Donnerstag, 14. Februar 2013

Paul Banks, Paris, 12.02.13


Konzert: Paul Banks (Darko)
Ort: L'Alhambra, Paris, 
Datum: 12.02.13
Zuschauer: geschätzte 400
Konzertdauer: 75 Minuten


"I paid for that, I paid for that and now you pay me back and now you pay me back!"

Meine Herrn! Da war ne Menge Zunder drin als Paul Banks beim Konzert in Paris mit unglaublicher Kraft diese Songzeilen in Mikro greinte. Das ging mir durch Mark und Bein.

Nimmt man noch den Song I'll Sue You hinzu, bekommt man -ohne sich  näher mit dem Fall beschäftigt zu haben-, die Vermutung, es handele sich bei den Solosongs des Interpol Sängers um eine Abrechnung. "Ich habe bezahlt (gebüßt), jetzt bist du dran!", oder "ich verklage dich", klingt nach Rache.


 
Anscheinend hat Banks aber allen Frust bereits in diesen Liedern verarbeitet, denn selten (eigentlich nie) sah ich ihn so aufgeräumt, heiter, geradezu glücklich mit sich und der Welt. In sehr korrektem französisch bedankte er sich regelmßig höflich für den eigentlich gar nicht mal sonderlich enthusiastischen Applaus, betonte immer wieder wie gerne er hier sei und lächelte ganz entspannt. Die Tatsache, daß die recht kleine Location noch nicht einmal knallvoll war, schien ihn überhaupt nicht zu stören. Im Gegenteil, er wirkte immer aufrichtig überrascht, wenn Leute die Songs mit Beifall quitierten.


Toll, wenn ein Sänger einer solch etablierten Band so bescheiden auftritt. Damit bestätigte Paul Banks den sehr guten Eindruck, den ich von ihm während einer Autogrammstunde vor zwei Jahren gewonnen hatte. Damals nahm er sich für die Fans alle Zeit der Welt, obwohl die Zeit drängte und Interpol abends ein Konzert hatten. Jedem einzelnen hörte er konzentriert zu, schaute ihn mit seinen melancholischen blauen Augen tief an und stellte selbst Fragen. "Wo hast du uns schon live gesehen?"-"Ah, da und da, toll, ja war ein schönes Konzert damals." Wirkte nicht wie auswendig gelernter Smalltalk für Promozwecke, sondern aufrichtig. Mich fragte er auch: "are you coming to our show tonight?" Und als ich sagte, ich hätte leider keine Karte, erkundigte er sich sogleich beim Tourmanager, ob noch etwas auf der Gästeliste frei sei, was allerdings nicht der Fall war (dennoch kam ich natürlich noch rein, weil ich Oliver Peel bin). So kam mir auch der Mensch hinter dieser sensationellen Stimme nahe und mein Vorurteil, er könne kühl und arrogant sein, wurde aufs Beste widerlegt.

 


Nun heute also als Solokünstler(aber freilich mit einer Liveband) unterwegs, wirkte er auf jeden Fall gelöst wie nie. Vielleicht liegt es daran, daß er weniger Druck als mit Interpol hat, die immer mit Argusaugen beobachtet werden und wenn sie mal nicht so überzeugen, gleich als beschissene Liveband dargestellt werden. Wie auch immer, seine innere Ausgeglichenheit übertrug sich auf aufs Publikum.Vielleicht sogar ein wenig zu sehr, denn die Pariser waren doch die ganzen 75 Minuten über arg statisch. Kaum einmal bewegten sich ein paar Leute und wenn, dann hielt der Schwung nicht lange. Dabei war die Kost, die uns vorgesetzt wurde keineswegs lahm, übel oder unausgegoren. Die Songs mögen zwar den Leuten weniger bekannt gewesen sein, von schlechter Qualität waren sie deshalb noch lange nicht. Natürlich kann man streiten, ob ein Titel wie I'll Sue You, der an dritter Stelle kam, bei Interpol nur eine B Seite wäre und ob man wirklich einen Instrumentaltrack wie Lisbon braucht. Hierbei würde man aber verkennen, das die meisten Solo Songs sehr subtil und dezent gestrickt sind und selbst Lisbon live alles andere als deplatziert war. Schon klar, hier ging es nicht Hit auf Hit wie bei Interpol und die Leute erkannten die Stücke auch nicht nach dem ersten markanten Basslauf oder einem Gitarrenriff. Also kein Evil, Slow Hands, Obstacle 1 oder PDA, dafür aber solch schöne Nummern wie das sanft melancholische Summertime Is Coming, das heroische Only If You Run, das wundervoll balladeske On The Esplanade oder das druckvolle und in diesem Falle definitiv stark an Interpol erinnernde  Games For Days zum krönenden Abschluss (im Übrigen dem Tourmanager gewidmet).





 

Es war in jeder Hinsicht eine runde Sache und selbst als ich im Mittelteil bei Arise Awake und Fly As You Might ein klitzeklein wenig Langweile verspürte, wurde diese umgehend beiseite gewischt und mit einem beeindruckenden Finish mehr als wettgemacht. Allein die letzte viertel Stunde war das Geld definitiv wert. Hier wurde perfekt zwischen eher dreampoppigen Songs und Indierockern gewechselt, ähnlich wie bei Interpol durch eine milimetergenau Gitarrenarbeit mit präzise herausgearbeiteten Riffs geglänzt und auch melodiös zu Werke gegangen.


Die Stimme von Banks? Sensationell und zwar durchgängig! Mal fest und durchdringend, mal brüchig und verletztlich, Banks traf immmer die richtige Note. Der Sound war ebenfalls brillant und perfekt ausgesteuert, so daß es in dieser Hinsicht überhaupt gar nichts zu meckern gab.

Einzig die im Vergleich zum Album zu schleppende Version des schönen Young Again enttäuschte etwas und auch die enorme Trägheit des Publikums irritierte mich ein wenig.

Zwei seltsame Szenen gab es zudem. Zum einen wurde ein älterer Herr nach draußen katapultiert, nachdem ein junges Mädchen einen Ordner gerufen und auf diesen gezeigt hatte. Ob dem Herrn nur schlecht war, oder ob er das Mädel unsittlich angefasst hat, ist nicht überliefert.

A propos unsichtlich anfassen (womit wir bei der zweiten seltsamen Szene wären): tapsig wie ich bin, hielt ich ein Mädchen gleich vor mir für meine Ehefrau, näherte mich ihr und legte ihr vertraut die Hand von hinten auf die Schulter (zum Glück nicht ganz woanders hin!). Ganz Charmeur flüsterte ich in ihr Ohr: "Na Liebling, gefällt es dir?" Die fälschlicherweise Angesprochene reagierte erstaunlich relaxt und meinte nur: "Comment? Was meinst du bitte?" Gut, sie schaute ein wenig angewidert, merkte aber schnell, daß es sich um einen Irrtum handelte. Meine Frau die gleich links daneben stand und die Szene mitbekommen hatte, kämpfte hingegen mit den Tränen. Nicht weil sie aus Ärger über mich weinte, sondern weil sie von heftigen Lachkrämpfen geschüttelt wurde.

Am Ende grinsten wir uns nur noch an und verließen das Konzert des doch eigentlich so melancholischen Sängers Paul Banks mit einem nicht zu unterdrückenden Glucksen.

Setlist Paul Banks, Alhambra Paris:

01: Unwind
02: Fun That We Have
93: I'll Sue You
04: Only If You Run
05: Arise, Awake
06: Fly As You Might
07: No Chance Survival
08: Young Again
09: Lisbon
10: Over my Shoulder
11: No Mistakes
12: The Base
13: Paid For That
14: Summertime Is Coming

16: Sykscraper
17: On The Esplanade
18: Games For Days




 

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