Dienstag, 25. September 2012

Caroline Keating, Frankfurt, 25.09.12


Konzert: Caroline Keating
Ort: Brotfabrik, Frankfurt
Datum: 25.09.2012
Zuschauer: 60
Dauer: genau 60 min




Ehrlich gesagt habe ich Caroline Keating in den letzten beiden Jahren aus den Augen verloren. Es gibt halt zu viel Musik - überall - auch wenn ein Großteil davon schrecklich ist. Seit Künstler mit Aufnahmen immer weniger verdienen, touren sie auch immer häufiger, also geraten Künstler schnell einmal aus dem Fokus, weil eine Welle anderer Musiker sich zwischenzeitlich Aufmerksamkeit erspielt. Bei Caroline Keating kam erschwerend dazu, daß ich zwar eine 2009er Tour EP nach dem Kölner Konzert gekauft hatte, daß es außer den vier Stücken aber meines Wissens nach bisher keine Veröffentlichungen zu kaufen gab. Die Pianistin, die in Montreal lebt, veröffentlicht im Oktober ihr Debüt Silver Hearts auf dem Beverunger Label Glitterhouse und tourt mit den Stücken der Platte bis November durch Deutschland (siehe unten).



Bei gaesteliste.de hatte ich vom Essener Konzert gelesen, daß Caroline von zwei Musikern begleitet würde. Als ich (früh) in die Brotfabrik kam, waren auf der Bühne Geige und Kontrabaß rechts und links von einem Konzertflügel aufgebaut. Damals im Motoki hatte die Sängerin ihre Lieder nur vor einem Keyboard sitzend vorgetragen, das war schon vorzüglich, die neue, breitere Intrumentierung machte die Musik noch eine große Portion aufregender, das zeigte sich ganz schnell.



Caroline (in einem kurzen Spitzenkleid) und ihre beiden Begleiter Sebastian Chow (Geige) und Matthew Perrin (Kontrabaß) betraten schon kurz nach 20.15 Uhr die Bühne. Wenn man weiß, daß es so früh losgeht, ist das eine tolle Startzeit für Konzerte (und leider vollkommen ungewohnt!). Hätte ich nicht vom frühen Beginn gewußt, wäre ich erst gegen neun da gewesen, auf der Website des Clubs und auf meinem Ticket stand acht als Zeit, was wenn nichts anderes vermerkt ist, normalerweise immer die Einlaßzeit bedeutet. Dann hätte ich zwar noch vier, fünf Lieder von Caroline mitbekommen (die alle die Anreise gerechtfertigt hätten), hätte aber auch eine ganze Menge verpasst.


Die Brotfabrik war bestuhlt, strenggenommen sogar betischt, vier, fünf Stühle standen jeweils um kleine Tische. Auch wenn es kurz vor acht noch nicht danach ausgesehen hatte, füllte es sich bis zum Beginn ganz gut. Dabei war das Publikum für meine üblichen Konzertabende ungewöhnlich. Junge Indie-Leute waren deutlich in der Unterzahl, dafür waren viele ältere Zuschauer da, die meiner Theorie nach grundsätzlich zu interessanten Kulturveranstaltungen gehen, und nicht etwa speziell wegen Caroline da waren. Es war also eine Schnittmenge aus ernsthaften Kulturfreunden und den üblichen Verdächtigen, wenn es um unser normales Indiemusik-Zeugs geht, etwa so, wie bei Veranstaltungen von Künstlern wie Rufus Wainwright oder Anthony and the Johnsons, nur um Längen angenehmer (das Publikum, meine ich).

 

Das Konzert begann mit zwei Stücken, die ich nicht kannte (kein Wunder), die aber auch nicht auf ihrem Album sind. Nicht nur akustisch war das Zusammenspiel der drei Musiker beeindruckend. Die drei kennen sich in- und auswendig, wohnen quasi zusammen, wie Caroline erklärte, und wirkten auf der Bühne so, als spielten sie bereits seit vielen Jahren in dieser Konstellation. Es gab zwar bei einem der ersten Lieder ein paar Tonprobleme, es knisterte und man hörte kurz fremde Stimmen, dabei blieb es aber, der Rest hatte Radiokonzert-Qualität!

 

Besonders gut gefiel mir... alles. Und davon They say und The pier am besten. Carolines Stimme mit dem leichten kanadischen Akzent, ihr vorzügliches Klavierspiel (sie hat mit sechs Jahren begonnen) und die beiden dezenten Begleitinstrumente, die ganz variabel eingesetzt wurden, machten aus den Keyboard-Stücken von vor zweieinhalb Jahren, satte aber nicht übertrieben arrangierte Pop-Perlen. Und weil Caroline eine so gewinnende Art hat und charmant immer wieder Lieder erklärte und kurze Ansagen machte, kam auch die übliche Distanz, die alleine durch einen mächtigen Flügel auf einer Bühne entsteht, gar nicht erst auf. Glitterhouse-Rembert hatte bei Facebook geschrieben, die Band sei sicher noch müde, weil sie am Vortag in Beverungen lange gefeiert hätte. Caroline erzählte davon, obwohl sie Probleme hatte, den Ort im Weserbergland auszusprechen. Sie hätten gekegelt, Team Kanada gegen Team Deutschland. Das sei gar nicht so ungewöhnlich, weil auch Sebastian und sie gerne und häufig zum Bowling gingen. One, eines der älteren Lieder im Programm, kündigte sie damit an, daß es von einer verrückten Person handelte - aber nicht von ihr. "I'm maybe a little bit crazy - but I'm not this crazy!"


Vor Pit stop wurde das Einwöchige ihrer Deutschland-Tour begangen. Viele schöne Landschaften hätten sie gesehen (in Beverungen - Einheimische bitte weggucken - fühlte sich Caroline an Wes Anderson Filme erinnert), viel deutsches Bier getrunken. "The beer is wonderful", was Bassist Matthew mit Daumen hoch und einem glücklichen Blick bestätigte. Meine Lieblingsansage machte die Musikerin vor Holiday: "It's a song about being on vacation. But in Europe you call it holiday, so the song is called Holiday."


Nach Montreal (auch einem älteren Stück, das es 2009 schon gab), ging Matthew von der Bühne. Sebastian begleitete Caroline, die sich hingestellt hatte, bei Ghosts auf seiner Violine, die er wie eine Ukulele spielte. Auch das war sehr schön, allerdings ist auch die voll instrumentiere Version des Lieds hervorragend.

 


Alleine kam die Kanadierin danach zur Zugabe Silver hearts zurück. Caroline Keating wurde auch danach noch einmal zurück auf die Bühne geklatscht, weil sie aber bereits all ihre Stücke gespielt hätten, endete das Konzert.


Es war wundervoll - ich glaube, das merkt man mir an. Bitte hingehen, Caroline, Matthew und Sebastian touren (und kegeln) noch eine Weile durch den deutschsprachigen Raum!

Setlist Caroline Keating, Brotfabrik, Frankfurt:

01: Riots
02: Old Faithful
03: They say
04: The pier
05: Holiday
06: So long, Solange
07: One
08: Lusty Dusty
09: Pit stop
10: Montreal
11: Gatsby
12: Ghosts

13: Silver heart (Z) (Caroline Keating solo)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Caroline Keating, Paris, 16.03.10
- Caroline Keating, Köln, 30.01.09
- mehr Fotos vom Konzert

Tour:

27.09.12: Basel, Parterre   
28.09.12: Zug, Chollerhalle   
02.10.12: Göttingen, Apex   
03.10.12: Halle, Objekt 5
04.10.12: Köln, Die Wohngemeinschaft   
05.10.12: Neustadt bei Hannover, Schloss Landestrost   
06.10.12: Magdeburg, Moritzhof   
08.10.12: Leipzig, NaTo   
09.10.12: Dresden, Societaetstheater   
11.10.12: München, Rationaltheater   
12.10.12: München, Rationaltheater   
13.10.12: Erfurt, Franz Mehlhose   
27.10.12: Aachen, Raststätte   
03.11.12: Darmstadt, Bedroomdisco   
22.11.12: Hamburg, Nachtasyl (Thalia Theater)   
24.11.12: Graz, Autumn Leaves Festival   
25.11.12: Erlangen, E-Werk  




7 Kommentare :

E. hat gesagt…

das ist ein versäumnis, nicht gesehen zu haben, dass Ihr keating hier bereits in den vorjahren am start hattet. chapeau! mein töchterchen war übrigens vor ein paar tagen mit ihr kegeln und wir werden sie wohl auf der tour auch in münchen beehren.
bin gespannt auf den ausbau dieses berichts!

Christoph hat gesagt…

Du kannst es ja nachholen (und wirst es wohl auch). Ich kann es nur empfehlen!

Vom Kegeln hatten sie gestern auch berichtet. Das klang alles nach sehr vertrauten Dorfkneipen, obwohl ich noch nie in Beverungen war. War ein sehr schöner Abend.

Caroline hatten wir aber doch nicht früher als Du hier am Start? Das wäre dann die Geschichte vom blinden Huhn!

Deadlybrownboy hat gesagt…

Schöne Review. War ein sehr schönes, wenn auch sehr kurzes Konzert.

Aber: Du warst noch nie in Beverungen??? Schon mal was vom Orange Blossom Special gehört??? Wenn nicht, dann Bildungslücke galaktischen Ausmaßes...

Anonym hat gesagt…

Über der Setlist steht was von Köln - Das sieht mir nach nem Fehler aus.
Ansonsten sehr schöner Bericht von einem noch viel schöneren Konzert! :)

Christoph hat gesagt…

Nein, ich war noch nie in Beverungen, obwohl ich das OBS natürlich von den euphorischen Schilderungen kenne. Habe es noch nie geschafft.

Brotfabrik, Köln: da hat mir das Unterbewußtsein einen Streich gespielt :-)

Oliver Peel hat gesagt…

Mit Caroline würde ich auch gerne Kegeln gehen...

Nelle hat gesagt…

Bzgl. keine Veröffentlichgungen außer EP (1. Absatz): Das Album, das jetzt hier erscheint, hat sie Anfang 2011 bei den Konzerten schon als "Eigenveröffentlichung" verkauft. Insofern war meine Freude über "Albumrelease" auch flott wieder weg, weil ich es (mit anderem Cover und ich glaube ohne Booklet) schon habe.

 

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