Samstag, 14. Juni 2014

Tori Amos, Stuttgart, 09.06.14


Konzert: Tori Amos mit Support Trevor Moss & Hannah Lou
Ort: Hegelsaal in Stuttgart
Datum: 9. Juni 2014
Dauer: 30 min +95 min
Zuschauer: etwa 1000


Vor fast drei Jahren hatte mich das Konzert von Tori Amos in der Alten Oper Frankfurt restlos begeistert zurückgelassen. Damals hatte ich lange überlegt, ob man sich einer Heldin der eigenen Jugend zu so saftigen Ticketpreisen ausliefern sollte, denn Enttäuschung schien mir da zu wahrscheinlich. Den Ausschlag gab dann eher die Alte Oper, die ich gern einmal von innen sehen wollte. Das Konzert hatte dann aber so eingeschlagen, dass ich bei der 2014er Tour nur kurz überlegte, ob uns Frankfurt oder Stuttgart besser passt und ohne zu zucken unser Weihnachtsgeld investierte.

Am Tag selbst wurde mir dann aber doch wieder etwas bedenklich. Stuttgart macht es uns Karlsruhern eh immer etwas schwer und wer sagte mir, dass das Konzert wieder auch nur annähernd so schön werden würde wie in Frankfurt 2011? Gut klappte dann aber zum Glück die Hinfahrt inklusive parken und ein Gläschen Wein zuvor ohne von den tropischen Temperaturen ganz geschmolzen zu werden. Sehr gut waren auch unsere Plätze und die Temperatur im Raum. Exzellent war die Stimmung unter den wartenden Zuschauern.


Das erfuhr als erstes der Support Trevor Moss and Hannah Lou aus Südengland. Er konnte nichts falsch machen und jedes Lied des halbstündigen Sets wurde begeistert aufgenommen. Die beiden sangen in das gleiche Mikro, was irgendwie aussah als würden sie 30 min lang zögern, sich endlich zu küssen. Ich bekam beim Zuschauen einen steifen Nacken, denn das Mikro war auf Hannahs Größe eingestellt und Trevor war einen ganzen Kopf größer. Er drehte sich dann ständig etwa um 270 Grad von der Seite hinein und so war es kein Wunder, dass er die ganze Zeit etwas gequetscht und gequält klang.... Ich dachte im stillen: Hannah allein würde mir gewiss besser gefallen. Tatsächlich wurde mir der stille Wunsch für ein Lied erfüllt und bescherte mir mein Highlight im Support-Slot. Irgendwie erinnerte mich ihre Stimme an Bobo in White Wooden Houses.


Anschließend gab es eine Pause, in der sich eine sehr lange Schlange vor dem Stand des Supports bildete, was ich ihnen von Herzen gönnte. Zu unserer Freude wurde schon nach 15 min wieder zum hereinkommen gegongt, was sich aber als deutlich verfrüht erwies. Als nämlich 20:50 Uhr auch der allerletzte seinen Platz wieder eingenommen hatte, begann gar nichts, auch 21 Uhr war die Bühne leer, obwohl schon ewig die Tasten fertig poliert und Wasser und jede Menge Blätter griffbereit lagen. Das Pubikum begann hörbar mit den Hufen zu scharren. Alles superprofessionell organisiert und dann so eine Verklapsung - passt für diesen Ort und diese Preise nicht wirklich... 

Natürlich war das alles vergessen, als Tori endlich auf der Bühne erschien - euphorisch gefeiert vom ersten bis zum letzten Moment. Neben mir saßen zwei ganz junge Männer, die sich immer wieder im Verlaufe des Sets überglücklich die Hände vor das Gesicht schlugen oder erfreut aufsprangen, als jeweils klar wurde, was als nächstes auf dem Programm stand.

Die Konzerte sind nämlich eine Art Lotterie. Bis auf das allererste Stück Parasol ist es jeden Abend während der Tournee ganz neu zusammengestellt und gemischt und obwohl die Tour nach dem aktuellen Album heißt, waren in Stuttgart nur zwei der 20 Songs Unrepentant Geraldines Material (Selkie und 16 Shades of Blue). Auf der ganzen Tour (von der Stuttgart der 24. Termin war), wurde z.B. der namensgebende Song des Albums bisher nur einmal gespielt. Dafür waren 51 verschiedene Cover dabei - die meisten jeweils nur für einen Abend. Auch an dem Abend in Stuttgart gab es somit von den meisten Alben jeweils ein bis drei Songs und dazu drei Coverversionen (wobei noch zwei weitere Cover in einem eigenen Song verarbeitet wurden).


Toris Meisterschaft besteht zum einen darin, unnachahmlich jeweils zwischen zwei Tasteninstrumenten zu sitzen, beide mit je einer Hand zu spielen und dazu leidenschaftlich zu singen. Außerdem gehört bei ihr Ein- und Ausatmen sehr häufig zum singen dazu. Je nach Sympathie für die Künstlerin wird man das wohl als Stärke oder als Macke deuten. Und natürlich ist es eine Leistung, allein mit zwei Tasteninstrumenten genug Energie zu produzieren, die 1000 Leute mitnimmt. Zu Anfang wurde der Bösendorfer Flügel ergänzt durch ein Keyboard. Nach Smokey Joe ersetzten es zwei Herren im laufenden Konzert flink durch eine zweimanualige Hammondorgel.


An diesem Abend waren es für mich tatsächlich die Cover, die mich am meisten packen. Alle drei zusammengefasst in der Lizard Lounge boten Versionen, die zwei der Stücke fast unkenntlich neu machten. Später dann Baker Baker (anscheinend erst im letzten Moment eingeschoben) und das nach wie vor unverwüstliche Cornflake Girl, wobei mich das eingespielte Playback etwas irritierte. Vor Cornflake Girl passierte etwas, was mich sehr irritierte und was ich aus einem anderen Bericht zitieren möchte

Fast unheimlich war es, als, wie auf Kommando, beim vorletzten Song ein Großteil des Publikums aufsprang und zur Bühne rannte. Tori stand kurz auf und tat etwas, das wie eine Segnung aussah. Dann ging das Konzert weiter, während die Menge schweigend und entrückt am Bühnenrand wogte. So war das auch schon vor zwei Jahren in der alten Oper während der American Doll Posse-Tour. Spooky. Wie die Rituale einer Sekte.


Anschließend wurde natürlich lautstark um eine Zugabe geklatscht, denn die Zuschauer waren nach Cornflake Girl endgültig aus dem Häuschen. In der ersten Zugabe wurde weiterhin Playback genutzt, das mich hier noch mehr ablenkte als bei Cornflake Girl. Es wirkte mit der Livedarbietung gemischt nicht wirklich homogen. Für Sweet the Sting wurde aber wieder auf nur live zurückgeschaltet und Tori groovte sich durch das Stück, um dann mit Strange den Schlusspunkt zu setzen und anschließend aus den Händen winkend endgültig die Bühne zu verlassen.

Wahrscheinlich liest sich mein Bericht etwas despektierlich. So ist er aber nicht gemeint. Ich mag die Frau Amos nach wie vor sehr und mag vor allem, wie sie möglichst wenig zur Maske verkommt in dem Geschäft und wenn sie redet, hat sie auch etwas zu sagen (z.B. kürzlich im Gespräch mit Neil Gaiman). Aber an diesem Abend hat sie es nicht geschafft, mich komplett zu überzeugen. Den meisten anderen scheint es anders gegangen zu sein und die haben bestimmt auch ihre guten Gründe.

Setlist:
01: Parasol
02: Pancake
03: God (mit Tubular Bells/Mike Oldfield & Running up that hill/Kate Bush)
04: Merman
05: Selkie
06: Siren
07: 1000 Oceans

08: Mother
09: Happiness Is A Warm Gun (The Beatles cover)
10: Let It Be (The Beatles cover)
11: Rattlesnakes (Lloyd Cole cover)
12: Little Amsterdam

13: Smokey Joe
14: Beulah Land
15: Baker Baker
16: i i e e e
17: Cornflake Girl

18: 16 Shades of Blue (Z)
19: Sweet the Sting (Z)
20: Strange (Z)


(c) Tori Amos (Facebook)
Unrepentant Geraldines Tour 2014

05.05. Cork Opera House
07.05. Dublin, Olympia
08.05. Dublin, Olympia
10.05. Glasgow, O2 Academy
11.05. Manchester, Apollo
12.05. Birmingham, Symphony Hall
14.05. Nottingham, Royal Concert Hall
15.05. London, Royal Albert Hall
17.05. Paris, Le Grand Rex
19.05. Frankfurt, Jahrhunderthalle
20.05. Berlin, Tempodrom
22.05. Oslo, Scentrum Scene
24.05. Kopenhagen, DR Koncertsalen
25.05. Hamburg, Laieszhalle
26.05. Rotterdam, Concertgebouw De Doelen
28.05. Brüssel, Cirque Royal
29.05. Amsterdam, Het-Concertgebouw
31.05. Zürich, Volkshaus
02.06. Rome, Auditorium Parco della Musica
03.06. Mailand, Teatro Nazionale
04.06. Padua, Geox
06.06. Wien, Konzerthaus
07.06. Linz, Brucknerhaus
09.06. Stuttgart, Hegel Saal
10.06. München, Philharmonie
11.06. Prag, Congress Center Prague
12.06. Warschau, Sala Kongresowa
14.06. St. Petersburg, Music Hall
15.06. Moskau, Crocus Hall
17.06. Kiev, Oktiabrskiy
19.06. Bukarest, Arenele Romane
20.06. Sofia, National Palace of Culture
22.06. Istanbul, KüçükÇiftlik Park

26.06.-30.06. Südafrika

16.07.-24.08. USA

 Mein Bericht zum Frankfurter Konzert ist leider perdü, aber ein fremder Bericht über das Konzert am 26.10. 2011 drückt so ziemlich aus, was ich damals auch geschrieben hatte.


 

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