Mittwoch, 11. April 2012

Molly Nilsson, Paris, 10.04.12


Konzert: Molly Nilsson
Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 10.04.12
Zuschauer: viele! fast 150
Konzertdauer: etwa 45-50 Minuten


Ja haben wir hier etwa schon die neue Lana del Rey gesehen? Werden die Hypes nun immer schneller und kurzlebiger?


Ob es überhaupt zu einem Hype um die Schwedin Molly Nilsson kommen wird, weiß ich nicht, Fakt ist aber, daß ich im Espace B noch nie so viele Leute gesehen habe. Die Veranstalter hatten in den vergangen Jahren immer massive Probleme, den Laden voll zu bekommen, obwohl hier Top-Acts wie Woodpigeon und Nina Nastasia angetreten sind, die dann vor 30 Leuten performten.

Heute war alles anders. Als ich gegen 22 Uhr 45 ankam (ich war vorher essen), erwartete mich eine regelrechte Traube von Leuten, die draußen vor der Türe rauchten. Die ersten zwei Bands waren gerade mit ihren Sets fertig geworden und nun wartete jeder auf den Auftritt der wasserstoffblonden Schwedin Molly Nilsson. Ich kämpfte mich an den Leuten vorbei nach vorne und schaffte es, in die erste Reihe zu kommen. Dicht gedrängt stand ich nun da und hatte kaum Luft zum Atmen. Der Publikumserfolg freute mich für die Organisatoren, das Problem war aber, daß im Publikum ein paar Sackratten waren. Die zwei größten Sackratten standen direkt hinter mir. Schon kurz nachdem es losging, nervte das Mädchen im meinem Windschatten und laberte mich zu, wie ich meine Fotos zu schießen hätte. Aber es wurde noch übler. Mit dem Konzert ging die Tanzerei los und da ein Kerl vor mir ausladend rumhüpfte, musste ich immer ein Stück zurückweichen. Folge dessen war, daß mein Hintermann mir sein Bierglas mehrfach absichtlich in den Rücken rammte. Ich drehte mich um und er sagte mir, ich solle mich ja nicht mehr zurückbewegen, sonst setze es was. Ein herrliches Ambiente! Es ist schon seltsam, Agressionen dieser Art kommen zum Glück sehr selten vor, aber immer passiert es bei Elektrop Pop Konzerten, daß sich Leute halbstark gebärden. Das letzte Mal war das bei einem Auftritt von Hot Cip so. Synthetische Musik zieht also zum Teil richtige Mistkäfer an, die ich bei Folkkonzerten noch nie angetroffen habe.

Wie auch immer, ich sagte mir: der Klügere gibt nach und stellte mich einfach weiter nach links. Nun sah ich zwar schlechter, hatte aber meine Ruhe. Was unterdessen vorne auf der Bühne passierte? Nun, die (falsche?) Blondine Molly hatte zunächst Probleme mit ihrer CD, die als Band (!) fungierte. Das Scheibchen hing und eierte und musste durch ein Duplikat ersetzt werden, das dann tadellos lief. Molly Nillson hatte keine Musiker dabei und spielte auch kein Instrument, also mussten vorher aufgenommene Sequenzen den Hintergundsound bilden. Aus den Boxen drang stark von den 80 er Jahren beeinflusster, dunkler Elektro Pop, über den Molly mit ihrer tiefen und sehr sinnlichen Stimme drübersang. Sie verzog dabei keine Miene, blieb immer ihrer Rolle des kühlen, männermordenden Vamps treu. Eine mysteriöse Erscheinung (eine Kunstfigur?), diese Schwedin! Aber auch eine faszinierende.Von ihr ging ein starkes Charisma, eine starke Anziehungskraft aus, die dazu führte, daß man ständig ihre Mimik, ihre himmlischen blauen Augen, ihre Gestik beobachtete. Sie tanzte auch ein wenig, blieb dabei aber immer irgendwie apathisch und wirkte wie von einem anderen Stern. Im Publikum ging mehr ab, da machten die Leute ziemlich ausladende Bewegungen.


Die gespielten Songs waren catchy und stark retro angehaucht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das Ganze schon zu kennen, mir fiel aber partout keine Referenz aus den 80 er Jahren ein, die so ähnlich klang, obwohl es die sicherlich gibt. Ich dachte auch immer wieder an Lana del Rey, wegen der Kühle und des Hollywood haften, aber auch an Anika und ihren eiskalten Dubstep. Mir gefiel das Ganze ausgezeichnet. Ohne die Lieder vorher gekannt zu haben, begeisterten sie mich auf Anhieb. Absolut den Vogel schoß gegen Ende Skybound ab. Die melancholische Melodie berührte mich so sehr, daß ich einen dicken Klos im Hals hatte. Das schrammte hart an der Kitschgrenze vorbei, traf aber bei mir einen Nerv. Immer wenn die Sängerin den Refrain "Inertia" sang, bekam ich regelrecht Herzklopfen. Ich wollte nicht, daß das Konzert zu Ende ging, ich war plötzlich so ergiffen. Trotzdem war kurze Zeit später Schluß.



Ich stürzte mich auf den Merchandise Stand und erwarb das neue Album History. Es gab auch noch eine andere CD, aber ich war zu geizig, um diese auch noch zu kaufen, Hätte ich es doch gemacht, an History erfreute ich mich heute schon den ganzen Tag!

Also meinen Segen hat Molly Nilsson. Meinetwegen kann sie gerne die neue Lana del Rey werden, zumal Lana ja fast schon wieder out ist (von einer Todgeburt las ich neulich), oder täusche ich mich da?





1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Es ist unhöflich sich ach vorne zu drängeln(anere stehen da halt schon deutlich länger ). Danke für den Bericht über Molly!

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates