Dienstag, 3. November 2009

Soap & Skin & Scott Matthew, Paris, 02.11.09


Konzert:
Soap & Skin
Ort: L'Européen, Paris
Datum: 02.11.2009
zuschauer: volle Hütte!
Konzertdauer: Soap & Skin etwa 70-75 Minuten, Scott Matthew gut 30 Minuten




Petite chronique en français en-bas!


Auf dem Weg zum Konzert von Soap & Skin habe ich mich wieder einmal geärgert, daß ich mich zu spät um eine Akkreditierung bemüht hatte. Erst am Vortag kam ich auf die Idee, doch mal die Produktionsfirma mit einem Gesuch anzuschreiben. Das Ergebnis war enttäuschend, aber noch nicht einmal überraschend: Ich bekam gar keine Antwort. Dumm gelaufen! Dabei hatte ich in meiner Mail ausgiebig von den Künstlern geschwärmt, die sie betreuen und dabei noch nicht einmal lügen müssen, denn gleich mehrere Konzerte, die von der Produktionsfirma organsiert worden waren, hatten es in meine Jahres Top Ten 2008 geschafft. Andererseits behielt ich mir so völlige Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit, zwei wertvolle immaterielle Güter. Eike vom Kliencium hatte neulich in einem sehr interessanten Post darüber geklagt, daß Blogger, die CDs von Labels bekommen, ihre Unabhängigkeit zumindest zum Teil verlieren und damit natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Wer von Labels oder Agenturen gratis Musik oder Einladungen für Konzerte zur Verfügung gestellt bekommt (natürlich mit dem von dem Schenkenden verfolgten Ziel , möglichst positive Berichte darüber zu bekommen) ist nun einmal in seinem Urteil weniger frei als derjenige, der sich den Kram mit seinem eigenen Gelde bezahlt. Als ein Blogger, der selten auf Gästelisten steht und nie Gratis- Cds bekommt, bezahle ich den Preis meiner Unabhängigkeit allerdings ziemlich teuer. Mit meinem Budget für Musik, sei es für CDs, Platten oder Konzertkarten, könnte sich die neue Regierung 1000 neue Panzer, 100 neue Universitäten und Kindergeld in Höhe von 10 000 Euro leisten. Haha, ich übertreibe ein wenig und außerdem gebe ich zu, daß ich gar nichts gegen Gästelistenplätze einzuwenden habe, wenn mir denn die Künstler zusagen.

Aber genug gelabert, kommen wir zum Konzertbericht, der wie oben überzeugend dargelegt (da spricht der Herr Jurist in mir), völlig unabängig ist und zu 100 % meinen Empfindungen entspricht. Warum ich das noch einmal betone? Weil sich ansonsten möglicherweise die Leser fragen, ob ich vom Label von Soap & Skin für die Lobpreisungen, die nun folgen, bezahlt werde. Aber hätte Anja Plaschg das überhaupt nötig? Schießlich konnte man schon 2008 von ihr im Spiegel lesen und der erreicht etwas (aber wirklich nur etwas) größere Leserschichten als das Konzerttagebuch.

Soap & Skin war schlicht und einfach sensationell! Die Energie, Hingabe und Aufopferung, die sie in ihre melancholischen Lieder legte, trafen mich mit voller Wucht! Wenn das zarte Persönchen plötzlich und ohne Vorankündigung losschrie und aus ihrem Schneckenhaus herausgekrochen kam, dann ging mein Puls rasant nach oben.
Fast zitternd und mit offenem Mude saß ich da und wurde von ihren Anfällen vollkommen überwältigt. Die Intensität, die sie in einzelne Silben legte, war unglaublich hoch, machmal ging ein Raunen durch die Menge und viele fragten sich, wo dieses fragile junge Mädchen diese unglaubliche Kraft, die ihrer Stimme innewohnt, herholt. Als würde ein Vulkan expoldieren klang das! Eine Stimme mit der man Glas zum Bersten bringen kann, genauso wie der kleine Oskar Matzerath in der Blechtrommel. Der schrie auch immer, wenn ihm was nicht passte und er sich gegen die Welt der Erwachsenen auflehnen wollte. "Oskar gib das her!" - "nein ich will nicht!" und dann trommelte er los und schrie so lange, bis Glassplitter durch die Gegend flogen. Auch hier und heute im Européen flogen die Fetzen, aber es ging nichts zu Bruch und wir waren auch nicht in einem Film. Allerdings hatte das theatralische Gebaren der jungen Frau aus der Steiermark etwa Filmreifes an sich. Im Grunde genommen macht sie nicht nur einfach Musik, sondern führt ein Stück auf, in dem sie die alleinige Hauptrolle spielt. Manchmal hatte man das Gefühl, sie wolle das Publikum auch einbeziehen, aber wenn sie sich da urspötzlich vor einem aufbaut und rumkeift (Sie schrie etwas auf deutsch. Aber was? Schon wieder vergessen), dann würde man gerne mitmachen, traut sich aber nicht, weil sie einen so grimmig anstarrt. Ob sie wohl so weit gehen würde, einem im Affekt die Kamera zu entreißen und gegen die Wand zu donnern? Man hört bisweilen, daß sie nicht gerne abgeknipst wird. Dabei ist sie wirklich wunderschön und absolut fotogen! Toll, daß sie im Gegensatz zum Radiokonzert von France Inter (wo ich nur ihren Rücken sah) richtig zu erkennen war. Was für ein hübsches, fast puppiges Gesicht! So weich, so unschuldig. Und was für eine süße Figur, so zart und feingliedrig! Wunderbar auch ihr urbaner Look (dabei kommt sie aus der Provinz), mit dem sie locker mit den stilsicheren Pariserinnen mithalten kann. Ihre Beine steckten in einer hautengen Lederhose, ihr Oberkörper in einem schwarzen Pulli und an den Füßen trug sie bezaubernde braune Schuhe. Eine Augenweide! Aber selbst, wenn man sie gar nicht sehen würde und sie hinter einem Vorhang spielte, würde man doch von der urwüchsigen Kraft ihrer Stimme geradezu erschlagen! Eine Stimme, die im Übrigen sehr wandelbar ist, fast spielerisch schaltet sie um von einer wimmernden ängstlichen Frau hin zu einer sinnlichen Verführerin oder aber zu einer wutschnaubenden Furie. Ein Wechselbad der Gefühle für den Zuhörer. Manche kamen deshalb aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Mit Vergnügen beobachtete ich einen intellektuell wirkenden Mann, der sicherlich schon Anfang vierzig war. Das ganze Konzert über hatte er einen offenen Mund und glänzende Augen. Er schaute fast wie ein kleines Kind an Weihnachten, das am 24. 12 einfach alles spannend findet, den Baum, das Gebäck , die hübsch verpackten Geschenke. "When I was a child ", hieß es dann auch in dem Text zum Hit Spiracle, den das Publikum euphorisch und mit Szenenapplaus aufnahm. Dabei war es noch nicht einmal das beste Lied der Österreicherin. In einem Set voller ätherischer und atemberaubend schöner Lieder hätte man jedes einzelne hervorheben können. Fall Foliage zum Beispiel mit seiner herzzereißenden Pianomelodie oder auch das hochdramatische Thanatos. Und wenn man Familienmensch ist, müsste man natürlich The Sun nennen, das die Österreicherin ihrer Mutter widmete, die extra angereist war und im Saale mitfieberte. Auch in dramaturgischer Hinsicht war The Sun ein Highlight, denn gegen Ende erstrahlte der Raum in rötestem Rot, wanderte die Künsterlin wie ein verstörtes Wesen über die Bühne und machte auch einen Abstecher ins Publikum, bervor sie perfekt getimt wieder hinter ihrem Klavier Platz nahm und den Rest mit brachialer Inbrunst schmetterte.

Hinsichtlich der Setlist gab es keine großen Überrachungen, quasi das gesamt Album Love Tune For Vacuum wurde gespielt, plus zwei Non Album Tracks und das bereits von Christoph (hier!) beschriebene jiddische Partisanenlied als Zugabe. Als Deutscher verstand ich natürlich ein paar Brocken, fragte mich kurz, ob es sich um einen österreichischen Dialekt handelte, verwarf diesen Gedanken aufgrund der allzu großen Fremdheit des Klangs der Sprache dann aber wieder.

Die Künstlerin selbst erklärte hinterher im Foyer, das es sich in der Tat um ein jiddisches Lied handelte. Gar nicht so schüchtern und ernst, wie man das vermuten könnte, unterhielt sie sich noch ein wenig mit begeisterten französischen Fans, lächelte eigentlich ziemlich oft und schaute erst wieder traurig drein, als ich sie dazu überredet hatte, ein Foto von ihr zu schießen. Warum ich sie fotografieren wolle, wofür das sei? , wollte sie zuvor etwas skeptisch wissen. "Das ist für mich", antwortete ich prompt und meine simple und direkte Antwort schien ihr wohl zu gefallen. Aber ich teile nun einmal gerne und deshalb enthalte ich Euch natürlich den Schnappschuss nicht vor. Anja wird doch wohl nichts dagegen haben, oder? Wir sind doch schließlich Fans auf dem Konzerttagebuch. Riesige Fans sogar!

A propos Fans und zwar von Scott Matthew, der heute das Vorprogramm bestritt. Bloggergott Eike ist ein solcher und zwar ein sehr fachkundiger und glänzend schreibender obendrein. Ich empfehle die Lektüre seines Münchner Konzertberichtes, denn der ist sicherlich wesentlich euphorischer und mitreißender als das, was ich zu berichten habe. Das Geseufze und Geschmachte des sympathischen Bartträgers aus New York, der meistens von einer jungen Dame begleitet, von weißen Pferden (White Horses), Weihnachten ("a very sad christmas song", wie er erklärte) und auch ein Radiohead Cover (No Surprises*) sang, ging nämlich weitestgehend an mir vorbei...

* hier im Livevideo

Pour nos lecteurs français:

Wow!! Un concert d'un beauté et intensité presque irréelle! Pendant 70 minutes de pure folie j'étais sur mon petit nuage et avais une chaire de poule immense. Anja Plaschg alias Soap & Skin, très jeune autrichienne de 19 ans, a montré qu'elle est beaucoup plus qu'un buzz médiatique éphémère. Doté d'une voix cristalline, sensuelle et ultra puissante et d'un jeux de piano de toute beauté, elle me mettait dans sa poche dès le premier morceau. Son univers melancholique, noire et hanté lui colle parfaitement à sa peau et on sent qu'elle ne triche pas et que c'est authéntique ce qu'elle délivre. Elle s''impliquait à 200 %, hurlait encore plus que sur son disque et jouait presqe une petite pièce de theátre. On a eu l'impression que Halloween c'était aujourd'hui!

Dans un set truffé des chansons dramatiques et sensuelles il n'y avait rien à jeter, tout était bon, même que le public à montré les récations les plus fortes quand elle à commencé son tube Spiracle. La scène la plus touchante se passait vers la fin quand Anja à dedicacé un morceau à sa mère, présente dans la salle. Elle finissait par un chant partisane en yiiddish et quitta la scène timidement mais très touché.



5 Kommentare :

E. hat gesagt…

blubb.

Oliver Peel hat gesagt…

Was meinst Du mit "blubb", Eike? Hat das was mit Spinat zu tun?

isa oder becky oder beide hat gesagt…

Bezüglich der unabhängigkeit von Labels bin ich absolut deiner Meinung. Aber auch ich muss ganz klar sagen, dass das "Hobby" Musik ein sehr teures ist, so würde ich doch gerne auf Gästelisten stehen. Vorallem bei den Konzerten zu denen ich so wie so gehen würde...

Aber jetzt mal zum Berich. Ich war nciht bei Soap&Skin als sie in München gespielt hat, weil ich ihr Album nciht so sensationell fand wie es überall geschrieben wurde. Nun, nach deinem Bericht, hab cih aber odch Lust der Dame noch eine Chance zu geben.

E. hat gesagt…

ach nee, nicht spinat, scott matthew und dein abwinken. sehr schade. sir scott hat in diesem jahr das schönste album abgeliefert und live find ich ihn einfach unglaublich. manchmal koalieren wir eben nicht.
jedenfalls nicht so, wie wir beide das albumcovber von "my way" betrachten, wie ich heute erst bei unseren freunden von "platten vor gericht" gelesen habe. lauthals auflachen musste ich! da stehen wir in einer front beieinander!

Oliver Peel hat gesagt…

@ Isa/Becky:

Klar, Gästelistenplätze sind was Feines, wenn man die Band mag. Habe ich ja auch so geschrieben.

Das Liveerlebnis und das Anhören einer CD bei sich zu Hause, ist nicht das Gleiche. Ich habe heute vergeblich versucht, die fesselnde Atmosphäre von gestern wiederherzustellen, indem ich mir das Album von Soap & Skin angehört habe. Die CD ist gelungen, aber live ist das Ganze wesentlich intensiver und berauschender.

@ Eike:

Scotti hat mich leider nicht ganz so begeistert, wie ich das erhofft hatte. Dabei passt er eigentlich in mein Beuteschema (ein scheußlicher Ausdruck, aber treffend in diesem Fall). Ich habe Probleme, ihm über die gesamte Album - bzw. Konzertlänge zu folgen. Zwei bis drei Lieder höre ich mit Genuß, dann wird mir seine Schwermut irgendwann zu viel.

Das Albumcover von Herrn Brown, schlimm, in der Tat! Man könnte auch drunter schreiben: "Tiere bitte nicht füttern!"

 

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