Freitag, 14. September 2012

Evening Hymns & The Wooden Sky, Paris, 10.09.12


Evening Hymns & The Wooden Sky, Paris
Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 10.09.2012

Zuschauer: etwa 120



Sie seien 1 Woche lang in Germany gewesen und heute habe er im Tourbus gepennt und sei plötzlich in Frankreich aufgewacht, erzählte Sänger und Bandchef Jonas Bonnetta von den Evening Hymns. Auch der Frontmann von The Wooden Sky berichtete von "sausages" in Germany und das sie "delicous" gewesen seien.

Keine Lästerein über Deutschland und die Deutschen also, den Kanadiern muss es also wirklich dort gefallen haben.


Nun aber waren sie in Paris und hier galt es erst einmal mit einem nicht allzu kleinen Problem fertig zu werden: der unsäglichen Hitze in der Location Espace B! Die Klimamanlage des Clubs funktionierte nicht und deshalb fühlte sich die Show an wie ein langer Saunagang bzw. ein Bikram Yoga Kurs, jener schwachsinnigen Übung, bei der Leute bei 40 ° ihre sinnlosen Verrenkungen machen und dafür auch noch Geld bezahlen. Nun Geld haben wir für das Konzert der beiden kanadischen Bands auch bezahlt, aber für 10 Euro hatten wir wenigstens super Musik für die Kohle.

The Wooden Sky hatten den heißen Abend begonnen. Von der mehrköpfigen Truppe mit Fiddel hatte ich aber nur noch drei fein arrangierte Songs mitbekommen, weil ich vorher noch durch sehr unangenehme private Telefonate aufgehalten wurde. Die Jungs machten einen guten Eindruck auf mich und ich bin sicher, daß man an ihnen künftig nicht vorbeikommen wird, so daß es sicherlich noch Gelegenheiten geben wird, sie live auch unter kühleren Bedingungen mal zu erleben.

Ohnehin prägten sich mir im Lauf des Abends ihre Gesichter ein, weil sie in kompletter Besetzung auch mit Evening Hymns spielten, so daß wir beim Hauptact eine siebenköpfige Band zu sehen bekamen.

Dabei ist Evening Hymns eigentlich das Soloprojekt von Jonas Bonnetta zu dessen Liveumsetzung er freilich die Unterstützung von anderen braucht. Ständige Begleitung ist Bassistin Sylvie Smith (sind die beiden ein Paar?, ich weiß es nicht), die heute auch wieder himmlische Vocals beisteuerte. Aber letztlich lebt das Projekt doch sehr stark von Jonas markanter Stimme. Er verfügt über ein sehr warmes, leicht brüchiges und sensibles Gesangesorgan, mit der er gut seine Stimmungen und Emotionen vermitteln kann. Auf dem neuen Album Spectral Dusk geht es um die Verarbeitung des Todes seines Vaters und stimmlich konnte er ziemlich genau seine Verzweiflung, Trauer und Einsamkeit spürbar machen, aber auch so etwas wie Trost und Hoffnung vermitteln. Es helfe ihm sehr, daß er seine Gedanken über seinen Vater in Songs packen und diese Leuten vortragen dürfe, das gebe ihm das Gefühl, daß sein Dad noch lebendig sei. Respektvoller Applaus brandete auf und auch unbeabsichtigterweise ein kurzer Pianoton, was Jonas mit den Worten: "it's his ghost, he loved piano music!" kommentierte und so auch ein wenig die Schwere aus seinem Vortrag nahm.


So wurde es dann auch kein kitschiges und auf die Tränendrüse drückendes Konzert, sondern eine würdevolle Auseinandersetzung eines Künstlers mit einem großen persönlichen Verlust. Lieder voller Wärme, Sensibilität und einer starken inneren Kraft erfüllten etwa eine Stunde lang den völlig überhitzten Raum, aus dem dennoch kaum jemand flüchtete, weil es eben so gut und berührend war. Songs von Spectral Dusk erklangen ebenso wie Stücke des Vorgängerwerkes Spirit Guides und bei dem Big Star Cover Thirteen hatte der seit langem in Paris lebende Posies & Big Star Sänger Ken Stringfellow einen gelungen Gastauftritt. Bonnetta drückte gerührt seine Begeisterung für Stringfellow aus, erklärte daß er als Jugendlicher immer schon die Posies und Big Star gehört habe und daß es eine Ehre sei, mit solch einem vorzüglichen Musiker gemeinsam auf einer Bühne zu stehen.


Das Set bestand zum Großteil aus eher langsamen oder Midtemposongs, hatte aber mit dem großartigen Broken Rifle auch einen fetzigen Rocker zu bieten. Da klangen Evening Hymns dann auch ziemlich stark nach Okkervil River, während sie mich ansonsten eher an die Great Lake Swimmers oder die Bower Birds erinnerten. Dennoch wirkten sie nicht wie Klone anderer Folkformationen und auf den wegen Bon Iver heutzutage stark angesagten Falsettgesang verzichteten sie ebenso wie auf Männer-Chöre im Stile der Fleet Foxes. Ihre größte Qualität war vielmehr das Zusammenspiel des Gesanges von Bonneta und von Sylvie Smith, das man so leider nicht auf den Alben zu hören bekommt. Er mit seiner herben Stimme, die sie mit ihrem lieblichen Kehlchen nur sanft unterlegt, das war schon sehr toll!


Songtechnisch ragten das wundervolle Family Tree, Cedars (mit seiner in diesem Kontext ungemein bewegenden Songzeile: "that everybody going to live forever and no one really dies anyway") und eben Broken Rifle heraus und zur Entstehungsgeschichte von Spectral Dust gab es noch eine witzige Anekdote, bei der Bonnetta berichtete, wie sie in Ontario das Album aufgenommen haben, draußen meterhoher Schnee lag und sie jeden Tag Hokcey gespielt haben, bevor sie bis 2 Uhr nachts musizierten. Am Ende blieb dann nur der Titelsong Spectral Dusk übrig, den Bonetta ohne die im Raum verbleibende und zuhörende Band einspielte. Die Bandmitglieder hatten da also schon Feierabend, genehmigten sich Whikeys mit Eiswürfeln, deren Klirren dann letztlich auf der Aufnahme landeten. Nach längerer Überlegung ließ man dieses Geräusch dann auch auf der endgültigen Version des Albums, um mit Klirren der Eiswürfel, diese Episode wieder in Erinnerung zu rufen.


Inzwischen war man beim Zugabenteil angekommen und spontan entschieden sich die Musiker, diesen wegen der großen Hitze draußen auf der Straße zu bestreiten. Eine glänzende Idee, die uns frische Luft und magische Momente bescherte! Die Künstler stellten sich in Reihe, trugen vor der schweißgebadeten, aber euphorischen Menschenmenge noch zwei Songs vor, Handykameras gingen in die Höhe und überraschte Nachbarn glotzten aus dem Fenster. Ein super Abschluß eines denkwürdigen Konzertabends. Die Kanadier haben's einfach drauf!

Setlist Evening Hymns, Espace B, Paris

01: Arrows
02: Family Tree
03: Cedars,
04: Dead Deer,
05: You & Yake
06: Thirteen (Big Star Cover)
07: Cabin In The Burn
08: Broken Rifle
09: Spectral Dusk

10: Wooden Sky Song
11: History Books








Konzerttermine Evening Hymns & The Wooden Sky

19.09.2012: Hafen 2, Offenbach
20.09.2012: Paradiso, Amsterdam
21.09.2012: Reeperbahnfestival, Hamburg
25.09.2012: Steinbruch, Duisburg
26.09.2012: Apex, Göttingen
27.09.2012: Moritzbastei, Leipzig
28.09.2012: B72, Wien
29.09.2012: PMK, Innsbruck




 

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