Konzert: Northzone Festival - Árstíðir
Ort: Lido, Berlin
Datum: 08.04.2012
Zuschauer: ca. 80
Konzertdauer: ca. 100 Minuten
Bericht und Fotos von Markus aus Berlin
Der letzte Abend des Northzone-Festivals lud dieses Mal ins Berliner Lido. Eigentlich wollte ich das Lido eine Weile meiden, alleine schon aufgrund des recht durchwachsenen Miss Li Konzerts, welches damals durch die anwesende Tontechnik völlig verhunzt wurde. Es war einfach nur unerträglich laut und dazu noch ziemliche Idioten im Publikum. Kein Vergleich zu dem Konzert im Frannz Club zuvor.
Also habe ich an diesem Abend zwei große Chancen - zum Einen mein Lido-Trauma zu überwinden und zum Anderen eine interessante Neuentdeckung zu machen. Im Lido versammelten sich um neun Uhr vielleicht an die 80 Interessierten. Das ist so weit in Ordnung, da es in Berlin nicht leicht ist ein Publikum für unbekanntere Bands zu mobilisieren. An den Seiten der Halle sitzt ein Großteil des Publikums auf Barhockern oder kleinen Podesten. Ich ergattere mit meiner Begleitung zwei Kinosessel. Der Rest des Publikums setzt sich in der ordentlich geheizten Halle auf den harten Boden. Zu Anfang sollte die Musikdoku Backyard gezeigt werden. Dieses Mal tritt eine Organisatorin ans Mikrofon und verkündet, dass die notwendige DVD wohl verschollen ist. Die DVD von „Árstíðir:You just have to know of me“ ist aber wohl auffindbar - und so erleben wir eine Dokumentation über die nachfolgende isländischen Band Árstíðir. Auf mich wirkt das so als würde ich im Kino vor dem Film ein „Making Of“ ansehen. Interessant - kostet aber für mich Atmosphäre. Der Film besteht aus kurzen Interviewhäppchen der Band und Liveauftritten. Für mich eher ein einstündiger Werbeclip - schön gemacht aber auch nichts sagend. Ich und die anderen Anwesenden applaudieren am Ende artig, bei mir aus Höflichkeit der anwesenden Regisseurin geschuldet.
Es ist der erste Auftritt der Band Árstíðir in Berlin. Das ist erstaunlich, da Berlin oft als erste Anlaufstelle für aufstrebende Bands aus dem Ausland gilt - zumindest ist das mein Glaube. Die Band betritt unspektakulär in voller Stärke die Bühne - das bedeutet sechs Bandmitglieder - allesamt attraktive Männer im besten Alter zwischen Ende 20 und Anfang 30. Ich hätte sie jünger geschätzt - vielleicht ist es der gesunden Luft Islands geschuldet.Das erste Lied beginnt - direkt in Landessprache. Die wuchtige Tiefe der Musik ist von Anfang an spürbar - wird aber noch gesteigert sobald die drei Gitarristen gemeinsam singen. Árstíðir setzen auf Akustikinstrumente - bis auf das E-Piano, welches ein wenig das Gesamtbild stört. Dennoch - singen können die Herren und so spielen sie mit ihren Stimmen - mal solo oder bis zu sechst. So variationsreich wie die Stimmen zum Einsatz kommen, so vielfältig werden auch die Instrumente in die allesamt schönen bis wunderschönen Melodien eingebunden. Ich bin verzückt - zwischendurch neige ich - geblendet durch die teils übersteigerte Lichtshow - die Augen zu verschließen und kann mich dann noch mehr von der Musik aufsaugen lassen. Nur eine rote Tischleuchte dekoriert die Bühne - und so kommt in der doch recht tristen Halle ein wenig Wohnzimmeratmosphäre auf. Das sind auch die Orte an denen sich Árstíðir besonders wohlfühlen - die Wohnzimmer und kleinen Cafes und Kneipen ihrer Heimat. Mit Freunden und Familien gemeinsam musizieren.
Das Publikum lauschte andächtig und für Berliner Verhältnisse angenehm ruhig. Niemand verließ das Konzert vorzeitig. Drei Gitarren, ein Cello, Piano und eine Violine und sechs miteinander harmonisch klingende Stimmen. Immer wieder kamen mir Crosby, Stills, Nash & Young in den Sinn und das nicht, weil die Musik altbacken und überholt klingt, sondern ganz im Gegenteil - schöne Folkmusik mit erfrischend charmanten Untertönen. Etwas was First Aid Kit schon seit einiger Zeit auf den Bühnen der Welt erfolgreich etablieren. Schöne Melodien mit ausdrucksstarken Stimmen und ohne viel Effekthascherei. Im Verlauf des Konzerts gesellte sich noch eine weitere Violine auf die Bühne - ein Freund der Band studiert in Berlin. Die sechs jungen Männer verzaubern und betören ihr Publikum, dass es mit viel Applaus dankt. Ganz besondere Momente sind die bei denen isländische Volksweisen a capella vorgetragen werden. Sie öffnen die Herzen der Zuhörer. Die übertriebenen Lichteffekte können das Gesamtbild nicht nicht wirklich stören - schaffen aber unnötige Unruhe. Gott sei Dank versucht nicht die Band dem nachzueifern und ihre Musik in Hektik und Unruhe münden zu lassen. Árstíðir spielen und genießen das sichtlich. Immer mal wieder werden kleine Geschichten erzählt. Die Halle ist für die Anwesenden eigentlich ein wenig zu groß und dennoch sitzen alle beisammen - auf den Sesseln oder auf dem Boden.Es gibt mehrere Zugaben und irgendwie möchte man die Jungs nicht gehen lassen. Zu schön ist diese Reise in die Welt nach der wir uns alle sehnen. In der die Gemeinschaft das höchste Gut ist. Nein - keine Sorge - wir haben keine neue Kelly Family zu erwarten, sondern etwas viel Schöneres. Nach dem Konzert strömen noch viele zum Merchandising-Stand - so auch ich. Eine geballte und für mich unvorbereitete Charme-Offensive der kompletten Band, lässt mich noch gemeinsame Fotos mit ihnen machen und ich merke, wie ich und alle Anderen aus dem Schwärmen nicht mehr herauskommen.Es beruhigt unheimlich, dass Árstíðir Ende des Jahres eine Deutschlandtour planen. Eine Band, die man live erlebt haben sollte. Vielen Dank an die Organisatoren des Festivals für diesen Glücksgriff. Ich hätte mich gefreut, wenn sich die Verantwortlichen ein wenig mehr zu erkennen gegeben hätten. Für dieses Festival braucht man sich nicht zu verstecken. Ich freue mich auf das kommende Jahr und hoffe auf eine Wiederholung.
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1 Kommentare :
Schönen Dank für diesen warmherzigen Bericht! Ein bisschen ist hier lesen wie Mäuschen beim Konzert spielen.
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