Dienstag, 4. Juni 2013

Sin Fang & Pascal Pinon, Frankfurt, 03.06.13


Konzert: Sin Fang & Pascal Pinon
Ort: Das Bett, Frankfurt
Datum: 03.06.2013
Zuschauer: 55
Dauer: Sin Fang 60 min, Pascal Pinon gut 45 min



Gestern machte die Meldung die Runde, daß das Boot Boo Hook Festival in Hannover nicht stattfindet und die Betreibergesellschaft Insolvenz angemeldet hat. Laut Hannoverscher Allgemeine waren gerade mal 600 Tickets verkauft worden, obwohl das Lineup sehr attraktiv war (The Thermals!).

Wir wollen alle immer, daß alles möglichst indie ist, vollkommen unabhängig von Leuten, die Konzerte und Festivals nicht der Liebe zur Musik wegen sondern wegen der Verdienstmöglichkeiten veranstalten, sind dann aber auch selbst so indie, daß die das gefälligst auch ohne uns hinbekommen sollen. Als Gegenleistung muß dann eben ein "like" bei Facebook reichen! Hey, wir sind schließlich die Generation unverbindlich!


Durch Facebook-Likes finanzieren sich aber keine Festivals oder Konzerte. Und daß die in Zeiten, in denen scheinbar niemand mehr bereit ist, für die Musik, die er hört, Geld auszugeben, für Künstler existenziell wichtig sind, ist dann eben auch egal.

Es wäre natürlich vermessen zu behaupten, Oliver und ich hätten diese Website 2006 gegründet, um Bands zu unterstützen. Blödsinn! Wir haben mit dem Tagebuch-Schreiben angefangen, weil wir uns an Konzerte auch in ein paar Jahren noch erinnern wollten. Aber durch das Bloggen lernt man auch immer mehr darüber, wie die wirtschaftliche Seite hinter Bands und Veranstaltungen aussieht. Ich empfand zum Beispiel Spotify als clevere Alternative, um Musik zu entdecken, die ich mir dann gekauft hätte, wenn sie mir gefallen hätte. Glücklicherweise hielt diese Meinung nur ein paar Tage. Dann las ich nämlich einen Artikel der beiden Galaxie 500 Mitbegründer Naomi Yang und Damon Krukowski über deren Quartalsabrechung von Streaming-Diensten und habe Spotify seitdem nicht mehr angerührt. Natürlich ist es besser, ein paar Pfennig zu bekommen als nichts. Aber man unterstützt auch weiter das System, das Musik nicht als Kunst sondern billigste Massenware einstuft. Aktiv an der Zerstöung von etwas mitzuwirken, was man liebt, ist absurd und lässt uns irgendwann alle nur noch David Guetta hören, weil es nichts anderes mehr gibt.

Wie oft sind in den vergangenen Jahren Konzerte abgesagt worden, auf die ich mich sehr gefreut hatte, weil im Vorverkauf nicht genug Karten verkauft worden waren. Die Veranstalter nennen das das "produktionstechnische Gründe", die Wahrheit ist, daß es sich für eine US-Band nur schwerlich lohnt, für zehn Tage nach Deutschland zu kommen, um dann acht Konzerte à 20 Kartenvorkäufe zu spielen.

Bei meinem gestrigen Konzert sah es nicht viel besser aus. 55 Leute waren am Ende wohl da, davon müssen ein Club mit mehreren Angestellten und sieben Künstler plus Techniker und Tourmanager leben. Natürlich sind Sin Fang kein großer Name, Pascal Pinon, die isländischen Schwestern, die der Hauptgrund meines Besuchs waren, erst recht nicht. Aber beide Bands machen tausendfach bessere Musik als die, die in den Hitparaden (und den meisten Radios) auftauchen.

Als die beiden Schwestern Jófrídur und Ásthildur Ákadóttir auf die Bühne kamen, waren eine Handvoll Zuschauer im Bett. Sie begannen trotzdem früh (sie schienen nämlich auch früh wegzumüssen). Den Auftakt bildete ein Stück, das sie bisher nie gespielt hätten, und das ich leider nicht erkannte. Mitschreiben ist bei Bands, die häufig auf Isländisch singen, so eine Sache (wobei die Ausrede hier nicht gilt, weil das Lied einen englischen Text hatte). Wie restlos alles der Schwestern gefiel mir der Auftakt sehr! Um Ásthildur, die links sitzende Musikerin, machte ich mir aber ein wenig Sorgen, sie wirkte, als schliefe sie gleich ein, das Touren scheint anstrengend zu sein!

Mir gefiel bei meine ersten Konzert der beiden in Darmstadt schon sehr, daß neben der ausgezeichneten Musik eine ganze Menge Unterhaltung zischen den Leidern geboten wird. Zum einen sind Jófridurs Ansagen herrlich, wenn sie den Hintergrund des Stücks Fernando erklärt (über eine unglückliche Liebe ihrer Freundin, die den Text geschrieben hat, zum Fußballer Fernando Torres) oder mit ihrer Schwester streitet, wie weit die Insel Þerney vom Festland weg ist, um zu erklären, daß beim Rudern (oder Segeln) dahin die Demoaufnahme zu Þerney (One thing) stattfand. "10 min" - "nein, 20" - "15 höchstens!"

Zum anderen sind da aber noch die vielen kleinen Pannen, die Konzerte der beiden besonders charmant machen! Ásthildur hatte das MacBook backstage vergessen und rannte nach dem Auftaktstück schnell los, um es zu holen. Dann knallte dauernd irgendein Mikro runter, mal fehlten die Stromkabel in der Gitarre! Aber der herrliche Slapstick endet sofort, wenn die Schwestern singen. Ihre Lieder sind verhutschelt aber enorm schön, haben wundervolle Melodien und Instrumentierungen.

Bei Ekki vanmeta kam zum Beispiel ein Walkman zum Einsatz, um ein Schlagzeug zu ersetzen. Eigentlich spielt eine Freundin der beiden diesen Schlagzeug-Part - auf einem pinken Barbie Kinder-Klavier. Das habe aber albern ausgesehen bei Konzerten, also wurde sie durch den Walkman ersetzt. Überhaupt sei ihre ursprüngliche Band nach und nach verschwunden.

Es war zwar alles ganz hervorragend, ein Highlight war aber die Zugabe, zu der der Sin Fang Frontmann erstmals auf die Bühne kam. Gemeinsam mit Sindri Már Sigfússon und dessen Bassisten spielten die Pascal Pinons ein neues Stück namens Babies, das die Bands gemeinsam vor wenigen Tagen geschrieben haben. Babies mit dem Gesang aller vier am Ende, mit Blockflöten-Begleitung des Sin Fang Bassisten, war ein ganz großer Knüller und wird hoffentlich veröffentlicht! 

Setlist Pascal Pinon, Das Bett, Frankfurt:

01: ?
02: Bloom
03: Ekki vanmeta
04: Fernando
05: Evgeny kissin
06: Somewhere
07: Þerney (One thing)
08: 53

09: Babies (neu) (mit Sindri Már Sigfússon) (Z)

Um 21.45 begann dann das Hauptprogramm mit weiteren Isländern. Sin Fang ist das Soloprojekt des Seabear Gründers Sindri Már Sigfússon, wobei Seabear ursprünglich ein Soloprojekt war und bei Sin Fang fünf Musiker auf der Bühne standen. Zu kompliziert? Willkommen in Island! Was hat uns dieses kleine Land für großartige Musik geschenkt. Leider komme ich nicht nach, all die tollen isländischen Künstler für mich zu entdecken, dafür gibt es zu viele. Von den hörenswerten deutschen Bands kenne ich dagegen bestimmt einen Großteil (gut, das ist einfach).

Sindris Soloprojekt wurde von vier Musikern unterstützt. Von einem eher unscheinbar wirkenden Gitarristen, dem bereits erwähnten Bassisten, der eine rot-schwarz karierte Hose trug, einem Schlagzeuger mit Baseballkappe und Chicago Bulls Trikot und komischem Blick und einem Keyboarder, der vor mir stand und eine ganz merkwürdige Hose trug. Beim Aufbau hatte er noch Shorts getragen, während des Konzerts war da etwas rot-weiß-blau Gewickeltes. Vielleicht eine Tracht, passend zum Pulli? "Unser Keyboarder trägt eine Jacke als Hose", klärte Sindri auf. Eine Sportjacke, um genau zu sein. 

So verpeilt wie die Kleidung wirkte auch die ganze Show. Die Lieder gefielen mir zum großen Teil sehr, die Band wirkte aber müde, vielleicht lustlos. Die Tour war lang, das Konzert in der letzten großen Stadt viel zu leer, das drückt sicher aufs Gemüt. In Sindris Musik scheint ohnehin eine ganze Menge an Sehnsucht zu stecken, erstaunlich viele Lieder haben "light" im Titel. Catch the light, Slow lights, Look at the light oder Sunbeam.

So monothematisch die Titel, so abwechslungsreich die Melodien. Mal klingen Sin Fang melancholisch, mal flotter (nach Vampire Weekend), mal nach den Strokes. Das an die Strokes erinnerde Stück See ribs war mein Liebling des Abends. Toll wurde es auch immer dann, wenn der Jackenhosen-Keyboarder Horn spielte. Kornetts gehören in meinen Ohren zu den großartigsten Instrumenten überhaupt. Daß mindestens ein Mitglied einer isländischen Band auch dieses Instrument beherrscht, ist selbstverständlich bei all dem Talent auf der Insel.

Sindri zog irgendwann sein Kaputzenshirt aus und entschuldigte sich, daß er nur noch ein ärmelloses Shirt anhabe. "Ich habe mich verschätzt, als ich meine T-Shirts für die Tour rausgelegt habe. Ich dachte, es sei warm. Jetzt habe ich nur noch zwei ärmellose übrig." Sehr höflich!

Sin Fang haben ein schönes Konzert gespielt, Pascal Pinon aber das schönere. Beim Merch lagen dann wieder die isländischen Männer vorne: von denen gab es Sin Fang Skateboards. Daß als Versuch zu deuten, ein weiteres Einnahmen-Standbein zu schaffen, ist aber dann vermutlich doch etwas weit hergeholt.

Setlist Sin Fang, Das Bett, Frankfurt:

01: Catch the light
02: Slow lights
03: Nothings
04: Everything alright
05: Always everything
06: Look at the light
07: Sunbeam
08: My weird heart
09: See ribs
10: Young boys
11: What's wrong with your eyes

12: Walk with you (Sindri Már Sigfússon solo) (Z)
13: Clangour and flute (Z)

Links:

- aus unserem Island-Archiv:
- Sin Fang, Wiesbaden, 07.06.12 
- Sin Fang, Paris, 09.09.11
- Pascal Pinon, Offenbach, 08.03.13
- Pascal Pinon, Karlsruhe, 22.02.13 
- Pascal Pinon, Darmstadt (Bedroomdisco), 21.02.13
 

- aktuelle Fotos folgen nachher!

4 Kommentare :

Gudrun hat gesagt…

LUAI hat mich neulich um Empfehlungen zu deutschen Musikern gebeten mit deutschen Texten (um ihrem deutsch lernen auf die Sprünge zu helfen). Ich dachte, na die zwei CDs die ich da höchstens habe such ich schnell aus dem Regal. Am Ende waren es dann aber doch für mich selbst erstaunlich viele (und ich habe natürlich nur gute, alle anderen kaufe ich nicht oder lass sie schnell wieder gehen...)

zoulwags hat gesagt…

Passend zu den schlechten Besucherzahlen des gestrigen Abends hat Das Bett heute angekündigt, dass ihm die Schließung droht, wenn man bis Ende Juli nicht 30000 Euro aufbringt. Alles Weitere hier: https://www.facebook.com/RettetDasBett
Vielleicht könnt ihr ja euer Blog nutzen, um für die Aktion ein bisschen Werbung zu machen, denn Das Bett ist sicherlich eine der besten Adressen für Live-Konzerte in Frankfurt.
Ansonsten: schöner Artikel!

Christoph hat gesagt…

Ja, habe es gesehen. Ganz großer Mist wäre das, wenn das Bett zumachen müsste!

Jörg S. hat gesagt…

Hallo.
Ein wirklich schöner Bericht.....
Bin hier beim stöbern nach Pascale Pinon gelandet.
Ich war mit ner Freundin beim ersten Konzert dieser Tour.
In Hamburg am 17.05.2013 im Hafenklang.
Dort ging einiges schief und soetwas stört mich auch nicht im geringsten, dafür ist das noch Musik............
Beim ersten Konzert gabs noch ne besonderheit.....
Beginn war um 21:30 angesagt....
Sindri erschien auf der Bühne und eröffnete den Gästen (würde so um die 60 schätzen) das die beiden Schwestern noch im Stau von Frankfurt nach Hamburg stecken und das Konzert ca. 22:30 losgeht.
Also war warten angesagt....
Um 22:30 kam Sindri wieder auf die Bühne und sagte sie währen immer noch unterwegs... So begann SinFang mit seinem Auftritt...
Die Lieder kann ich hier leider nicht auflisten. Aber es war ca eine Stunde.....
Mit der Aussage am Ende. Pascale Pinon sei noch immer unterwegs....
Um kurz nach Mitternacht standen die beiden Mädels dann auf der Bühne, sichtbar geschafft.....
Aber sie haben noch tapfer ein paar Lieder gespielt.
War trotz allem ein schöner, wenn auch langer Abend.
Obwohl ich von Pascal Pinon gerne mehr gehört hätte......

grüße aus dem Norden
Jörg

 

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