Dienstag, 10. Juni 2014

Thees Uhlmann, Köln, 09.06.14


Konzert: Thees Uhlmann
Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 09.06.2014
Dauer: 95 min
Zuschauer: ausverkauft



Wie vor jedem großen Fußball-Turnier sind es nicht die letzten durchwachsenen Testspiele oder die unverständlicherweise fehlende Trainerdebatte, die mich besonders nerven, es ist diese immer gleiche Diskussion um Lukas Podolski. Spielt die gesamte Nationalmannschaft schlecht, schießt sich die Kritik ausschließlich auf ihn ein, auch wenn er den Großteil des Spiels gar nicht auf dem Feld stand. Vor einigen Monaten hatte ich erstmals Zweifel, ob der Bundestrainer ihn überhaupt zur WM mitnehmen würde. Eine Nichtberücksichtigung hätte meine jahrealte Vorhersage zerstört, daß Poldi bald Rekordnationalspieler sein wird, sie hätte mir aber vor allem jeden Spaß an der Weltmeisterschaft genommen. 

Und wie ist es dann grundsätzlich bei Turnieren? Lukas Podolski spielt groß auf, als wäre es immer noch 2006 und die dämlichen Kritiker halten mal ein paar Tage ihren Mund.

Mit Thees Uhlmann ist es oft genauso.*

Wenn ich Freunden erzähle, wie gut ich dessen zweite Platte finde, wie toll Konzert x war, kommen immer wieder spitze Kommentare. Tomte wären schon toll gewesen und nein, gesehen habe man Thees solo nicht und die Platten auch nicht gehört, aber das Interesse dafür sei eben auch nicht mehr da. Wenn ich mir all das hätte einreden lassen (und ich höre in Musikdingen sehr oft auf Freunde, die im Zweifel alle sehr viel mehr Ahnung als ich haben), hätte ich ein wieder einmal großartiges Konzert verpasst. Thees Uhlmann und Band spielten auf wie Poldi gegen Armenien.

Das Konzert im Gebäude 9 (aus dem der in Hamburg lebendende Sänger längst rausgewachsen ist), hatte eine spektakuläre Vorgeschichte. Als der Club vor einigen Monaten akut von der Schließung bedroht war, weil ein Stadtentwicklungsplan des Areals in Köln-Deutz (nicht Kalk, Thees!) zwischen all dem kreativen Wohnraum keinen Platz für Kunst vorsah, gingen unter anderem viele Künstler auf die Barrikaden. Thees Uhlmann schrieb einen hervorragenden Text, warum Musikclubs und speziell dieser erhaltenswert seien und was Köln ohne das Gebäude 9 verloren ginge. Ein paar Tage später wurde das Konzert in Köln angekündigt:

"Einmal kurz in den Tour-Plan geguckt. Festgestellt, dass wir frei haben vor dem Auftritt im Zakk in Düsseldorf am 10.06.! Frei haben - nicht so unser Ding. Beim Gebäude9 in Köln nachgefragt, ob da noch ein Date frei ist - haben die gesagt 'Ja!', haben wir zurück gefragt: 'Können wir andocken?', haben die gesagt: 'Dockt!' Thees Uhlmann & Band deutzen am 09.06.2014 ab 20 Uhr. Duden: 'deutzen' - 'in einem Laden spielen, in dem man unbedingt noch in 10 Jahren spielen möchte.'"

Das Konzert war natürlich schnell ausverkauft, der letzte Kölner Auftritt fand im E-Werk statt. Ein knallvolles Gebäude 9 im Hochsommer ist warm, das schreckte aber niemanden ab. Als es nach der sehr guten Kölner Vorgruppe Neufundland um kurz nach halb zehn losging, war der Club gerammelt voll, sodaß irgendwann auch der kühlende Effekt der offenen Tür nicht mehr stark bemerkbar war. Aber es war egal. Die 95 Minuten rechtfertigten das. Es war mein bisher bestes Thees Uhlmann  Konzert!

Man merkte dem Sänger an, wie viel Spaß ihm der Auftritt machte. Thees hat zwei Jahre in Köln gelebt und studiert und war oft im Gebäude 9, wie er erzählte. Er nutzte mehrere Pausen, um über den Club zu sprechen - aber auch über das parallel stattfindende Birlikte-Fest in der Keup-Straße.

Die Songauswahl überraschte mich, weil der Schwerpunkt eindeutig auf der ersten Platte lag. Bis auf Paris im Herbst spielte die Band alle Stücke von #1, vom Nachfolger kamen deutlich weniger Songs. Mittendrin eine sehr schöne Überraschung: Schreit den Namen meiner Mutter vom dritten Tomte-Album.

Nach drei Zugaben war die Vorgabe von anderthalb Stunden eigentlich erreicht ("Rockmusiker werden oft gefragt, wie anstrengend ihr Leben ist - ich muß 90 min am Tag arbeiten und darf dabei Bier trinken"). Aber Köln ist Fußballsstadt (mit zwei Profivereinen). Thees kam zurück und spielte Das hier ist Fußball zum Abschluß ohne seine hervorragende Band.

Wegen der Vorgeschichte war es vorher schon ein besonderes Konzert. Es war aber eben auch musikalisch besonders gut und jeden eigenen und fremden Schweißtropfen wert. Thees kämpfte wacker mit der Hitze, die Lederjacke blieb bis zum siebten Lied an. Erst danach kam das "Kölsch, Kippe, Lederjacke"-Shirt zum Vorschein.

Bei & Jay-Z singt uns ein Lied textete Thees eine Zeile des Raps in "hab' 99 Probleme, Köln ist keins davon" um. Daß ihm ein Club in seiner vorübergehenden Heimat noch so am Herzen liegt und er sich für den mit solch einem Konzert einsetzt, ist vorbildhaft!

Setlist Thees Uhlmann, Gebäude 9, Köln:

01: Weiße Knöchel
02: Die Toten auf dem Rücksitz
03: Vom Delta bis zur Quelle
04: Lat: 53.7 Lon: 9.11667
05: Am 07. März
06: Und Jay-Z singt uns ein Lied
07: Es brennt
08: Das Mädchen von Kasse 2
09: 17 Worte
10: Schreit den Namen meiner Mutter (Tomte)
11: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluß hinauf
12: Die Nacht war kurz (ich stehe früh auf)
13: Zugvögel

14: Römer am Ende Roms (Z)
15: Sommer in der Stadt (Z)
16: Der Fluß und das Meer (Z)

17: Das hier ist Fußball (Tomte) (Z)

Links: 

- aus unserem Archiv:
- Thees Uhlmann, Stuttgart, 10.11.13
- Thees Uhlmann, Großpösna, 18.08.13
- Thees Uhlmann, Mannheim, 01.06.13
- Thees Uhlmann, Haldern, 10.08.12
- Thees Uhlmann, Scheeßel, 23.06.12
- Thees Uhlmann, Trier, 10.12.11
- Thees Uhlmann, Köln, 25.10.11
- Neufundland, Reutlingen, 27.07.13


* also nicht, daß er den Mund hält. Auch nach einer Ansage "zum nächsten Song kann ich wirklich nichts sagen" folgte ein längerer Monolog.



1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Es sollte erwähnt werden, dass das Kölsch-Kippe-Lederjacke T-Shirt von dem bei Meeting Pot Music unter Vertrag stehendem Veedel Kaztro ist. Dies ist ein junger aufstrebender Kölner Rapper, dem Thees Uhlmann offensichtlich Respekt zollen wollte.

https://www.facebook.com/VeedelK

 

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