart, er sprach nicht über Terroristen.

Es war eben mein erstes Julie Doiron Konzert, und ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ihre herrlich verpeilte Art gefiel mir ausgezeichnet. Da waren die schief klingenden Gitarren, die machem Stücke eine sicher nicht gewollte aber toll passende Pavement-Note verpasste (Consolation prize!) oder ein Gitarrensolo, das sie vollkommen überraschte (sie spielte es!). "I really forgot to bring a guitar pick for this solo. Believe me it sounds amazing on the album." Allerdings spiele sie das Solo da auch nicht. Was sie dazu führte, daß sie demnächst mit ganz vielen Gitarristen oder ganz ohne auf Tour gehen wolle. "Dann lassen wir einfach Gitarren auf den Rider schreiben und reisen ohne Gepäck." - "Oh ja, Bier und Gitarren auf dem Rider!"

Später bot sie eine Mitfahrgelegenheit nach dem Konzert von Köln nach Barcelona für 20 Euro an - was uns grübeln ließ, wie Julie bis Samstagabend mit Auto und Fähre über Barcelona nach Mallorca kommen wolle, denn da spielt sie abends.

Neben den wunderbaren Stücken machte Julies verschrobenes Wesen eine ganze Ecke des Charmes des Konzerts aus. "Es ist das erste Mal seit langer Zeit, daß ich mit offenen Haaren spiele. Sonst sehe ich immer so aus", sie machte einen Dutt.  Nach dem verpatzen Gitarrensolo sang sie irgendwann "take away my guitar" (The longest winter) und musste dabei während des Stücks lachen! Bei Last night knackte es übel im Verstärker - Christophers Handy-Batterie hatte sich gemeldet, sie war fast leer. Beim wundervollen Tailor verpatzte Julie den Text, sie mischte zwei Zeilen zusammen und sang sie dann doppelt. 

Die erste Zugabe The wrong guy, die für eine Rockband-Instrumentierung geschrieben sei, aber von ihr alleine gespielt wurde, bekam ein unfreiwilliges Schlagzeug dazu, die Becken des Instuments der Vorgruppe schepperten nämlich zu Julies lautem Gitarrenspiel.

Ohne diese verrückten Momente wäre es genauso toll gewesen, sie waren aber ein sehr schönes Extra eines hervorragenden Konzerts. Vielleicht haben das die Gallagher-Brüder im Publikum ja auch so empfunden, würde mich freuen. So freitägliche Horizonterweiterung ist ja nicht die schlechteste Idee.

Setlist Julie Doiron, King Georg, Köln:

01: Swan pond
02: ?
03: Yer kids
04: Consolation prize
05: Cars and trucks
06: Can't make it
07: The longest winter
08: Last night

Julie Doiron solo:
09: Homeless
10: Me and my friend
11: Tailor
12: Another second chance
13: A thing of the past (The Shirelles Cover)
14: Beneath the leaves
15: The gambler
16: By the lake

17: The wrong guy (Z)
18: Glad to be alive (Z)

Fotos folgen nachher!



1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Fotos? :)

 

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