Montag, 17. Juni 2013

Scout Niblett, Berlin, 3.6.13

Konzert: Scout Niblett (+Olöf Arnalds)
Ort: Volksbühne Berlin
Datum: 3.6.2013
Zuhörer: 3/4 gefüllt
Dauer: 45+90 Minuten




Wenn ich mir was wünschen dürfte,
käm ich in Verlegenheit,
was ich mir denn wünschen sollte,
eine schlimme, oder gute Zeit?
(Friedrich Hollaender)


Nachdem ich das Gefühl hatte, dass Berlin über Monate hinweg kein Sonnenstrahl erreichte, löste der Anblick von blauem Himmel in mir wahren Freudentaumel aus. So entschloss ich mich noch vor dem Konzert auf den Stufen der Volksbühne Platz zu nehmen und jeden Sonnenstrahl einzeln aufzusaugen. 

Den spontanen Entschluss an diesem Abend mich auf den Weg in die Volksbühne zu machen, sollte ich nicht bereuen. Auch wenn Scout "Emma" Niblett bis kurz vor diesem Abend für mich weitestgehend unbekannt war.
So betrat ich selig den Konzertraum und freute mich auf einen abwechslungsreichen Abend. Abwechslung deswegen, weil Ólöf Arnalds den Abend einleiten wird. Ólöf kommt wie ihr Cousin Olaf aus Island und hat sich wohl dem Indie-Folk verschrieben.
Kurz nach neun betritt sie die Bühne mit ihrem musikalischen Partner Skúli Sverrisson. Sie trägt schwarze Plusterhosen, die mich eher an die Bezaubernde Jeannie erinnern als an einen Folkmusikabend. Sei es drum - Künstler sind ja immer mal wieder für Überraschungen gut.
Optisch und musikalisch ist es für mich eine Mischung zwischen Ane Brun und Liz Green. Während Skúli sie konzentriert und unauffällig begleitet, ist wohl Ólöfs Markenzeichen das Mienenspiel. Das ist niedlich anzusehen, schafft aber auch mitunter groteske Momente. Ich gerate dadurch immer wieder in eine Verwirrung, ob sie denn nun ihre eigene Musik persiflieren möchte. Ich denke mal nicht, sondern glaube vielmehr, dass sie ihrer kindlichen Natur freien Lauf lassen möchte.
Ihr Darbietung ist durchaus unterhaltsam, reicht für mich aber nicht für die große Bühne. In einem Wohnzimmer oder einem kleinen bestuhlten Konzertraum wäre mir ihr Auftritt sicherlich näher gegangen. So wirkte sie doch etwas verloren, wenn auch mit viel Witz und Charme. Originell war ihr "Gummibärchenlied".

Die obligatorische Umbauphase dauerte nicht sehr lange und irgendwann stand auch Scout "Emma" Niblett auf der Bühne und werkelte noch ein wenig herum. Die Gemächlichkeit der Volksbühne (und des Publikums) war wohl Scout Niblett unbekannt und so fing sie ihr Konzert an, obwohl noch einige Zuschauer sich im Foyer aufhielten.
Das war sicherlich nicht unhöflich gemeint, sondern ihr war es vielleicht unbehaglich auf der Bühne so untätig rumstehen zu müssen.
Sie trägt einen schlichten langärmligen Pullover dazu einen knielangen Rock. Das wirkt elegant, aber hat einen Tick etwas von einer grauen Maus. Das sie das bei weitem aber nicht ist und das es keiner offenen Blusen und Miniröcke bedarf, um ungebrochene Aufmerksamkeit zu erhalten, das wird sie den Abend über unter Beweis stellen.
Sie begann ihr Set mit zwei Solo-Stücken. Den Kopf leicht gesenkt. Und da spürte man es sofort - diese unbeschreiblichen Emotionen, die sie ausdrücken und in den Saal feuern kann. Dafür braucht sie nicht mehr als ihre Gitarre, ihre Stimme und das großartige Vermögen dieses so bewusst einzusetzen, dass es das Publikum schon direkt am Anfang des Konzerte zu lautem Jauchzen und Johlen hinreisst. Die Bühnendekoration ist spartanisch. Nur die große Theaterbühne, ein paar Monitorboxen, ein Schlagzeug. Keine ablenkenden Videoprojektionen, keine entlastenden Lichteffekte. Eine Operation am offenen Herzen des Publikums. Und unsere Herzen sind offen. Von Anfang an. Zu
All Night Long kommt auch der Schlagzeuger Jan Philipp Janzen mit auf die Bühne. Und wie das passt. 

Zwischen den Liedern dann ein kurzes: Questions? Darauf direkt aus dem Publikum: Are you smoking? Yes I am. It´s bad for the voice. Das passiert aber in so einer sympathischen Art und Weise, mit so einer angenehmen Leichtigkeit und Zurückhaltung, dass es eine Freude ist. Dann folgt Gun. Das Schlagzeug. MG-Salven rattern durch den Saal, Scout Nibletts Stimme: "you took your love away from me, and i am thankful, everyday." Unbeschreiblich. Es hat etwas von der Beschwörung eines Dämonen und zugleich einer Teufelsaustreibung. Die Liebe, die einst beschworen wurde, muss nun ausgetrieben werden. Wer kennt das nicht? Und das macht ihre Musik so stark - so nahbar - so spürbar. Emma steht nicht schüchtern, verängstigt auf der Bühne. Im Gegenteil. Sie läuft auch nicht auf und ab, um sich zu entlasten. Sie bleibt stoisch an einem Punkt stehen. Unheimlich schön in Erinnerung blieb mir das ruhige Can´t fool me now und im Anschluss auch My Man. Wobei es so leicht dahingesagt ist mit ruhig. Ihre Stimme ist großartig. Nach Your Last Chariot das phänomenale Nevada. Mit welcher Leidenschaft, Inbrunst und Überzeugung sie schon die erste Textzeile in den Saal feuert "Put on that suit and lend me that costume". Und wie sie dann diese losgetretenen Gewalten doch wieder beherrschen kann. Dabei geht aber nichts verloren. Man kann es kaum aushalten, so überwältigend ist es. Und so entlädt sich diese Spannung auch nach jedem Lied beim Publikum. Es geht dabei nicht nur um Dank an die Künstlerin, sondern - und das macht dieses Konzert so besonders und wertvoll - sondern um das eigene be- und empfinden.


Ob sie wohl Wodka auf der Bühne trinkt, wird bei der zweiten Fragerunde amüsant geklärt. Es gibt wohl nur Wasser und Rotwein an diesem Abend für sie.
Nach What Can I Do? wird Emma in die Frage verwickelt, warum denn viele Lieder von Eifersucht handeln. Beim Versuch diese Frage zu beantworten, weicht sie liebenswert mit einem "No-it´s not" aus. Das kann man ihr nicht nachtragen. Dafür beschenkt sie uns gleich bei der ersten Zugabe mit Kiss. Wie sie "Don´t break my dream" dahin schluchzt. Unnachahmlich!  Bei Hot to death muss ich aber eher an Black Sabbath denken. 
Als allerletzte Zugabe wünscht sich das Publikum dann Wolfie. Ein grandioser Abschluss.

and
i´d loved you forever
i know it to be true
´cause though we´re not together
love is never through

Beseelt von ihrer Musik und völlig gerührt und benommen, gehe ich zum Merchandising Stand und umklammere zwei ihrer Langspieler. 

Setlist:
My beloved
Duke of anxiety
All night long
Gun
Second chance dreams
Can´t fool me now
My man
Your last chariot
Nevada
Let thine heart be warned
What can i do?
-
Kiss
Hot to death

Wolfie

Hier der Live-Mitschnitt vom Kölner Konzert:
http://vimeo.com/68305892

2 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

Markus, mit dem Bericht hast Du Dich mal wieder selbst übertroffen.

Christoph hat gesagt…

Oh ja!

 

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