Montag, 11. Februar 2013

Conor Oberst, Paris, 02.02.13


Konzert: Conor Oberst (Simon Felice)
Ort: Le Café de la Danse, Paris
Datum: 02.02.2013
Zuschauer: etwa 550, ausverkauft
Konzertdauer: fast 2 Stunden nur Conor



Conor Oberst bzw. Bright Eyes war wichtig in meiner späten musikalischen Sozialisierung. Nachdem ich in der ersten Phase mit Bands wie Kraftwerk, New Order, den Pet Shop Boys, aber auch solch unsäglichen Dingen wie Italo Disco und kommerziellem Spät-New Wave großgeworden- und mit etwa 16   in meiner Indiedisco auf Gruppen wie die Ramones, Violet Femmes, und The Clash gestoßen bin, gab es etwa 2004/2005 eine neue wichtige Phase. Post Punk und New Wave feierten mit Acts wie Interpol, Franz Ferdinand und Bloc Party ein Revival und auch Folk Music kam zurück. Die wichtigsten Player in jener Zeit u.a.: Devandra Banhart ("der Diwäntra ist was ganz Besonderes", wie Karl Lagerfeld immer sagt), Joanna Newsom, Elliot Smith und... Bright Eyes.

Folk habe ich als Kind und als Jugendlicher gehasst, das war was für meine ältere Schwester. Die war damals nämlich in der Friedensbewegung aktiv, ist auf Demos gegangen und fand die Grünen toll. Allein den Look dieser Ökos fand ich schlimm und die peacige Musik erst recht.


Das hat sich Anfang der 2000 er Jahre grundlegend geändert. Angewidert von meinem drögen Jurastudium und den meisten meiner abstoßend  fleißigen und konservativen Kommilitonen (aus dieser Zeit stammt wohl meine Babor Jacken Phobie), fand ich plötzlich gefallen an den Hippies und ihrer Musik. Sandy Denny hat mich mit ihrer wahnsinnig traurigen Stimme fasziniert und auch der tiefmelancholische Nick Drake. Aber das waren eben klassische Vertreter des Genres, nun brauchte es neue Identifikationspersonen. Die fand ich in Elliott Smith, dessen posthum erschienenes Album From A Basement On The Hill ich rauf und runter hörte und eben Bright Eyes mit seinem genialen Doppelschlag I'm Wide Awake, It's Morning und Digital Ash In A Digital Urn. Die beiden Scheiben halfen mir wirklich aus einer schweren persönlichen und gesundheitlichen Krise heraus, waren Licht am Ende des Tunnels. Was gab es da nicht für Hits drauf! Lua, We Are Nowhere And It's Now, First Day Of My Life, Take It Easy (Love Nothing), Easy/Lucky/Free, göttlich. Die weinerliche Stimme, aber auch das feine Händchen für packende Melodien von Conor hatten es mir total angetan. Der riesige Hype in deutschen Musikmagazinen störte mich nicht weiter, er war eben auch gerechtfertigt. 2005 dann mein erstes Liveerlebnis, das ebenfalls sehr positiv ausfiel. Beim Festival im französischen Belfort folgte gleich Konzert Nummer zwei und erneute Begeisterung.

 

In der Folge sah ich Conor noch mehrfach und erlebte nie ein schlechtes Konzert. Allerdings fiel immer stärker auf, daß er zuviel trank und deshalb zu gewissen Formschwankungen neigte. Jedes Jahr verebbte die Euphorie von 2004/2005 ein wenig mehr und auch die folgenden Alben rissen, wenngleich sie alle sehr odentlich ausfielen, mich nicht mehr ganz so vom Hocker wie damals.

2011 dann das letzte Konzert von Bright Eyes, das mir in guter, aber nicht absolut euphorischer Erinnerung geblieben ist.  

Tja und dann haut Conor, nun unter seinem eigenen Namen startend (und auch ohne die Mystic Valley Band), so einen gewaltigen Hammer raus! Ich kam zwar viel zu spät im Café de la Danse an, war aber augenblicklich elektrisiert. Da war Schwung drin! Da war Feuer drin! Die Melodien sprudelten nur so heraus und Conor sang ganz ausgezeichnet und voller Inbrunst. Wahnsinnig beherzt griff er in die Saiten seiner Akustischen, hatte auch gute Musiker mit auf der Bühne, die ihn hervorragend unterstützten. At The Bottom Of Everything war ein Knaller!

Zu blöd jedoch, daß ich schon Perlen wie First Day und Lenders In The Temple verpasst hatte, aber ich konnte ja auch nichts dafür, daß sie hier schon mit dem Hauptact um 20 Uhr 20 begonnen hatten. 


Zum Trost sah die Blondine neben mir scharf aus. Hatte mich irgendwie schon immer gewundert, daß Conor so eine Anziehungskraft auf die Mädchen ausübt, aber irgendwas an ihm muss die Frauen heiß machen. Seine viel zu lang gewordenen Haare sind es sicherlich nicht. Wahrscheinlich eher die Augen, seinem treuen Dackelblick kann man einfach nur schwer widerstehen. Sei's drum, wenn der Frauenanteil den Männeranteil bei Konzerten übersteigt, ist mir das immer genehm.


Kurze Zeit später wurde bei Lua auch der Frauenanteil auf der Bühne erhöht. Die Geigerin Simi Stone war alles andere als eine Quotenfrau, wenngleich mir ihre Stimme nur recht gut (Note 2-), aber nicht überragend gut gefiel. Die Blondine von den Mynabirds, die auf der letzten Tour von Bright Eyes Keyboard gespielt hatte, wäre mir gesanglich lieber gewesen, aber eine tolle Ausstrahlung hatte sie, diese Simi. Conor immer fest im Blick, zwitscherte sie solo einige Zeilen von Lua und später auch noch bei ein paar anderen Liedern mit. Die Luft brannte zwischen den beiden, wenn man das mal so flach ausdrücken darf.


Noch ein wenig später stieß dann auch bei Make War Simon Felice, der in meiner Abwesenheit das Vorprogramm bestritten hatte, mit hinzu. Ein cooler Typ, der sich auch für unwiderstehlich hielt, mit seinem herben Cowboy Gesang aber auch unter Beweis stellte, daß er ein Guter ist. Ohnehin seltsam, daß seine in den US of A so hochgelobte Band The Felice Brothers nie in Paris aufgetreten ist.


 


Aber zurück zu Conor. Der erzähte von den Freuden des Elternwerdens, obwohl er diese Erfahrung nie selbst gemacht hat und trug auch einen Song zu diesem Thema vor, You Are Your Mothers Child. Ein einfühlsames, sehr reduziertes Stück, das aber nicht mein absoluter Liebling im Set war. Das waren eher Shell Games- ("here it comes that heavy love"), natürlich Lua mit dem entzückenden Violinenspiel von Simi, die mitreißende Mitsingnummer Laura Laurent und das sphärische An Attempt To Tip, das fast ein wenig postrockig und nur wenig folkig klang. Conor ist eben auf keine bestimmten Stil festgelegt und bekannte auch, daß er Folkmusik bis zu seinem 20 Lebensjahr für doof ("stupid") gehalten habe, fügte jedoch trocken hinzu: "well, there is some good stuff." Dann grinste er und schmetterte mit Simi und Simon Felice ("two lovely creatures" wie er die beiden immer nannte) Make War, bevor mit Waste Of Paint dann leider Schluss war und ein ganz herausragendes Konzert beendet wurde.






 
Conor ließ sich später noch oben an der Bar blicken, unterhielt sich ganz relaxt mit den Fans, nahm die Leute (nicht nur die Frauen, auch mich!) in den Arm und ließ sich bereitwillig abknipsen.

Mit einem super Gefühl im Bach machte ich mich dann auf den Weg zur Metro und pfiff Lua vor mich hin: "Cause what is so simple in the moonlight by the morning never is"...

Setlist Conor Oberst, Café de la Danse, Paris:

01: The Big Picture
02: First Day Of My Life
03: Arienette
04: Cape Canaveral
05: Going For The Gold
06: Lenders In The Temple
07: Classic Cars
08: Ladder Song
09: Night At Lake Unknown
10: At The Bottom Of Everything
11: White Shoes
12: You Are Your Mother's Cild
13: Shell Games
14: Lua
15: Map Of The World (Monsters Of Folk)
16: Laura Laurent
17: Breezy

18: An Attempt To Tip
19: Make War
20: Waste Of Paint



 

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