Donnerstag, 14. April 2011

Peter Doherty, Köln, 13.04.11


Konzert: Peter Doherty
Ort: Essigfabrik, Köln
Datum: 13.04.2011
Zuschauer: ausverkauft
Dauer: 115 min


Seit einigen Tagen ist der englische Skandalroc... Stop! Von vorne. Denn in meiner musikalischen Welt sind Bands wie Limp Bizkit, die Toten Hosen oder die Guano Apes Skandalrocker, nicht Peter Doherty. Ich habe nichts gegen Indieklatsch, ganz im Gegenteil; wenn allerdings selbst das ARD Morgenmagazin (das ist das schlechtere Morgenmagazin; das mit diesen Schülersprecher-Typen als Moderatoren)* sich berufen fühlt, vom Tourauftakt von Peter Doherty zu berichten, ist es eigentlich höchste Zeit, das Weite zu suchen. Daß ich es nicht getan habe, sondern mir (aus musikalischen Gründen) das heutige Konzert des Engländers in der Kölner Essigfabrik angesehen habe, war eine außerordentlich gute Idee, denn es war grandios!

Als wir ankamen, lief gerade das letzte Stück einer deutschen Vorgruppe,** die weiß gekleidet war und Streicher dabei hatte. Da hatte sich jemand Mühe gegeben... Die letzten Takte klangen auch durchaus gut, mehr kann ich darüber aber nicht berichten.

Um zehn nach neun - nicht, wie ich gedacht hatte, eine Stunde später - kam Peter Doherty, um ein knapp zweistündiges Set, das vor allem aus Libertines- und Babyshambles- Stücken bestand, vorzutragen. Lediglich die Lücken wurden mit Liedern seines Soloalbums gefüllt; im Mittelpunkt standen vor allem die Libertines. Petes und Carl Barâts Band habe ich leider nie live gesehen, der heutige Abend war allerdings so etwas wie die Libertines light.

Zuletzt hatte ich Peter Doherty beim Berlin Festival vor knapp zwei Jahren erlebt. Damals war der Sänger schrecklich fahrig, begann Lieder, um sie wieder abzubrechen und in andere übergehen zu lassen. An jenem Abend hat er mein Interesse locker weggespielt. Das Konzert war nicht nur hingerotzt (das gehört ja noch dazu), es war vor allem lieblos hingerotzt.

Auch heute war Peter Doherty chaotisch. Auch heute ließ er Lieder ineinander übergehen, aber im Gegensatz zu Berlin damals, schien der lange Sänger heute enormen Spaß zu haben. Spielfreude, würde man beim Fußball sagen. Die schnoddrige Art, Konzerte zu spielen, hat den Nachteil, daß die ein oder andere Perle nicht ausreichend gewürdigt wird und zwischen unendlich vielen Liedern untergeht. Dagegen steht der riesige Vorteil, daß nichts geplant zu sein scheint, und wenn wir Zuschauer Glück haben, ein Hit nach dem anderen kommt. Eine der versteckten Perlen war heute Vertigo, das quasi im Vorbeilaufen gespielt wurde.

A propos Vorbeilaufen... weil der Abend so stattfand wie erwartet (und angekündigt), also Peter alleine auf der Bühne stand, gab es eigentlich nicht viel zu sehen. Er stand eben am Mikro und spielte auf seiner
akustischen Gitarre. Aber vor den Liedern und während der Gesangspausen, oder an den Stellen, an denen das Publikum singen sollte, tigerte Pete über die riesige Bühne oder setzte sich auf einen Verstärker. Eigentlich dachte ich, daß sie nicht mehr dabei seien, aber zu For lovers tauchten auch wieder Peters Ballettänzerinnen auf, mit einer von denen er, ach, das ist wieder Klatsch.

Die beiden Ballerinen (mit neuem Outfit) verschwanden wieder, kamen aber gegen Ende noch für drei Lieder zurück (an den passenden Stellen, What Katie did, Last of the English roses und Salome - da umgezogen). Die eigentliche Bühnenshow kam
aber aus dem Publikum. Pete bekam wieder reichlich Geschenke (und Bierbecher) zugeworfen. Eines, ein Schal (vom Vizemeister, oder?), kam mit Begleitbrief, den er teilweise vorlas. "Erinnerst du dich noch an mein letztes Geschenk?..." Und da dachte ich, Kuchen sei cool.

Was die "Hui, der Skandalrocker"-Journalisten gerne verschweigen (oder eher mangels Interesse nicht wahrnehmen), sind die Tatsachen, daß Peter Doherty
sehr clever zu sein scheint, auch wenn er das manches Mal geschickt verbergen kann, und daß er ein musikalisches Genie ist. Die Cleverness zeigt sich in Peters passablen Deutschkenntnissen. Immer wieder baute er kleine übersetzte Textzeilen in seine Stücke ein (z.B. bei der englischen Rose, bei Katie oder sehr intensiv bei Stranger in my own skin, wo er den Refrain einige Male auf Deutsch sang). Das musikalische Genie wurde u.a. deutlich in der Art, wie er sein Programm gestaltete. Es gab (vermutlich) keine Setlist, es schien viel eher so, daß er beim Zwischenklimpern nach einem Stück überlegte, was als nächstes cool wäre. Und da er scheinbar viel Spaß hatte, wurden das mehr und mehr Lieder.

Nach Lost art of murder sagte der Musiker "five minute break" und ging von der Bühne. Er kam wieder, hatte einen Sixpack Bierflaschen in der Hand und warf die ins Publikum. Obwohl da schon 22 Lieder gespielt waren, sollten noch sieben weitere folgen.

Gut 33 Euro für ein akustisches Konzert mit Absagerisiko) schienen vorher deftig, was dafür geboten wurde, war es allerdings auch! Auch wenn ich schon anderthalb gute Babyshambles Konzerte gesehen habe, war dies der erste Auftritt mit Peter Doherty, der rundum brillant war. Endlich habe ich die Schwärmereien meiner Pariser Freunde wirklich verstehen können, das war großartig!


Setlist Peter Doherty, Essigfabrik, Köln:

01: Killamangiro (Babyshambles)
02: Arcady
03: For lovers (Libertines)
04: Beg, steal or borrow (Babyshambles)
05: Tell the king (Libertines)
06: Love you but you're green (Babyshambles)
07: Don't look back into the sun (Libertines)
08: Fixing up to go (Babyshambles)
09: Death on the stairs (Libertines)
10: Lady don't fall backwards
11: Carry on up the morning (Babyshambles)
12: Vertigo (Libertines)
13: Lust of The Libertines (Babyshambles)
14: What a waster (Libertines)
15: Can't stand me now (Libertines)
16: Sheepskin tearaway
17: Time for heroes (Libertines)
18: Unbilo titled (Babyshambles)
19: Delivery (Babyshambles)
20: Last of the English roses
21: What Katie did (Libertines)
22: Lost art of murder (Babyshambles)

(fünf Minuten Pause)

23: Fuck forever (Babyshambles)
24: Albion (Babyshambles)
25: Music when the lights go out (Libertines)
26: Blue moon (Elvis Presley u.a. Cover) (abgebrochen)
27: Salome
28: Stranger in my own skin (Babyshambles)
29: The good old days (Libertines)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Peter Doherty, Paris, 07.07.10
- Peter Doherty, Paris, 09.05.10
- Peter Doherty, Paris, 23.03.10
- Peter Doherty, Paris, 08.03.10
- Peter Doherty, Paris, 18.01.10
- Peter Doherty, Paris, 10.11.09
- Peter Doherty, Paris, 05.10.09
- Pete Doherty, Berlin, 07.08.09
- Pete Doherty, Paris, 10.03.09
- Pete Doherty, Paris, 09.03.09 (ausführlicher)
- Pete Doherty, Paris, 09.03.09
- Pete Doherty, Paris, 28.11.08
- Pete Doherty, Paris, 05.06.08

-
Babyshambles, Montreux, 15.07.08
- Babyshambles, Paris, 04.02.08
- Babyshambles, Köln, 22.01.08
- Babyshambles, Paris, 14.01.08
- Babyshambles, Paris, 18.10.07
- Babyshambles, Paris, 14.11.06


- andere Tasten: Kölner Stadt-Anzeiger, 14.04.11

* allerdings nur, wenn Schülersprecher von den Lehrern gewählt würden!
** Hands Up-Excitement hießen die


Keine Fotos! Meine Kamera wurde vom Hauptabteilungsleiter Pforte einkassiert. Die Fotos hier stammen von Oliver von Pariser Konzerten.





6 Kommentare :

E. hat gesagt…

ein bißchen was zur ehrenrettung des herrn doherty hast du auf jeden fall getan. aber ich bleibe dabei, die exzesse und eskapaden des typen sind nicht hinzunehmen, wenn erst wie gestern hunderte ohne konzert abziehen müssen.

Oliver Peel hat gesagt…

Exzesse gibt es bei Peter nicht. Wenn er nicht antreten konnte, dann gab es sicherlich einen triftigen Grund. Vielleicht sind ihm die fiesen Weißwürste nicht bekommen? Ohnehin eine großmütige Geste von Doherty, München nicht gestrichen zu haben, nachdem die Bayern ihn in Regensburg denunziert haben. So etwas würde in Paris nicht passieren, da verpetzt man niemanden!

E. hat gesagt…

ich glaube ja, oliver, der christoph sieht das etwas differenzierter. du hast offenbar ein peter-ich-verzeih-dir-alles-gen.
warum kommt mir eigentlich immer peterchens mondfahrt in den sinn...

Oliver Peel hat gesagt…

Ich mag Peter eben. Ist ein guter Kerl, der sich viel Mühe gibt und seine Fans nicht gerne im Stich lässt. Er hat oft in Paris in kleinen Bars 90 Minuten lang gratis gespielt, das würde niemand anderer machen, der so bekannt ist und seinen Status hat.

Außerdem ist er suchtkrank. Er braucht Hilfe und Verständnis, auch wenn er immer mal wieder Mist baut. Ich stehe hinter ihm, auch in schwierigen Zeiten.

Christoph hat gesagt…

Ich muß Oliver in Schutz nehmen, Eike. In Paris lief es immer viel besser mit Drogen-Pete. Ich habe unzählige Absagen erlebt, in Paris ist er immer aufgetreten.

Die aktuelle Geschichte war vorhersehbar, vermutlich ist München bewußt als letztes Konzert angesetzt worden.

Oliver Peel hat gesagt…

Die Bezeichnung Drogen-Pete mag ich überhaupt nicht, Christoph. Das reduziert Doherty nur auf seine Suchtkrankheit, dabei kann er doch so viel mehr.

 

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