Freitag, 22. Januar 2010

Fanfarlo, Paris, 21.01.10


Konzert: Fanfarlo & Lawrence Arabia & My Girlfriend Is Better Than Yours (Inrocks Indie Club)

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 21.01.2010
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: Fanfarlo gut eine Stunde, die anderen beiden etwa 40-45 Minuten



Wir vom Konzerttagebuch sind immer früh am Ball. Noah & The Whale (auf dem Foto), Mumford & Sons und die heutigen Headliner Fanfarlo, drei Bands über die in Deutschland und europaweit zur Zeit viel gesprochen und geschrieben wird, die wir schon bei ihren ersten zarten Gehversuchen auf Konzertbühnen außerhalb ihrer englischen Heimat beäugt haben. Den ersten Bericht über Noah & The Whale habe ich am 28. März 2008 verfasst, bei Mumford and Sons saß ich am 24.04.2008 in der ersten Reihe und Fanfarlo kamen mir schließlich bereits am 13.06.2008 unter.

Bei uns erfährt man also, wer 1 1/2 Jahre später für Furore sorgt! Nur das Klienicum ist (viel) schneller, aber nicht umsonst nennt man Eike den Speedy Gonzales von Oberbayern!*

So, nachdem ich uns mal unverschämterweise selbst gelobt habe (wenn es sonst schon keiner tut; Franzosen sagen in diesem Zusammenhang: "on est jamais aussi bien servi que par soi même" = man bedient sich selbst am besten), kann ich zum eigentlichen Thema kommen. Fanfarlo standen auf dem Programm und die junge Band hat in Indiekreisen inzwischen einen solch klangvollen Namen, daß die Pariser Maroquinerie ausverkauft war und aus allen Nähten platzte. Dabei erfinden sie streng genommen eigentlich nicht viel Neues, denn ihr Stil basiert auf dem heroischen Sound, den die Kanadier Aracade Fire 2004 aus Versatzstücken der Talking Heads, David Bowie und Joy Division geformt hatten. Funeral von Arace Fire war eine Art Initialzündung für das Aufkommen vielköpfiger Indie-Bands, die sich nicht mehr auf das Basisinstrumentarium aus Bass, Gitarre, Schlagzeug beschränkten, sondern vor allem der Geige einen wichtigen Platz einräumten. Und bei Fanfarlo gibt es nicht nur die wunderbare, von Cathy gespielte Geige, sondern vor allem auch die jubilierende Trompete und eine brillant eingesetzte Mandoline. Genau wie Beirut, Clap Your Hands Say Yeah oder auch Get Well Soon vorher, bauen also Fanfarlo auf dem Erfolg von Funeral auf, fügen dem Ganzen aber andere Elemente und vor allem etliche gute eigene Songs hinzu. Und gute Songs gibt es auf dem Debütalbum Reservoir wirklich zu Hauf. Geht man nach der Reaktion des Publikums, gab es eigentlich keinen einzigen Ausfall. Das rund einstündige Set flutschte wie geschmiert und die englische Band war perfekt aufeinander eingespielt. Da merkte man deutlich, daß sie in den letzten Monaten viel Routine hinzugewonnen haben, über die sie 2008 noch nicht in solch großem Maße verfügten. Dennoch ging von ihrem ursprünglichen Charme nichts flöten, sie wirkten immer noch wie die rein aus Spaß an der Freude agierende Indietruppe, die sich selbst nicht zu ernst nimmt und am meisten darüber überrascht ist, daß es nun so gut für sie läuft. Keine großen Gesten, Posen oder Ansagen, all diese Marotten überlässt man anderen und konzentriert sich stattdessen auf das Wesentliche und das ist die Musik. Aber stopp! Halt! Eine Sache war doch anders als noch im Juni 2008 und das war das Bühnenoutfit, das aufeinander abgestimmt zu sein schien. Jedes Bandmitglied trug ein Hemd, das bei allen bis auf Ausnahme des Drummers bis auf den letzten Knopf geschlossen war. Der aus Schweden stammende Sänger Simon Balthazar und die Violinistin Cathy Lucas hatten zudem Bootsschuhe an. Diejenigen von Cahty waren weiß, die von Simon interessanterweise gelb/weiß/nachtblau, kombiniert zu grasgrünen Socken. Ein Hingucker! Witzig auch der stark an den Armen tätowierte Bassist, der mich mit seiner Pommadefrisur und dem Oberlippenbart kurioserweise an Gottlieb Wendehals erinnerte.

Eine bunte Truppe also, die nach einem sphärischen Intro loslegte wie die Feuerwehr! Einen der Oberknüller wie das euphorisierende und in die Beine gehende Harold T Wilkins ("hey, hey", die Schlachtrufe im Refrain) gleich an zweiter Stelle zu bringen, das zeugt von Vertrauen in sein restliches Sogmaterial! Aber sie wissen eben, das sie locker nachlegen können. Nicht nur die an Nummer 7 gespielte Single I'm A Pilot hatte trotz eines anfänglich eher gedrosselten Tempos Durchschlagkraft. Die Pariser goutierten diese berauschende Beschallung durch Mitsingen der Tetxe, freudestrahlende Gesichter und euphorischen Applaus. Keine Frage, Fanfarlo kamen sehr gut an, was wohl auch damit zusammenhängen dürfte, daß sie im vergangenen November in der kleinen Boule Noire ein viel umjubeltes Konzert abgeliefert hatten. Ob sie da wohl mit der heutigen Leistung rankamen? Ich selbst kann das nicht beurteilen, denn in der Boule Noire war ich damals leider nicht. Sicher sagen kann ich aber, daß Luna mich am Ende des regulären Sets hellauf begeisterte. Ich denke, das ist ihr bestes Lied, versüßt noch dadurch, daß der etatmäßige Trompeter Melodica spielte und Cathy im Verlaufe von der Mandoline zur Geige wechselte. Toll, toll, toll, dieses Luna!

Dann wurde der vorläufige Abgang geprobt, aber es gab natürlich noch Zugaben und zwar zwei an der Zahl. Die erste, Live By The Lake, bezeichnete Sänger Simon als sehr sehr altes Stück, ganz so als hätten Fanfarlo schon 27 Alben auf den Markt gebracht. Man findet es auf der B-Seite der damaligen Single Fire Escape, die heute leider gar nicht gespielt wurde. Zum krönenden Abschluß, dann noch das gar nicht so gespenstische Ghosts und spätestens jetzt war wohl allen klar, daß der Aufstieg von Fanfarlo gerade erst begonnen hat. Die Maroquinerie fasst 500 Leute, ich aber sehe in Paris Potential für das Bespielen einer Location mit einer Kapazität von mindestens 1000 Gästen.



Abschließend noch ein paar Sätze zu den beiden Vorgruppen. Das gemischte Pariser Duo My Girlfriend Is Better Than Yours hatte den indiepoppigen Konzertabend eröffnet und in Begleitung eines nicht etatmäßigen Drummers (Mathieu, ansonsten eigentlich Sänger bei der Band Chicros) bereits früh für gute Laune gesorgt. Dabei ist ihr vordergründig naiver und einfach zu konsumierender Pop mit einigen psychdelischen Tiefen versehen und musikalisch abwechslungsreich und voller überraschender Wendungen. Das Pärchen Laurie (Keyboard, Gesang) und Olivier (Gitarre, Gesang) verfolge ich nun schon seit etwa 2 1/2 Jahren und 11 Konzerten, aber sie schaffen es immer wieder aufs Neue,mich zu begeistern. Langweilig wird es allein deshalb schon nicht, weil sie ständig neue Lieder ins Programm aufnehmen, obwohl das erste richtige Album nach wie vor auf sich warten lässt. Vertrösten muß man sich mit einer EP (Foreplay EP), auf der auch der einzige auf französische gesungene Titel enthalten ist. Le Petit Chevalier (der kleine Reiter zu deutsch) heißt er und der ist so klasse, daß man sich fragt, warum die beiden nicht mehr Sachen in ihrer Landessprache aufnehmen. Größter Knüller ist und bleibt aber der das schwungvolle Set abschließende Track My Dictionary, der bisher unveröffentlicht ist. Und war Laurie mit ihrem weißen Kleid und den farblich passenden Stiefelchen nicht wieder entzückend?

Ach so, Lawrence Arabia. Witzige und auch musikalisch unterhaltsame Band,
die eigentlich das Ein-Mann- Projekt des rothaarigen und kauzigen Neuseeländers James Milne ist, der aber ein paar Begleitmusiker braucht, um vor allem die an die Beach Boys erinnernden Chorgesänge live CD-nah wiederzugeben. Musiker aus Neuseeland kommen einem ja eher selten unter*, aber warum sollen die da unten eigentlich keine gute Musik machen können? Schließlich haben sie auch dort Platten von den Beatles und Simon & Garfunkel gehört und das merkt man dem Sound von Lawrence Arbaia ganz klar an (besonders bei Bloody Shins). Überaschend war allerdings, daß das Ganze live wesentlich rockiger und druckvoller als auf dem (zweiten) Studioalbum Chant Darling dargeboten wurde. Bester Titel: I've Smoked To Much", von dem Keyboarder ironisch mit: "We just came from Amsterdam, you know?", angekündigt. Beste Songzeile eines anderen Liedes: "...drink expensive coffe", entnommen der gesanglich an David Bowie erinnernden Ballade Talk About Good Times. Wo man den wohl trinken kann, diesen teuren Kaffee? Bei Starbucks?


Setlist Fanfarlo, La Maroquinerie, Paris

01: The Walls Are Coming Down
02: Harold T. Wilkins or How To Wait For A Very Long Time
03: Atlas
04: Tuesday (You Come When We Call)
05: Finish Line
06: Drowing Men
07: Im A Pilot
08: Waiting In The Wings (neu)
09: Comets
10: Luna

11: We Live By The Lake
12: Ghosts

Ausgewählte Konzerttermine Fanfarlo:

23.01.2010: München
24.01.2010: Studio 672, Köln
26.01.2010: Magnet, Berlin
28.01.2010: Rocking Chair, Vevey
29.01.2010: Ziegel Oh Lac, Zürich
30.01.2010: Ancienne Belgique, Brüssel
01.02.2010: Prinzenbar, Hamburg


Setlist My Girlfriend Is Better Than Yours, La Maroquinerie, Paris:

01: From My Sofa
02: Oh My Lady!
03: My Girlfriend Is Better Than Yours
04: Winterfarmland
05: Le Petit Chevalier
06: Black Hole
07: Like A Rebirth
08: My Dictionary



Aus unserem Archiv:

Fanfarlo, Paris, 13.06.2008
Lawrence Arabia, Frankfurt, 01.06.08

My Girlfriend Is Better Than Yours, Paris, 15.04.09
My Girlfriend Is Better Than Yours, Paris, 14.03.09
My Girlfriend Is Better Than Yours, Saint Ouen, 30.01.09
My Girlfriend Is Better Than Yours, Paris, 24.10.08
My Girlfriend Is Better Than Yours, Paris, 03.09.08
My Girlfriend Is Better Than Yours, Paris, 02.09.08
My Girlfriend Is Better Than Yours, Paris, 03.07.08
My Girlfriend Is Better Than Yours, Paris, 20.07.07


Charmante Session: Fanfarlo- You Are One Of The Few Outsiders Who Understand Us

* das Klienicum berichtete (hier) bereits am 11. Mai 2007 zum ersten Mal über Fanfarlo. Euphorischer Kommentar damals: "Hier keimt was, Freunde!" "Wunderbarpop zum Niederkien"

* mir fallen auf Anhieb nur Cut Off Your Hands, The Ruby Suns und Liam Finn ein.



1 Kommentare :

E. hat gesagt…

fanfarlo live ohne "talking backwards" ist wie..., ähm, klienicum ohne rotes kreuz.

 

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