Samstag, 11. Dezember 2010

Rebekka Karijord, Paris, 10.12.10


Konzert: Rebekka Karijord

Ort: Galsrock, Paris

Datum: 10.12.10

Zuschauer: 16 Konzertdauer: etwa 35 Minuten


Ich necke gerne einmal meinen Pariser Konzertgängerfreund Michael, wenn ich ihm (natürlich völlig zu recht) unterstelle, daß er überall dort aufkreuze, wo eine schöne Frau spielt. Er guckt dann immer etwas säuerlich und behauptet steif und fest (hi hi), daß er nur wegen der Musik und der Stimme gekommen sei. Da muss ich dann immer heftig schmunzeln und mich innerlich ermahnen, nicht weiter zu sticheln. Zumal ich ihn ja nicht zufällig treffe, sondern weil ich ebenfalls den zarten Folk-Ladies hinterherjage. Bei mir ist das aber kein Stalken und auch keine erotische Schwärmerei. Natürlich nicht. Schließlich bin ich glücklich verheiratet und brauche deshalb auch keine dieser Sexpuppen, die auf dem Weg zu Galsrock im Pigalleviertel zum Verkaufe angepriesen werden. Es ist vielmehr ein ästhetisches Empfinden, daß mich zu den zerbrechlichen Folksängerinnen treibt. Wenn eine Dame auf einer Harfe spielt, oder auf einem Piano klimpert, ist das für mich der Gipfel der Anmut und Eleganz. Noch wichtiger als die reine Ästhetik ist aber der Trost, den mir weibliche Stimmen spenden. Angefangen hat diese Hingezogenheit mit Sandy Denny. Bis vor wenigen Jahren konnte ich mit dem Hippietum und den klassichen Folkeusen nicht viel anfangen. Als ich aber 2004 Like an Oldfashioned Waltz von Sandy Denny gehört habe, war ich völlig hin und weg. Wieviel Schönheit und Güte, aber auch Leid und Melancholie in dieser Stimme lag! Ich kaufte CDs von ihr und ihrer Band Fairport Convention und erlag auch Klassikern wie Late November und Who Knows Where The Time Goes. Sandy ist lange tot (sie ist sehr tragisch und jung gestorben), aber glücklicherweise gibt es ein paar zeitgenössische Sängerinnen, die würdige Nachfolgerinnen sind. Rachael Dadd bespielsweise, aber auch Mia Doi Todd, Nina Nastasia, Sharron Kraus oder Serafina Steer. Mit Serafina Steer (auf dem Foto) verbindet die heute in Paris auftretende Rebekka Karijord das Spielen auf einer Harfe. Rebekka zupft zumindest bei einigen Lieder auf diesem erlesenen Instrument, wenn sie auch ansonsten eher Pianistin ist.

Los ging das Ganze gegen 21 Uhr 30. Nur ein paar Mitbürger, die ebenfalls auf skandinavische Musik abfahren, hatten sich in dem auf weibliche Musikerinnen spezialisierten Laden Galsrock eingefunden. Unter ihnen Valerie Toumayan, ihres Zeichens brillante Videofilmerin mit Herz für Schweden. Gerade erst hat sie ein wunderbares Dokumentarwerk namens Sounds Of Stockholm fertiggstellt, in dem sie unter anderem Those Dancing Days, Ane Brun und Friska Viljor porträtiert. Neben Valérie war auch David da, der den schönen Blog Starsareunderground betreibt. Ansonsten befanden sich höchstens 10 weitere Leute in dem Laden. Deshalb wartete Rebekka auch noch etwa 15 Minuten mit dem Beginn, stellte dann aber fest, daß es bei dieser sehr intimen Runde bleiben sollte.



Sie starte mit einem Stück auf dem Piano. Bei der traumhaft schönen Ballade Wear It Like A Grown wurde man unverzüglich Zeuge ihrer phänomenalen Stimme. Fest, schwebend, hypnotisierend, nuancenreich und mit einem warmen Timbre versehen. Das Lied kannte ich genauso wenig, wie die anderen Stücke, die folgen sollten. Bei der Karijord war ich noch Novize, was CDs angeht, obwohl sie inzwischen bereits 3 Alben auf der Habenseite verbuchen kann. Allerdings ist nur der aktuelle Opus The Noble Art Of Letting Go in Frankreich erschienen, die beiden Vorgänger bekam man wohl nur in Skandinavien. Als Skandinavierin bezeichnet man dan wohl auch am besten Rebekka Karijord, weil sie in Norwegen aufwuchs, dann aber nach Schweden rübermachte. Insofern gibt es Parallelen zu ihrer Kollegin Ane Brun, die ebenfall aus Norwegen stammt, aber seit Jahren Schweden ihre Heimat nennt. Bloß, daß die Brun keine Harfe spielt. Rebekka schnappte sich dieses feine Saiteninstrument, um das betörende Paperboy vorzutragen. Das zarte Pluckern beruhigte mich außerordentlich. Ich schloß die Augen und überließ mich ganz der Stimme von Rebekka und ihrem grazilen Spiel. Gerne hätte ich noch zwei Stunden zugehört, aber nach etwa 35 Minuten war dann leider auch schon Schluß. Zuvor hatte die Musikerin aber auch noch mit einem gut gemachten Cover geglänzt. Smells Like Teen Spirit klang bei ihr ganz anders als bei Kurt Cobain, aber nicht weniger intensiv und aufrüttelnd.



Insgesamt ein toller Showcase! Lohnt sich immer wieder, bei zarten Folksängerinnen auf der Matte zu stehen, gelle Michael?

Setlist Rebekka Karijord, Galsrock, Paris:

01: Wear It Like A Crown
02: This Anarchistic Heart
03. Paperboy
04: Smells Like Teen Spirit
05: The Noble Art of Letting Go
06: Everlasting



 

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