Konzert: Amatorski
Ort: Kreativfabrik, Wiesbaden
Datum: 07.02.2013
Zuschauer: rund 50
Dauer: knapp 75 min, Skirt 38 min
Vor ein paar Jahren habe ich Klaas Janzoons, den Keyboarder der belgischen Band dEUS interviewt. Mir sind von diesem Gespräch zwei Dinge im Gedächtnis geblieben, Klaas' miese Laune und offen gezeigte Unlust, durch die auch ich keinerlei Spaß mehr hatte - es war eine tolle Viertelstunde! und seine Theorie darüber, warum es in Belgien, in der Schweiz und in Portugal die aufregendsten Indie-Szenen Europas gebe. Richtig: Belgien, Schweiz und Portugal. Bis dahin hatte ich Island, Schweden und Schottland für die Indiehipster gehalten und mich wahrscheinlich diesbezüglich oft blamiert.
Sehr viele aufregende Bands aus diesen Klaas-Ländern sind mit allerdings noch nicht untergekommen, vermutlich suche ich nur an den falschen Ecken.
Nachdem ich gestern zum ersten Mal Musik von Amatorski gehört habe, kam mir auch spontan wieder Island in den Sinn, vielleicht Dänemark, definitiv müsste diese Band aber aus einem nordischen Land stammen. Tut sie nicht, Amatorski stammen aus Belgien. Und ich habe mein mildes Lächeln über den wirren dEUS Keyboarder, das ich schon nach einem Balthazar Konzert vorsichtiger einsetze, endgültig eingemottet!
Amatorski spielten ihr Wiesbadener Konzert im Ausweichquartier der Räucherkammer. Der kleine Saal des Schlachthofes kann im Zuge des Neu- und Umbaus zur Zeit nicht als Auftrittsort genutzt werden. Da die Kreativfabrik allerdings direkt neben dem alten Schlachthof liegt, war keine große Umgewöhnung nötig.
Um kurz nach neun betrat eine einzelne Frau die Bühne. Skirt hieß sie, wie ich last.fm entnommen hatte. Und Skirt sei eine japanische Band / Künstlerin, die Techno mache. Laut last.fm. Glücklicherweise war es trotz eines Notebooks auf der Bühne kein Karnevals-Techno, den die Berlinerin mit rumänischen Wurzeln vortrug. Es waren Stücke mit vielen gesampelten Instrumenten, die irgendwo zwischen Soap & Skin und den Rainbirds (und manchmal ganz vage auch Notwist) gelagert sein könnten. Skirts Folk war auch fast vierzig Minuten lang nicht langweilig, der Funke auf mich ist aber nur selten übergesprungen. Toll gefielen mir Blockflöten vom Band beim ersten Stück und das düstere, weil mit viel Hall unterlegte The end and the start, das sie ihrer verstorbenen Tante Ilse in Rumänien gewidmet hatte und das anschließende Not counting trains.
Unbestritten spannender wurde es dann ab zehn Uhr. Das erste Stück ihres Albums tbc Fading, ein kurzes Instrumental-Lied, das aus einer Glockenspiel-Melodie besteht, kam noch vom Band. Als das vorbei war, stiegen vier sehr jung aussehende Musiker auf die Bühne, Sängerin Inne Eysermans, Gitarrist Sebastiaan Van den Branden, Schlagzeuger Laurens van Bouwelen* und Bassist Hilke Ros.
Inne setzte sich mit Wintermantel an ihr Piano und stimmte ein erstes Stück an, 22 Februar vom Album tbc. Auch die Stimme der Sängerin klingt sehr jung und bietet damit einen schönen Kontrast zur Musik, die alles andere als jung (im Sinne von unreif oder unprofessionell) klingt. Melodien und Instrumentierungen waren durchweg wundervoll! Mir kamen im Verlauf des erstaunlich langen Auftritts immer wieder Referenzen in den Sinn, die es aber alle nicht treffen, zu viel Eigenes steckt in Amatorski. PJ Harvey, Sophie Hunger (ohne den souligen Einschlag), Efterklang (deren Produzent Daran Allison auch tbc bearbeitet hat), Big Deal, auf Platte Mogwai oder natürlich Sigur Ros (und ich habe alle Wortwitze mit dem Bassisten ausgelassen, obwohl Karneval ist!).
An die tollen Big Deal erinnerten mich die Lieder, bei denen Inne gemeinsam mit Gitarrist Sebastiaan sang. Diese Duette sind ein Stilelement, das Amatorski erst seit ihrer Platte einsetzen, es war aber so fabelhaft, weil sich beide Stimmen gemeinsam grandios anhören, daß es einen großen Teil meiner Begeisterung ausmachte! Soldier ganz am Anfang war eines dieser Lieder! Der zweistimmige Gesang der beiden war herzerweichend schön! Bis es plötzlich laut knackte und das Mikro ausgetauscht werden musste. nach zwei Minuten Zwangspause war ein Ersatz da, es konnte weitergehen.
Noch besser als bei den Duetten wurde es immer dann, wenn Amatorski aus ihren ruhigen Liedern ausbrachen und Krach erzeugten, herrlichen Gitarrenkrach, der gar nicht so weit von den dauerrotierenden Stücken von mbv entfernt lag. 8 November war eines dieser Lieder, es begann ruhig mit einer tief über der Tastatur liegenden Inne (die trotz der fiesen Kälte im Saal ihren Mantel mittlerweile ausgezogen hatte). Plötzlich brach es aus den Vieren aus - und die Plätze vor den Boxen wurden schnell leer. 8 Novemer endete dann aber wieder ganz leise und zart - toll!
Beim folgenden wohl unveröffentlichten Stück gab es die musikalisch schönste Stelle des Konzerts. Gitarre, Klavier, Bassdrum und Glockenspiel spielten gemeinsam eine irre schöne Melodie, die wie von einer Spieluhr erzeugt klang!
Aber auch Peaceful oder das neue How are you? waren vorzüglich! Zum Abschluß spielten die Belgier noch einmal Soldier, diesmal mit funktionierendem Mikro und Never told.
So weit wäre das alles schon ein toller Abend gewesen. Aber dazu kam noch eine herrlich sympathische Frontfrau. Inne lobte Wiesbaden und seine Berge, versuchte rauszufinden, ob es "Wiesbadeners" heißt, und worüber Wiesbadeners lachen. Sie erinnerte mich dabei (nicht äußerlich) wahnsinnig an Elena Tonra von Daughter, eine Assoziation, die ich bei einer Band, die ich nicht mag, ganz sicher nicht gehabt hätte!
A propos nicht mögen... dieser dEUS-Klaas hatte recht! Belgien hat eine spannende Indie-Szene. Zumindest, wenn Amatorski und Balthazar exemplarisch für diese stehen!
Setlist Amatorski, Kreativfabrik, Wiesbaden:
00: Fading (Intro)
01: 22 Februar
02: Soldier
03: Same stars we shared
04: The king
05: Come home
06: 8 November
07: Warszawa
08: Peaceful
09: How are you? (neu)
10: Tiny bird
11: Anthem
12: Soldier (Z)
13: Never told (Z)
* Danke für den Hinweis, Gudrun!
3 Kommentare :
Christoph, ich finde das Foto von Skirt erste Sahne. Da steckt schon im Bild so viel von der Atmosphäre des Auftritts für mich drin. Und das Bandoneon...
das mit den spannenden indie bands hat definitiv was. ich glaube, das hängt mit der weit verbreiteten festivalkultur zusammen (nicht die grossen bomberfestivals, aber viele kleine feine). in Belgien ist halt das pukkelpop schon sehr wichtig. dort habe ich übrigens Amatorski gesehen vor ein paar Monaten, vor einem sehr grossen Publikum...
.. ganz vergessen zu schreiben, die schweiz hat viele kleine feine indie bands, da hat er schon recht. Pablo Nouvelle, Wolfman, Jeans for Jesus, My Heart Belongs To Cecilia Winter sind bloss ein paar davon..
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