Samstag, 18. Dezember 2010

Sam Amidon & Pokett, Paris, 16.12.10


Konzert: Sam Amidon & Pokett

Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 16.12.10
Zuschauer: 40 bis 50
Konzertdauer: Pokett etwa 45 Minuten, Sam Amidon ungefähr 1 Stunde


Sam Amidon (oder samamdion?) ist schon ein komischer Vogel. Der junge Kerl mit den blonden Engelslöckchen schreibt hochmelancholische Folksongs, denkt aber gar nicht daran, durchgängig den ernsten Singer/Songwriter mit der sorgenvollen Miene zu geben. Sattdessen kräht er während seiner Shows wie ein Hahn, macht Liegestützen (heute allerdings nicht), reißt sein Banjo im Stile eine Heavy Metal Musikers in die Höhe, oder erzählt mitten beim Vortrage eines Liedes eine Anekdote. Er ist der Komiker unter den Folksängern und betont nicht umsonst, daß er von Buster Keaton beeinflusst ist. Gerne macht er auch Witzchen über R. Kelly (den er covert: Relief), oder andere Gestalten der Popkultur.



Heute in Paris allerdings hätte ich mir manchmal schon gewünscht, daß er die Albernheiten ein wenig zurückstellt. Witzischkeit kennt keine Grenze, das kennen wir ja von Heinz Schenk und auch unser aller Lieblingssänger Robert Blanco meinte: ein bißchen Spaß muss sein. Alles berechtigt. Das Problem ist bloß, daß Sam Amidon oft seine schönsten und betörendsten Lieder ruiniert, indem er absichtlich falsch spielt oder mit krächziger Stimme singt. Da versinkt man gerade so schön in der knisternden Atmosphäre einer Mörderballade (so nannte Sam selbst in einer Szene seine Lieder) und dann versaut er das Ganze durch den Weckruf eines (gallischen?) Hahns. Hilfe! Was erlauben Amidon?

Daß es dennoch ein insgesamt schönes Konzert wurde, war der Qualität des Songmaterials und der Intimität der Location zu verdanken. An Stücken wie Wedding Dress, Climbing Highmountains, You Better Mind (heute ohne Beth Orton) oder Wild Bill Jones (mein persönlicher Favorit) kam man einfach nicht vorbei. Wer allerdings eine detailgetreue Wiedergabe der CDs erwartete, wurde sicherlich enttäuscht. Sam Amidon singt einfach nicht so gleichmäßig und sauber wie auf der Konserve, leistet sich beim Gitarrenspiel (absichtliche?) Fehlerchen und wirkt manchmal so, als würde er gleich einschlafen. Das war bei den Konzerten, die ich im Februar 2009 von ihm gesehen hatte so und heute auch nicht anders. Ich glaube er will manchmal das Publikum testen, will heraufinden, ob man ihm zuhört. Kurioserweise sind seine zwei Haupttechniken dabei völlig gegensätzlich: entweder er spielt noch wesentlich langsamer und teilnahmsloser als auf den ohnehin schon sehr ruhigen Platten, oder aber er kräht wie oben zitiert wie ein Hahn bzw. baut einen bluserockigen Jamm auf dem Banjo ein. Nach schleppendem Beginn hatte er am Ende dann aber tatsächlich das Publikum auf seine Seite gezogen, denn den Singalong zum R. Kelly Cover Relief sangen alle lauthals mit.

Ein Clown, der Sam! Sympathisch und talentiert.

Vor Sam Amidon waren die Franzosen Pokett angetreten. Eigentlich das Projekt eines Mannes, des bärtigen Singer /Songwriters Stéphane Garry, ist aus Pokett live inzwischen eine vierköpfige Band geworden. Neben dem Chef agierte heute David Lopez (ex-Pollyanna) an der Gitarre und ein mir namentlich nicht bekannter Drummer. Am Bass gab es die augenfälligste Neuerung. Dort erblickte ich zum ersten Mal eine junge Frau, die ich bisher als Bassistin der Band Kiss Kiss Bang Bang kannte. Die junge Lady brachte Pfiff in die Männerrunde und machte in jeglicher Hinsicht eine gute Figur.



Pokett mochte ich ursprünglich als feinfühligen und reduzierten Folksänger in der Tradition meines Lieblings Elliott Smith, aber auch in der heutigen rockigen Variante gingen mir die filigranen Stücke gut ins Ohr. Manchmal klang das Ganzze fast noisig, oder zumindest nach saftigem Collegerock. Und den famosen Klassiker Bread And Marmelade haben die Burschen fast komplett neu geschrieben. Die einstige Ballade fetzte so richtig und bewies, daß auch leise Künstler die lauten Töne beherrschen können. Am dollsten knallte es ganz am Ende. Da wurde das Stück Three More Cords gleich mit zwei Schlagzeugern gleichzeitig gespilelr, was für einen schwungvollen Abgang sorgte.



Stephane Garry alias Pokett ist toll, ob akustisch, oder elektrisch. Er hat schon so viel gute Stücke geschrieben und inzwischen drei feine Alben herausgebracht, da müsste doch so langsam auch mal ein größeres Medieninteresse drin sein. Nun ja, zumindest ins Café de la Danse (Kapazität 500 Leute) hat er es dieses Jahr schon geschafft und vielleicht ist ja nächstes Jahr die Maroquinerie oder das Nouveau Casino machbar. Zu wünschen wäre es ihm. Deutschlandtermine? Hmm. Abwarten!



Aus unserem Archiv:

Pokett, Paris, 14.10.2010
Pokett, Paris, 06.10.10
Pokett, Paris, 23.05.09
Pokett, Paris, 18.03.09
Pokett, Saint Ouen, 30.01.09
Samamidon, Saint Ouen, 10.02.09
Samamidon, Paris, 03.02.09
Samamidon, Paris, 02.02.09


Anmerkung: Bei den Fotos handelt es sich um Archivbilder. Aktuelle Pics folgen in Kürze.



 

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