Donnerstag, 21. Januar 2010

Arborea & Erica Buettner, Paris, 20.01.10


Konzert: Arborea & Erica Buettner

Ort: Le Scopitone, Paris
Datum: 20.01.2010
Zuschauer: 35-40
Konzertdauer: jeweils etwa 45 Minuten



Jammerschade, daß die bereits fest für den 26.10. gebuchte Oliver Peel Session mit dem amerikanischen Pärchen Arborea im letzten Jahr nicht zustande kam! Buck, der Gitarrist der Band, musste die gesamte Europa Tour canceln. Soweit ich das richtig verstanden habe, hatte er einen Arbeitsunfall und Probleme mit seinem Arm.

Um so erfreulicher, Buck und seine Frau Shanti, die Sängerin des Duos, im Januar 2010 auf einer kleinen Pariser Bühne zu sehen. Aus dem schönen Maine, gelegenen im obersten Nordosten der Vereingten Staaten, waren sie gerade angereist und fühlten sich entsprechend jetlagged. Lediglich zwei Stunden Schlaf hatten sie gehabt, aber sie waren dennoch froh, in Paris zu sein. Ihre Heimat Maine werden sie erst Ende Februar wieder sehen, bis zum 16.02. bespielen sie kleine europäische Konzertsäle. Leider machen sie nicht in Deutschland Station, sondern verwöhnen vorerst lediglich Frankreich, Spanien und Italien mit mehreren Konzerten.

Leben wie Gott in Frankreich hieß heute also konkret, in einer sehr kleinen Location Arborea aus nächster Nähe zu genießen. Das unweit der Staatsoper gelegene Scopitone kann fürchterlich sein, vor allem wenn es voll ist, wenn aber wie heute Luft zum Atmen bleibt und man selbst in einem äußerst komfortablen Clubsessel sitzt, scheint das Paradies so nahe. Ob die Pariser überhaupt ihr Glück zu schätzen wussten? Nicht sicher, denn als Arborea als erste Band des Abends starteten, waren vielleicht gerade einmal 25 Personen anwesend. Ziemlich schade für die Band, die eine unendlich lange Anreise hatte, aber eher gut für die bereits jetzt versammelten Gäste, denn der Geräuschpegel war erfreulich gering. Die sehr subtile, reduzierte und atemberaubend schöne Musik des Duos verlangt eine solche Totenstille. Höchste Aufmerksamkeit ist von Nöten, um dem hypnotischen Zauber der mystischen, wüstengetränkten Klänge zu erliegen. Zunächst passierte oberflächlich betrachtet nicht viel. Buck zupfte ein paar zarte Noten aus einer Klampfe, während Shanti ein sog. Banjomer*, welches auf ihren Knien ruhte, mit äußerstem Feingefühl bearbeitete. Gesungen wurde anfänglich nicht. Aber dann erhob sie sich, die unbeschreiblich schöne Stimme von Shanti und schwebte über den instrumentalen Klängen. Mir blieb die Spucke weg! Mit offenem Munde schaute ich meinen Sitznachbarn Michael an und raunte ihm ins Ohr: "Mann ist das traumhaft!" Er nickte heftig, guckte dabei aber wie gebannt auf die Bühne. Beide fühlten wir uns, als hätten wir die Finger in die Steckdose gesteckt und einen Stromschlag erhalten. Ob wir wohl schon im Paradies waren? Dort wo sich alles so leicht und weich anfühlt, wo man wie in Watte gepackt ist? Fast schien es so...

In einem hypnoseähnlichen Zustand ließ ich mich ganz weit hinwegtragen und von der sirenhaften, ein wenig an Marissa Nadler erinnernden Stimme von Shanti streicheln. Ein Schauer nach dem anderen jagte meinen Rücken runter und halbwach bekam ich mit, wie Shanti im weiteren Verlaufe zum Banjo wechselte und Buck bei Dance, Sing, Fight* zum ersten Mal ein wenig mitsang. Die Atmosphäre war knisternd, geheimnisvoll und irreal schön, jedes einzelne Lied ein Juwel. Noch nie zuvor hatte ich eine Musikerin gesehen, die das Banjo so gefühlvoll berabeitete wie Shanti. Als würde sie ein Kätzchen sanft kraulen, so sah das aus und Buck entlockte seiner Elektrischen sphärische Klänge voller Düsterheit und Mystik. Sea Drift verzauberte mich in besonderem Maße, aber auch Arms & Horses ließ meine Nackenhaare zu Berge stehen und das Tim Buckley Cover Phantasmorgia In Two wurde auf verblüffende Weise neu interpretiert.

Vierzig Minuten lang war ich auf einem anderen, friedvolleren Planeten unterwegs und als die beiden ihre Instrumente zur Seite legten, war mein Bauch voller Schmetterlinge.

Wer nachvollziehen will, warum ich so schwärme, sollt sich einfach ein wenig Zeit nehmen, die You Tube Videos von Arborea absurfen und sich hinabgleiten lassen. Gänsehaut garantiert!

Videos Arborea:

- Arms &Horses
- Sea Drift
- Black Mountain Road

* ein Banjomer ist ein dem Dulcimer ähnliches Instrument, das fast wie ein Banjo klingt. Daher auch der Name.
* In den Song Dance, Sing, Fight haben Arborea am Ende Lyrics von Beds Are Burning der kultigen Australier Midnight Oil eingearbeitet. Von einem Cover würde ich trotzdem nicht sprechen wollen.


Setlist Arborea, Le Scopitone, Paris:

01: Leaves Among The Ruins
02: Song for ...
03: Dance, Sing, Fight
04: Wayfaring Summer
05: Red Bird
06: Phantasmorgia in Two (Tim Buckley Cover)
07: Dream child
08: Sea Drift
09: Arms & Horses
10: Forwarned
11: Song gemeinsam mit Dana Boulé am Akordeon

Als zweiter Act des Abends war die in Paris lebende Amerikanerin Erica Buettner gebucht. Von ihrer Anmut, Eleganz und Fragilität habe ich bereits desöfteren auf dem Konzerttagebuch geschwärmt, aber ich werde nicht müde, ihre Qualitäten zu rühmen. Eine solch talentierte Singer /Songwriterin mit einer derart sanften und schönen Stimme muss doch irgendwann einmal den Durchbruch schaffen! Ich traue ihr das auch unbedingt zu, aber Vorrausetzung hierfür ist, daß ihre feinen Lieder endlich auf einen Tonträger gebannt werden, damit auch ein größeres Publikum von ihr erfahren kann. Ich hoffe, ihr stärkster Song The Arctic Dogs wird darauf vertreten sein, bei dem sie mit einem feinen Guitarpicking zu gefallen weiß. Gesetzt sein dürfte When It Goes, eines ihrer wenigen auf dem Banjo eingespielten Kleinode. Das Elliott Smith Cover Between The Bars, das sie heute zu meiner Freude vortrug, wird aber wohl nicht auf dem Debütalbum zu finden sein, dafür hat sie einfach genug eigenes Material. Hinzu kommt, daß die Blondine, die heute zum ersten Mal mit Kleid und hochhackigen Schuhen auflief ( sie selbst scherzte über diesen Umstand und erklärte, daß es gar nicht so leicht sei, auf den Dingern zu stehen), inzwischen sogar ein Team mit der ebenfalls in Paris lebenden amerikanischen Akordeonspielerin Dana Boulé bildet und mit ihr gemeinsam neue Stücke geschrieben hat. Das weibliche Powerduo nennt sich The Resident Cards und wird sicherlich noch einiges von sich hören lassen.

Insgesamt erneut ein wundervolles Konzert von Erica Buettner, die nach wie vor auf der Suche nach einem Label ist, daß ihr erstes Album veröffentlicht.

In dieser Hinsicht viel weiter ist der Franzose Kim, der als dritter und letzter in den Ring geschickt wurde. Der Bursche mit dem Prinz Eisenherz- Haarschnitt hat schon an die 20 (!) Alben auf den Markt gebracht und dies auf vielen verschiedenen Labeln. Für seinen spät angesetzten Auftritt fehlten mir aber ganz einfach die Kräfte. Müde aber ob des Gesehenen sehr glücklich, verließ ich das Scopitone...


Link:

Blogger-Wimbledonsieger Eike über Arborea. Lesenswert wie immer. Klick!

Aus unserem Archiv:

Erica Buettner, Paris, 17.06.09
Erica Buettner, Paris, 24.05.09 (Oliver Peel Session)
Erica Buettner, Paris, 25.04.09
Erica Buettner, Paris, 17.09.08
Erica Buettner, Paris, 21.05.08





6 Kommentare :

E. hat gesagt…

ja, mensch, arborea im lauschigen paris statt in oberbayern. verdammte axt! bin auf den bericht gespannt! danke für die werbung (wie bin ich eigentlich ins wimbledon finale gekommen? stationen, gewinnsätze, punkte? ich will statistiken!)!

Oliver Peel hat gesagt…

Wimbledeon wird auf Gras gespielt. Das liegt Dir Eike, Du bist ein geerdeter Mensch.

Im Halbfinale hast Du das Konzerttagebuch weggehauen 6:3, 6:7, 6:4, 6:7, 20:18

War ein harter Kampf, aber gegen Deine scharfen Returns war kein Kraut gewachsen.
Dein Finalgegener, die Blogothèque, ist aus Ehrfurcht gar nicht erst angetreten.

Spiel, Satz und Sieg Klienicum!

isa oder becky oder beide hat gesagt…

Warte sehnsüchtig auf den gesamten Bericht!

Oliver Peel hat gesagt…

Bitte um etwas Geduld mit dem Bericht, hatte heute viel zu tun. Spätestens am Freitag ist er aber online.

E. hat gesagt…

nicht anders zu erwarten war die präsentation von arborea. ich hatte fest mit einem berührenden auftritt gerechnet. dass du die beiden bereits in deine heiligen hallen eingeladen hattest, hatte ich schon wieder vergessen. erneuten versuch gestartet?

Oliver Peel hat gesagt…

Ja, na klar habe ich einen erneuten Versuch gestartet und die beiden schienen nicht abgeneigt, im Gegenteil. Stellt sich bloß die Frage, wann sich terminlich eine neue Gelegenheit ergibt.

Le Cargo hat übrigens am nächsten Tag eine Session mit Arborea abgedreht.

Mit Laura Gibson haben sie auch sehr kürzlich gefilmt:

http://www.youtube.com/user/cargovideo#p/u/8/A-Fa0Eg1qf4

 

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