Freitag, 13. November 2009

Tickley Feather, Paris, 12.11.09


Konzert: Tickley Feather

Ort: Le Comptoir Générale, Paris
Datum: 12.11.2009
Zuschauer: hmm?
Konzertdauer: 30-40 Minuten



Ich bin schon ein verpeilter Typ! Sitze da in der Alimentation Générale und warte darauf, daß das Konzert anfängt. Eine ganze Stunde lang, zwischen halb acht und halb 9. Sortier Fotos aus, mache mir in meinem Block Notizen, was am nächsten Tag zu erledigen ist. Schlage Zeit tot. Irgendwann dämmert es mir, daß ich hier falsch bin. Alimentation Génerale? Kann es sein, daß das Konzert nicht hier, sondern im Comptoir Génerale stattfindet? Aber natürlich, das hatte mir doch sogar eine Freundin per e-mail geschrieben. Wie konnte ich das bloß verwechseln! Aber wo liegt der Comptoir Général überhaupt? Keine Sau weiß das, niemand den ich befrage, kann mir weiterhelfen. Zum Glück werde ich in einem nahegelegenen Internetcafé auf der Suche nach der Adresse fündig. Quai de Jemmapes also. Das ist eigentlich nur eine Metro Station entfernt, aber es gibt zusätzlich auch noch einen gewissen Fußweg zu bewältigen.

Gegen viertel nach 9 komme ich an. Viel zu spät! Meinen Freund Thos Henley wollte ich auf der Bühne sehen, stattdessen treffe ich ihn aber nur im Flur der beindruckenden Location, ein Bier in der Hand, froh, daß er mit seinem Programm durch ist. Ein Loft könnte man es nennen, dieses Comptoir Géneral. Bloß, daß hier keine modernen Designer ihren Ideen freien Lauf gelassen haben, sondern Leute, die Holz und Atmosphäre lieben. Überall stehen herrliche Vintage- Objekte und Möbel rum. Mein erfreutes Auge erblickt alte Reisekoffer, Telefone und ähnlichen Krimskrams. Es sieht ein bißchen so aus wie bei uns, ich fühle mich wohl. Auch an Pflanzen hat man hier gedacht, viele Ecken sind begrünt und es gibt sogar einen Innnhof mit wunderbaren Gewächsen. Bloß betreten darf man ihn nicht, weil die Betreiber nicht zu Unrecht befürchten, daß die Raucher hier ihre Kippen ablagern würden.

Die Location besteht aus zwei hohen Sälen im Stile eines Künstlerateliers. Der hintere wird heute von Betreibern kleiner Indielabels zum Verkauf von CDs und Vinylplatten genutzt (darunter viele bekannte Gesichter: Waterhouse Records, Les Boutiques Sonores, Clapping Music, Monster K7), der vordere dient als Konzertbühne. Aufgetreten sind außer Thos Henley bereits Thomas Mery und Deux fois Deux fois zusammen mit Rach Three .Als Ich ankomme spielt gerade Benoît Pioulard. Ich bekomme ihn aber nur am Rande mit, weil ich bei meinen Freunden an den Verkaufsständen weile, mich unterhalte, CDs durchblättere. Eigentlich schade, daß ich ihm nicht meine volle Aufmerkamkeit widme, denn musikversierte Freunde, die aufgepasst hatten, finden hinterher lobende Worte. Der Burrsche mit dem französichen Namen kommt nicht aus Paris, sondern Oregan, USA und macht experimentellen Folk. Vor allem der Song Idyll auf seiner MySpace Seite ist sehr schön. Interessant: er war am 9. November im lustig benannten Berliner Schuppen Hans Wurst. Sicherlich hat er dann den Fall der Dominosteine am Brandenburger Tor verpasst. Ob ihm da wirklich etwas entgangen ist?

Die Amerikanerin Tickley Feather geht als Letzte an den Start. Die heutige Veranstaltung , ein kleines Festival, läuft unter dem Motto "Tout Feu Tout Flamme" (Feuer und Flamme sein) und das liebevoll gestaltete Ambiente und die feine Künstlerauswahl sind in der Tat begeisternd.

Schon nach ein paar Minuten wird deutlich, daß Tickley eine durchgeknallte Persönlichkeit ist. Die an beiden Oberarmen stark tätowierte (ich liebe Frauen mit Tattoos!) Zöpfchenträgerin lässt die ungezogene, kindliche Göre raushängen, kichert ständig und redet wie ein kleines Mädchen. Man kennt das ja schon von Hafdis Huld, Meret Becker, oder Björk. Mit Piepsstimme fragt sie Dinge wie: "Warum sind die Bierflaschen in Frankreich so klein?" (ein Witzbold im Publikum: "das ist die Schuld von Sarkozy. Das ist ein Dikatator wie damals euer George W. Busch, woraufhin Tickley guckt, als hätte sie den Namen Busch noch nie gehört, geschweige denn den von Sarkozy) oder: "Wer von Euch wurde an der Mutterbrust aufgezogen? ("das ist doch so gesund", weiß sie klug anzumerken). Auch ihr Gitarrist, einer von zwei männlichen Begleitmusikern (der andere spielt auf einem Casio), hat eine Frage: "Gibt es in Frankreich einen Kurzausdruck für den Euro? So etwas wie "Buck "bei uns in Amerika?" Das Thema ist nicht uninteressant, denn in der Tat haben Franzosen noch keinen Spitznamen für den Euro gefunden. Für den damaligen Franc gab es hingegen etliche. Und einen doofen und in der Sache unzutreffenden Begriff wie "Teuro" kennen die Frenchies natürlich auch nicht...

Aber nicht nur zwischen, sondern auch während den Liedern wird geulkt. Tickley macht oft seltsame Geräusche und ihre Mimik und ihr Tanzstil sind ebenfalls krass. Sie benutzt ein Teil, mit dem sie ihrer Stimme einen eigenartigen Hall verleiht, weiß der Teufel, wie so etwas heißt. Dadurch bekommen die Stücke natürlich eine experimentelle und selbstgebasteltete Note, die gut zur Persönlichkeit der Künstlerin passt. Kein Wunder, daß sie auf Paw Tracks veröffentlicht, einem von Animal Collective gegründeten Label. Aber Strukturen und Melodien haben die Songs von Tickley dennoch, es klingt ein wenig wie modern interpretierter Folk. Als würde Cat Power jetzt bei Panda Bear singen. Oder so. Oft zitiert wird der Name Ariel Pink, aber ich sehe auch Parallelen zu Beach House und ihrem verhuschten, verhallten Stil. Da ich die Diskografie von Tickley noch nicht kenne, bleiben keine einzelnen Lieder sofort haften, aber ich weiß sicher zu berichten, daß sie Muscles gespielt hat (sie unterstreicht den Songtitel gestenreich, indem sie ihren tätowierten Bizeps anspannt) und auch Phyton. Insgesamt ein schönes Set, wenngleich sicherlich hier nicht alles so klang wie auf Platte.


- Bloggerikone Eike zu Tickley Feather hier

Exkurs: Am gleichen Tag fand im Zénith ein Konzert von Morrissey statt. Mein Freund von Rockerparis war dort und hat (hier) auf englisch darüber berichtet. Er beklagt ein relativ lahmes Publikum.

Setlist Morrissey, Le Zénith, Paris:

01: This Charming Man (The Smiths)
02: Black Cloud
03: When Last I Spoke To Carol
04: Is It Really Strange? (The Smiths)
05: I'm Throwing My Arms Around Paris
06: Ganglord
07: Cemetery Gates (the Smiths)
08: One Day Goodbye Will Be Farewell
09: The Loop
10: Teenage Dad On His Estate
11: Death At One's Elbow (The Smiths)
12: Irish Blood, English Heart
13: The World Is Full Of Crashing Bores
14: Why Don't You Find Out For Yourself
15: Ask (The Smiths)
16: Don't Make Fun Of Daddy's Voice
17: How Soon Is Now? (The Smiths)
18: I'M OK By Myself

19: Something Is Squeezing My Skull



 

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