Samstag, 14. November 2009

Phoenix, Köln, 14.11.09


Konzert: Phoenix (& Noah And The Whale)
Ort: E-Werk, Köln
Datum: 14.11.2009
Zuschauer: sehr ausverkauft
Dauer: Phoenix 80 min, Noah And The Whale 30 min


Ach, wie wenig bin ich doch wohl mit dem Herzen dabei, wenn es um Konzerte geht! Echte Hingabe zu einer Band, die einem etwas bedeutet, habe ich noch nie gezeigt. Spontan nachmittags zu entscheiden, zu einem Auftritt von Musikern zu fahren, die abends ihre Kunst, die fundermentaler Bestandteil ihres Lebens ist, teilen, wird dieser Kunst nicht gerecht. Das ist mir heute abend wieder drastisch vor Augen geführt worden, als ich nach Ende des Phoenix-Konzerts aus dem E-Werk kam. Denn ich habe mich noch nie am Abend vorher in den kalten Eingang des Palladiums gesetzt, um Sonntag da in die erste Reihe zu kommen. So wie die zehn oder zwanzig echten Fans, die da auf ihre Jonas Brothers warten...

Andererseits bin ich nicht ganz unzufrieden damit, mein Herzblut nicht nur einer einzigen Band zu spenden. Denn Einseitigkeit verschließt den Blick auf Interessantes, das Aufmerksamkeit verdient. Wie Phoenix, die französische Band, die ich bisher aus anderen Gründen zu wenig beachtet hatte. Auf meiner To-do-Liste stehen die Musiker aus Versailles schon lange, obwohl ich ihre Musik wieso auch
immer nicht oft höre. Natürlich kenne ich einige Stücke, vertraut ist mir Phoenix bislang aber kaum. Da ich der Meinung bin, daß man eine Band ohnehin am besten live kennenlernt, und, da kommt sie wieder, meine alte Liebe für Vorgruppen, die fabelhaften Noah And The Whale im Vorprogramm auftreten sollten, entschied ich kurzfristig, doch ins E-Werk zu fahren.

S
pontaneität und ausverkauften Konzerte passen nicht gut zusammen; ich hatte aber Glück, noch eine Karte zu bekommen, ohne einen der Schwarzhändler zu unterstützen. Durch die langen Schlangen vor den Einlaß kam ich spät. Das erste Stück der Londoner Vorgruppe lief schon - noch - als ich vorne ankam. Ich bekam aber abgehetzt nur noch die letzten Textfetzen mit, glaube aber Slow glass vom zweiten Album der Band erkannt zu haben. Das im August erschienene My broken heart / She left me* ist ein Konzeptalbum übers Verlassenwerden. Im Gegensatz zum 2008er Debüt braucht die Platte deutlich länger, um ihre Qualitäten zu offenbaren. Ich habe häufig Probleme mit Konzeptalben, weil sie mir zu einseitig erscheinen. Aber wenn man aus den Zeilen "you left me, come back, my heart broke" so viele wundervolle Lieder machen kann, verdient man jeden Respekt!

In Haldern im Sommer - da hatte ich Noah And The Whale endlich erstmals sehen können - hatte mich noch verstört, daß die Band um Sänger Charlie Fink fast nur (damals noch) unveröffentlichte Stücke
gespielt hatte. Es war ein Auftritt, auf den viele sehr lange gewartet hatten. Dann kam aber nur einer der überragenden Hits der ersten Platte; das enttäuschte viele, auch mich.

Heute funktionierten die neuen Lieder bei mir deutlich besser. Nicht nur bei mir, Noah And The Whale kamen gut an, glaube ich, obwohl ihre Musik ja nicht viel mit der von Phoenix zu tun hat. Ganz besonders toll gefiel mir das viele Leben, das auf der Bühne stattfand. In den vielen fast schon Postrock-Passagen, boten die Engländer eine große Show! Ganz besonders herrlich dabei war wieder Bassist Urby Whale, der als Kind Schauspieler war.**

Die halbe Stunde Auftritt war natürlich viel zu kurz, enthielt viel zu wenige der Hits des ersten Albums - dafür aber einen der schönsten, nämlich Give a little love. Aber auch die anderen Lieder, vor allem Blue skies ("this is a song for anyone with a broken heart") und
The first days of spring ("If I'm still here hoping that one day you may come back").

Wie gerne hätte ich Noah And The Whale mit ihrer ersten Platte gesehen - oder endlich mal über volle Konzertlänge. Aber in der Not...


Setlist Noah And The Whale, E-Werk, Köln:

01: Slow glass (wahrscheinlich)
02: Give a little love
03: Blue skies
04: Love of an orchestra
05: Rocks and daggers
06: The first days of spring

Phoenix haben 2009 ihr viertes Studioalbum mit dem ambitionierten Namen Wolfgang Amadeus Phoenix veröffentlicht. Von dem stammte auch der Auftakttitel Lisztomania, ein gutes Poplied mit charmantem französischen Akzent. Ich brauchte
aber einen Moment, um von etwas von dem Stück mitzubekommen, weil ich zunächst nur lautes Gekreische und Geschreie rechts von mir hörte. Es war wie bei den Kooks oder anderen Frauen-Lieblingsbands! Großartige Stimmung im proppenvollen E-Werk!

Das Gute, das ich über die Livequalitäten von Phoenix gehört hatte, ist vollkommen berechtigt, die Franzosen liefern eine mitreißende Show ab. Besonders Frontmann Thomas Mars ist ein großer Entertainer, der Vergleiche mit seinen Kollegen bei den Kaiser Chiefs oder Hives nicht scheuen muß. Schon beim
dritten Lied (Lasso***) verließ er die Bühne und sang vor der ersten Reihe weiter. Fabelhaft! A propos... Lasso ist eine Hit! Und eine Mitsingnummer.

Ich stand ganz vorne am Rand, zwar nicht direkt vor dem Boxenturm aber auch sicher nicht akustisch optimal. Trotz eingesetzter Ohrstöpsel wurde es manchmal richtiggehend schmerzhaft, wenn die Bassdrum einsetzte. Richtig schlimm war das Love like a sunset Duo. Vor allem die Geräusche bei Teil eins, die wohl auf Platte Motorgeräusche darstellen, waren unerträglich. Ich mußte mir die geschützten Ohren noch zusätzlich zuhalten; das machten alle in meiner Umgebung. Auch hinten war das Konzert laut, vermutlich aber deutlich besser
auszuhalten. Vorne hatte sich beim Soundcheck wohl niemand mal testweise aufgehalten. Das rächte sich übel.

Love like a sunset stellte wegen der langen Instrumentalphase eine Bruch im Set dar. Die beiden Teile waren mittig angesetzt und boten Thomas die Gelegenheit einer kurzen Pause. Die nächste Unterbrechung gab es nach Too young, dem Lied aus Lost in translation. Denn da wurde Geburtstag gefeiert. Cedric (Plancy? - wenn ich das richtig mitbekommen habe) aus dem Bandumfeld bekam einen Kuchen und wir wurden gebeten, ihm ein Ständchen auf Deutsch zu bringen. Sehr sympathisch!

Nach einer Stunde war erst einmal Schluß. Zu den Zugaben kam neben Thomas nur einer der Gitarristen. Sehr zurückgenommen und akustisch sang der Franzose
Everything is everything und Love for granted vom 2004er Album Alphabetical. Letzte Zugabe war 1901, die erste Single der aktuellen Platte, die in den USA richtigen Chart-Erfolg hatte (Platz 13 der Alternative Charts) und Phoenix Auftritte bei David Letterman oder Conan O'Brien beschert hatte.

Thomas hatten die 80 Minuten wohl noch nicht ausgelastet, ihm war noch nach Klettern. Gegen Ende
der Zugaben stieg der Sänger aus dem Zuschauerraum oben auf den Balkon rechts. Wow! Das stellt alle Klettereien von Ricky Wilson von den Kaiser Chiefs locker in den Schatten!

Ein gutes Konzert! Die Vorschußlorbeeren zur Livequalität der Versailler sind voll und ganz berechtigt! Mir ist Phoenix manchmal zu poppig, ich bereue aber nicht, sie mir live angesehen zu haben!

Setlist Phoenix, E-Werk, Köln:

01: Lisztomania
02: Long distance call
03: Lasso
04: Run run run
05: Fences
06: Girlfriend
07: Armistice
08: Love like a sunset part I
09: Love like a sunset part II
10: Rally
11: Too young
[Geburtstagsständchen]
12: Consolation prizes
13: Rome
14: Funky squaredance

15: Everything is everything (Z)
16: Love for granted (Z)
17: If I ever feel better (Z)
18: 1901 (Z)

Konzerttermine Phoenix:

15.11.09: Theaterfabrik, München (mit Noah And The Whale) - ausverkauft
17.11.09: Zapata, Stuttgart (mit Noah And The Whale)
18.11.09: Cocoon Club, Frankfurt(mit Noah And The Whale) - ausverkauft
19.11.09: FZW, Dortmund (mit Friska Viljor) - ausverkauft
20.11.09: Alte Feuerwache, Mannheim (mit Noah And The Whale)
21.11.09: Huxleys, Berlin (mit Noah And The Whale) - ausverkauft

Links:

- aus unserem Archiv:
- Noah And The Whale, Haldern, 14.08.09
- Noah And The Whale, Paris, 20.11.08
- Noah And The Whale, Paris, 28.03.08



* fälschlicherweise wird die Platte oft auch mit ihrem Arbeitstitel The first days of spring genannt
** unter seinem echten Namen Matthew Owens
*** Konzerttagebuch-Trivia: bereits mein zweites Konzert im E-Werk, bei dem ich ein Lied namens Lasso erlebt habe - damit ist das E-Werk das einzige Konzerthaus, in dem in meiner Gegenwart über Lassos gesungen wurde




6 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Schlechter Sound? Das muss aber ein Standort-Problem gewesen sein. Wir waren gestern zum x-ten Mal im E-Werk und gestern abend einhellig der Meinung: Selten ein so gut abgemischtes Konzert erlebt: Glasklare Höhen, da wo es hingehört ergänzt durch Bässse, die den Brustkorb vibrieren lassen. Was will man mehr?

Anonym hat gesagt…

fand den sound auch recht schlecht.. obwohl freunde die unmittelbar neben mir standen ihn sehr gut fanden. vielleicht nicht nur ein standort-problem. ;) danke für die setlists schonmal!

Christoph hat gesagt…

Ja, das war sicher ein Standortproblem. So weit ich das mitbekommen habe, hat es aber schon viele betroffen.

Matthias WhiteTapes hat gesagt…

der anfang mit slow glass wird wohl stimmen, damit haben sie zumindest auch in bielefeld eröffnet

Anonym hat gesagt…

ich fand den sound super. wir standen aber auch recht weit hinten. so habe ich von der action auf der bühne auch wenig mit bekommen. dafür dann umso mehr von der Balkon-Aktion ;-) Und da konnte ich Thomas Mars dann auch mal erkennen :-)

War ein extrem tolles konzert - ich glaub soviel gehüpft und geklatscht hab ich schon lange nicht mehr. Danke für die Setlist! Wir haben gestern beim anhören der Alben und Schwelgen in Erinnerungen schon Probleme gehabt die Songs alle zusammen zu bekommen.

Nelle hat gesagt…

Portugal. The Man am gleichen Abend im Gebäude 9 waren auch gewohnt großartig. Wenn auch nix gegen Phoenix gestern in Dortmund. Überragender Sound, tolle Lichtshow und die Band natürlich weltklasse. Bestes Konzert des Jahres bisher. :-)

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates