Konzert: Soap & Skin
Ort: KulturKirche Köln
Datum: 30.09.2009
Zuschauer: gut besucht aber nicht ausverkauft
Dauer: 65 min.
Nach dem letzten Stück, einer jiddischen Partisanenhymne, reichte ein Anhänger Anja Franziska Plaschg eine weiße Rose. Sie zögerte nicht lange, drehte sich um und nahm eine Lilie aus der Vase auf ihrer Bühne und reichte sie dem Fan im Tausch. Diese kleine Szene war symbolhaft für die gute Stunde vorher - für einen Auftritt, der schon sehr speziell, allerdings deutlich weniger aggressiv-verstört war, als ich es erwartet hatte.
Soap & Skin heißt das Projekt von Anja Plaschg, einer 19jährigen Österreicherin. Bevor ich ihr Album kaufte, hatte ich einiges über die Musik der Frau gelesen, über die morbide Grundstimmung ihrer Platte, ihre Entrücktheit. Dinge, die mich eigentlich sofort abschrecken würden. Lovetune for vacuum trotzdem gekauft zu haben, sollte sich aber sofort als gute Wahl herausstellen. Schon vor dem ersten Hören leuchteten meine Augen, denn die Idee, die Texte ins Innere der Papphülle zu drucken und damit zu verlangen, die Verpackung zu zerstören, wollte man die Lyrics lesen, begeisterte mich schon einmal sehr! Die Musik dann hörte sich zwar genauso an, wie Kritiker das vorher vermittelt hatten, gehörte aber zu der Sorte entrückter Kunst, die mir gefällt und mich beeindruckte. Und live konnte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen!
Dann - während ich Anna Ternheim im Stadtgarten bewunderte* - trat Anja Plaschg in Dortmund auf. "Ein sehr verstörter und ergreifender Auftritt", lautete der Kurzkonzertbericht per sms. Als ich dann hier die Einzelheiten las, stieg meine Vorfreude aber auch meine Angst vor dem Auftritt der Österreicherin in der KulturKirche.
Als wir in der Nippeser Lutherkirche ankamen, roch es nach Weihrauch. Ich kenne mich bei den Nachbarn mit den abgespeckten kirchlichen Riten nicht so aus, für eine evangelische Kirche kam mir das aber ungewohnt vor. Als Gemeindepfarrer Thomas Diederichs uns begrüßte (eine der vielen wundervollen Besonderheiten von KulturKirchen Konzerten), erwähnte er auch den ungewöhnlichen Geruch. Auch sonst würden noch ungewöhnliche Dinge passieren. Na dann...
Auf der Bühne im Altarraum stand wie gestern (Sophie Hunger - Alpenwoche in der KulturKirche) ein Flügel, ein anderer allerdings. Auf dem Instrument lag statt Notenblatt ein Notebook. Das erste Stück war ein Piano-Lied ohne Gesang, aber mit Streicherbegleitung vom Band. Die Klavierausbildung, die Anja seit ihrer Kindheit genossen hat, merkte man ihr schon dabei auch als Laie deutlich an. Ihr Spiel hatte nichts mit dem Geklimper zu tun, das man auf Bühnen auch schon erlebt hat.
Ausgeleuchtet war der Bühnenraum ganz großartig. Einzelne weiß-bläuliche Spots erzeugten ein helles, kühles Licht. Man konnte die Künstlerin erkennen, sie wirkte aber trotzdem alleine durch die Beleuchtung schon distanziert. Mit Cynthia und Sleep folgten die ersten Lieder ihres Albums. Die Stücke waren live genauso atemberaubend wie schon beim ersten Hören der Platte. Das virtuose Klavierspiel, dazu der eigentümliche Gesang, der einer irre guten Stimme entspringt aber trotzdem oft ganz fern klingt und den Text der Lieder kaum verstehen läßt. Und manchmal geht es mit Anja durch, sie wird laut und schreit. Bei Sleep zum Beispiel, im späteren Verlauf aber noch häufiger.
Zu Klavier und Gesang kommen dann oft noch Samples, weitere Instrumente, die die Sängerin von ihrem Notebook abruft.
Musikalisch gab es am Anfang nur eines zu bemängeln, das fiese Knistern der linken Boxen. Irgendein Kabel schien da einen Wackelkontakt zu haben. Fies, wie gesagt. Nach drei, vier Liedern hatte jemand diesen Defekt behoben und die Störgeräusche entsorgt.
Bis zu The sun, dem zehnten Lied des Abends, passierte nichts Besonderes. Anja Plaschg spielte einige Stücke von ihrer Platte (Cry Wolf, Mr Gaunt Pt 1000, Thanatos) und mir unbekannte Lieder, saß dazu am Flügel, sprach nicht mit uns (einzig ein gehuschtes "hallo" ganz zu Beginn) und konzentrierte sich auf ihre Kunst.
Mitten in The sun dann der Bruch. Es wurde laut, es kamen elektrische Beats, die Bühne wurde zum Stichwort "so wie die Sonne aufgeht" plötzlich rot ausgeleuchtet, und Anja machte einen zombiehaften Lauf-Tanz, lief auf die Kanzel zu, als wolle sie die umarmen. Wäre ich in der ersten Reihe gewesen, das hätte mir angst gemacht!
Vom Album folgten noch Spiracle (mit einem lauten Schrei in der Mitte) und Marche Funèbre. Und dann schien es vorbei zu sein. Wo genau die Sängerin da war, habe ich nicht gesehen. In ihrem Zombie-Roboter-Marsch schritt sie aber plötzlich von hinten an ein vorne stehendes Mikro, während von Band nicht verständliche Stimmen sprachen. Es klang, als liefe eine Kassette rückwärts. Sehr gestenreich sang die Österreicherin vorne am Bühnenrand das eindrucksvollste Lied des Abends, Sog nit keyn mol von Hirsch Glik, einem jüdischen Dichter und Partisanen aus Vilnius.
Musikalisch ein vorzügliches Konzert! Was meine - unsere - Erwartungshaltung nicht erfüllte, war das Fehlen von den ganz irren Momenten. Manchmal wirkte die Österreicherin, als lächele sie. Und gab dem Mann in der ersten Reihe die Lilie.
Setlist Soap & Skin, KulturKirche, Köln:
auf Wunsch der Künstlerin, den wir selbstverständlich respektieren, verzichten wir auf die Veröffentlichung der Setlist
Links:
- Soap & Skin in Paris
- Pretty Paracetamol über Soap & Skin in Dortmund
- und die Intro über das gleiche Konzert
* oder so
Ort: KulturKirche Köln
Datum: 30.09.2009
Zuschauer: gut besucht aber nicht ausverkauft
Dauer: 65 min.
Nach dem letzten Stück, einer jiddischen Partisanenhymne, reichte ein Anhänger Anja Franziska Plaschg eine weiße Rose. Sie zögerte nicht lange, drehte sich um und nahm eine Lilie aus der Vase auf ihrer Bühne und reichte sie dem Fan im Tausch. Diese kleine Szene war symbolhaft für die gute Stunde vorher - für einen Auftritt, der schon sehr speziell, allerdings deutlich weniger aggressiv-verstört war, als ich es erwartet hatte.
Soap & Skin heißt das Projekt von Anja Plaschg, einer 19jährigen Österreicherin. Bevor ich ihr Album kaufte, hatte ich einiges über die Musik der Frau gelesen, über die morbide Grundstimmung ihrer Platte, ihre Entrücktheit. Dinge, die mich eigentlich sofort abschrecken würden. Lovetune for vacuum trotzdem gekauft zu haben, sollte sich aber sofort als gute Wahl herausstellen. Schon vor dem ersten Hören leuchteten meine Augen, denn die Idee, die Texte ins Innere der Papphülle zu drucken und damit zu verlangen, die Verpackung zu zerstören, wollte man die Lyrics lesen, begeisterte mich schon einmal sehr! Die Musik dann hörte sich zwar genauso an, wie Kritiker das vorher vermittelt hatten, gehörte aber zu der Sorte entrückter Kunst, die mir gefällt und mich beeindruckte. Und live konnte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen!
Dann - während ich Anna Ternheim im Stadtgarten bewunderte* - trat Anja Plaschg in Dortmund auf. "Ein sehr verstörter und ergreifender Auftritt", lautete der Kurzkonzertbericht per sms. Als ich dann hier die Einzelheiten las, stieg meine Vorfreude aber auch meine Angst vor dem Auftritt der Österreicherin in der KulturKirche.
Als wir in der Nippeser Lutherkirche ankamen, roch es nach Weihrauch. Ich kenne mich bei den Nachbarn mit den abgespeckten kirchlichen Riten nicht so aus, für eine evangelische Kirche kam mir das aber ungewohnt vor. Als Gemeindepfarrer Thomas Diederichs uns begrüßte (eine der vielen wundervollen Besonderheiten von KulturKirchen Konzerten), erwähnte er auch den ungewöhnlichen Geruch. Auch sonst würden noch ungewöhnliche Dinge passieren. Na dann...
Auf der Bühne im Altarraum stand wie gestern (Sophie Hunger - Alpenwoche in der KulturKirche) ein Flügel, ein anderer allerdings. Auf dem Instrument lag statt Notenblatt ein Notebook. Das erste Stück war ein Piano-Lied ohne Gesang, aber mit Streicherbegleitung vom Band. Die Klavierausbildung, die Anja seit ihrer Kindheit genossen hat, merkte man ihr schon dabei auch als Laie deutlich an. Ihr Spiel hatte nichts mit dem Geklimper zu tun, das man auf Bühnen auch schon erlebt hat.
Ausgeleuchtet war der Bühnenraum ganz großartig. Einzelne weiß-bläuliche Spots erzeugten ein helles, kühles Licht. Man konnte die Künstlerin erkennen, sie wirkte aber trotzdem alleine durch die Beleuchtung schon distanziert. Mit Cynthia und Sleep folgten die ersten Lieder ihres Albums. Die Stücke waren live genauso atemberaubend wie schon beim ersten Hören der Platte. Das virtuose Klavierspiel, dazu der eigentümliche Gesang, der einer irre guten Stimme entspringt aber trotzdem oft ganz fern klingt und den Text der Lieder kaum verstehen läßt. Und manchmal geht es mit Anja durch, sie wird laut und schreit. Bei Sleep zum Beispiel, im späteren Verlauf aber noch häufiger.
Zu Klavier und Gesang kommen dann oft noch Samples, weitere Instrumente, die die Sängerin von ihrem Notebook abruft.
Musikalisch gab es am Anfang nur eines zu bemängeln, das fiese Knistern der linken Boxen. Irgendein Kabel schien da einen Wackelkontakt zu haben. Fies, wie gesagt. Nach drei, vier Liedern hatte jemand diesen Defekt behoben und die Störgeräusche entsorgt.
Bis zu The sun, dem zehnten Lied des Abends, passierte nichts Besonderes. Anja Plaschg spielte einige Stücke von ihrer Platte (Cry Wolf, Mr Gaunt Pt 1000, Thanatos) und mir unbekannte Lieder, saß dazu am Flügel, sprach nicht mit uns (einzig ein gehuschtes "hallo" ganz zu Beginn) und konzentrierte sich auf ihre Kunst.
Mitten in The sun dann der Bruch. Es wurde laut, es kamen elektrische Beats, die Bühne wurde zum Stichwort "so wie die Sonne aufgeht" plötzlich rot ausgeleuchtet, und Anja machte einen zombiehaften Lauf-Tanz, lief auf die Kanzel zu, als wolle sie die umarmen. Wäre ich in der ersten Reihe gewesen, das hätte mir angst gemacht!
Vom Album folgten noch Spiracle (mit einem lauten Schrei in der Mitte) und Marche Funèbre. Und dann schien es vorbei zu sein. Wo genau die Sängerin da war, habe ich nicht gesehen. In ihrem Zombie-Roboter-Marsch schritt sie aber plötzlich von hinten an ein vorne stehendes Mikro, während von Band nicht verständliche Stimmen sprachen. Es klang, als liefe eine Kassette rückwärts. Sehr gestenreich sang die Österreicherin vorne am Bühnenrand das eindrucksvollste Lied des Abends, Sog nit keyn mol von Hirsch Glik, einem jüdischen Dichter und Partisanen aus Vilnius.
Musikalisch ein vorzügliches Konzert! Was meine - unsere - Erwartungshaltung nicht erfüllte, war das Fehlen von den ganz irren Momenten. Manchmal wirkte die Österreicherin, als lächele sie. Und gab dem Mann in der ersten Reihe die Lilie.
Setlist Soap & Skin, KulturKirche, Köln:
auf Wunsch der Künstlerin, den wir selbstverständlich respektieren, verzichten wir auf die Veröffentlichung der Setlist
Links:
- Soap & Skin in Paris
- Pretty Paracetamol über Soap & Skin in Dortmund
- und die Intro über das gleiche Konzert
* oder so
5 Kommentare :
Die Setlist wird gehütet wie die Goldreserven von Fort Knox. Auch nicht schlecht!
Dass man keine Fotos machen darf, nicht filmen soll usw. kenne ich ja. Aber das mit der Setlist habe ich so noch nie gehört.
War mir auch neu. So, Bericht steht jetzt online!
...während des Auftritts wurden auch keine Getränke verkauft. Habe ich auch noch nie erlebt!
Kein Getränkeverkauft während dem Konzert auf Wunsch des Künstlers hatte ich schon einige male. Natürlich nur, wenn die Bar im selben Raum wie die Bühne war.
Aber frag bloß nicht, welche Konzerte das waren... ;-)
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