Konzert: Dorian Pimpernel & My Girlfriend Is Better Than Yours
Ort: Le Motel, Paris
Datum: 20.07.2007
Zuschauer: die kleine Bar war brechend voll
"Auf Deine Verantwortung" (à tes risques et périls), war der nüchterne und selbstironische Kommentar von Jérémie auf meine Ankündigung, ich würde mir das Konzert von Dorian Pimpernel im Motel ansehen.
Jérémie Orsel ist Gitarrist, Ukulele-Spieler und Sänger der Pariser Band Dorian Pimpernel. Ich habe den sympathischen Kerl auf einen meiner vielen Konzertgänge kennengelernt und unsere Wege kreuzen sich logischerweise immer wieder, da die Pariser Indie-Musikszene eigentlich recht klein ist. Was ich damals nicht gleich wußte: Jérémie spielt selbst in einer Band und steht somit auch ab und zu auf der Bühne und blickt im Gegensatz zu mir nicht immer nur auf dieselbige. Als eher schüchterner und diskreter Mensch hatte er mir das zunächst nicht verraten, sondern plauderte mit mir meist über Musik und Konzerte im Allgemeinen.
Insofern kenne ich ihn als Tiefstapler und wußte, daß der Spruch mit der "Verantwortung" nicht allzu ernst zu nehmen war, sondern daß mich im Gegenteil ein sehr interessantes Konzert erwarten würde.
Schließlich las ich über die Band Dorian Pimpernel ja schon so einiges Gutes in der Fachpresse. In der "Magic" z.B. wurde die vielköpfige Band (im Moment sind sie sieben oder acht, nachdem Jérémie zusammen mit Johan 2003 das Projekt gegründet hatte) gar als große Hoffnung für das Musikjahr 2007 bezeichnet, eine Ehre die ansonsten eher Senkrechtstartern wie den Klaxons zuteil wurde. Die "Rock & Folk" wiederum erwähnte die Pariser Formation immer mal wieder in Randnotizen, bevor sie kürzlich die erste EP "Hollandia" mit achtbaren 3 Sternen versah.
Über das Erstlingswerk "Hollandia" mit seinen sieben Titeln würde ich auch gerne verfügen, wenn es denn mal so leicht wäre das gute Stück zu ergattern. Dorian Pimpernel haben nämlich bisher nur ein japanisches Label (Rallye) und auf den Japan-Import warte ich bisher noch vergeblich...
So blieb mir nur die Möglichkeit, mich mittels ihrer MySpace-Seite bzw. Homepage auf das Konzert einzustimmen. Was man dort zu hören bekommt, ist allerdings feinster Sixties-Pop mit psychedelischer Note, extrem charmant arrangiert und überaus eigenständig. Es ist gar nicht so leicht, den komplexen Sound einzuordnen, lediglich die als Einflüsse und Referenzen genannten Syd Barrett, Brian Wilson und die Beach Boys, die Kinks und die ewig unterschätzen The Zombies können etwas Orientierungshilfe geben.
Das mußte ich mir live ansehen und endlich bekam ich die Gelegenheit dazu! Schließlich treten die Musiker aus zeitlichen Gründen nicht sehr oft auf, allesamt gehen sie tagsüber ihren Berufen nach. Wer im Jahre 2006 allerdings eine Karte für die Hushpuppies hatte, konnte sie als Vorgruppe bewundern und dieses Jahr waren sie zusammen mit der deutschen Band Fotos in der Flèche d'Or aufgetreten.
Als ich zusammen mit Cécile in der kleinen aber schmucken Bar "Le Motel" im szenigen Bastille-Viertel ankam, probten die anwesenden Mitglieder von Dorian Pimpernel (der Bassist war z.B. schon in Urlaub) noch ein wenig ihre Instrumente, denn sie hatten, wie mir Jérémie zuvor etwas panisch schrieb, seit langem nicht mehr zusammen geübt.
Anwesend waren zumindest die süße brünette Sängerin Luna, ein junger Herr mit Oboe, Jérémie mit seiner hübschen roten Gitarre (keine Gibson, wie er mir nachher erklärte, aber ein Vintage-Teil, billiger, aber genausogut), und auch noch mindestens zwei Kerle an Synthesizern (von meiner Position aus konnte ich das nicht so gut erkennen...).
Irgendwann befanden die Künstler dann, daß sie genug geprobt hätten und daß es jetzt los gehen könne. "Dieser ganze Aufwand für sechs bis sieben Stücke", kommentierte Jérémie gewohnt selbstkritisch die Situation.
Für mich war aber schnell klar, daß sich der Aufwand und mein Kommen gelohnt hatten. Luna, die im Vordergrund mit einer Rassel in der Hand agierte, hatte eine dermaßen schöne und liebliche Stimme und die Band einen solch originellen und abwechslungsreichen poppig-psychedelischen Sound zu bieten, daß ich mich schnell fragte, warum noch kein französisches Platten-Label bei dieser Kapelle zugegriffen hat.
Zumal das Ganze neben den eingangs zitierten englischen Referenzen, auch einen nicht zu überhörenden sehr charmanten French-Touch hatte. Irgendwo schwirrte der Geist von Serge Gainsbourg in dem übervollen Raume herum und wenn Luna da so sinnlich in ihr Mikro hauchte, war auch Jane Birkin nicht weit...
Auch das Fehlen des planmäßigen Bassisten wurde irgendwie kompensiert und überhaupt mußte in der kleinen Location ziemlich stark improvisiert werden, schließlich war kaum Platz für das gesamte Instrumentarium. Normalerweise verwenden die Pariser Orgel, Wurlitzer, Glockenspiel, diverse Vintage-Synthesizer, Melodica, Ukulele etc., etc., dafür reichte der Raum allerdings heute nicht.
Trotzdem: selten habe ich solch eigenständige Kompositionen von einer neuen Band gehört, im Moment ist ja eher Garagenrock im Stile der Libertines (französiche Vertreter hier z.B. die Tatianas oder Second Sex), oder aber Elektro-Rock à la Klaxons (Frankreichs Antwort hierauf: Adam Kesher oder die Teenagers) in unserem Nachbarland angesagt.
Und auch wenn Jérémie immer wieder das eigene Talent runterspielte ("gleich kommt mit My Girlfriend Is Better Than Yours noch eine Band, die richtig spielen kann"...), so bekundete doch bereits die Tatsache, daß mit Frank (der in seinem Plattenladen Ground Zero bereits exklusiv die erste Demo-Ep der Band vertrieb) und Olivier von den Hushpuppies, zwei Burschen von den Shades, Dorothée von Hopper und The Rodeo und Louise von Plasticine etliche Pariser Musiker vertreten waren, daß es sich heute um ein musikalisches Ereignis handelte.
Hier sind die Lieder, die Teil der Setlist von Dorian Pimpernel waren: (Reihenfolge unbekannt)
- Opalin Days
- An Inner Stroll
- Ovlar E
- Octave Heliophone
- Daucus Carota (der lateinsche Ausdruck für eine Karotte!)
- My Last Joker
Nach Dorian Pimpernel machte sich das gemischte Pariser Duo "My Girlfriend Is Better Than Yours" bereit für ihren Auftritt. Auch hier wurde zunächst etwas rumgewerkelt und Anschlüsse überprüft, bevor es losgehen konnte.
Alles am heutigen Abend hatte somit einen leicht amateurhaften Charme, den ich sehr liebe. Das Amateurhafte bezog sich allerdings nur auf die örtlichen Gegebenheiten, nicht auf die Musiker selbst, denn Olivier Marguerit, der männliche Part der Band, spielt in nahezu unzähligen Pariser Formationen mit. So ist er Gitarrist bei den fabelhaften Los Chicros, spielt u.a. Querflöte und Piano in der Band von Syd Matters und hilft auch schon mal bei Musikerinnen wie z.B. Bless aus.
Ich sah Olivier heute bereits zum vierten Male und dies jeweils in unterschiedlichen Bands! Eine Premiere für mich war allerdings der Auftritt der charmanten weiblichen Partnerin von Olivier, die sich auf der extrem lustig gemachten MySpace Seite Bud Low nennt. Bevor ich mich der hübschen jungen Dame zuwende, muß ich allerdings noch ein paar lustige Dinge besagter MySpace Seite zitieren:
"We smoke more cigarettes than you can" kann man dort bereits eingangs lesen und weiter unten, influences: "God, Dreams, Sumos, Sex and Rock'n Roll!" Auch köstlich: "Sounds like: A mouse making love with a cow on a horse"...
Man merkt also schnell, daß die beiden zu Späßen aufgelegt sind und uns zum Lachen bringen wollen, ohne daß man übersehen darf, daß manchmal ein zum Teil süß-sauer bis schwarzer Humor mitschwingt.
Und überhaupt: gibt es eigentlich einen cooleren Namen für eine Band? My Girlfriend Is Better Than Yours, wie klasse ist das denn?
Die Schmunzler hatte das infernale Duo also schnell auf seiner Seite, aber auch die Freunde guter Musik kamen auf ihre Kosten. Olivier, wie immer mit seinem Trucker-Kappi mit der Aufschrift: "I love Austin" behütet, sang mitunter mit Inbrunst und weitaufgerissenem Munde die witzigen Texte und die süße Bud Flow assistierte ihn hierbei aufs Trefflichste. Neben dem sinnlichen Gesang steuerte sie die Keyboard-Parts bei, während Monsieur Marguerit Gitarre spielte. Besonders gut gefiel mir das zur Mitte hin gebrachte "Winterfarmland", welches gekonnt Country-Einflüsse mit elektronischer Musik verknüpfte. Weniger traditionell war im Anschluß dann ihr "Hit" (Zitat Olivier) "My Girlfriend is better than yours" welcher neben dem unschlagbaren Titel auch eine eingängige Melodie und einen tanzbaren Rhythmus aufweisen kann. Von der Stimmung und dem augenzwinkernden Moment her (weniger von der Musik) erinnerte mich das ein wenig an den Song "I Kill Her" von der Pariser Formation Soko.
Schade, daß mit "My Dictionnary" dann auch schon das letzte Lied des Abends kam, ich hätte mehr von dem Duo vertragen können. Zur Freude der zahlreichen Besucher, wiederholten sie aber zumindest das erste Stück "Before My Memory" noch einmal.
Ich werde die beiden auf jeden Fall im Auge behalten und wer weiß, vielleicht werden sie ja auch in Deutschland bekannt? Zu wünschen wäre es ihnen!
Setlist My Girlfriend Is Better Than Yours, Le Motel, Paris:
01: Before My Memory
02: From My Sofa
03: Girl From South
04: Winterfarmland
05: My Girlfriend Is Better Than Yours
06: My Dictionnary
07: Before My Memory (Z)
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