Konzert:
PJ Harvey (120 min)
Mammút (40 min)
Kevin Morby (40 min)
Ort: Valshöllin Reykjavík (Iceland Airwaves)
Datum: 6. November 2016
Zuschauer: etwa 1500
Die schönen Fotos sind von Claudia - Vielen Dank!
Ich sprach schon in meinem Bericht über das Björk-Konzert darüber, dass ich etwas unfreiwillig Heroen-Konzerte in Island zu "sammeln" scheine. Für den letzten Tag - und sicher als Finale gedacht - stand für das Airwaves Festival in Reykjavík PJ Harvey als Headliner in dem einzigen großen Venue fest, das am Sonntag bespielt werden würde. Dem Programm konnte man entnehmen, dass man hierfür extra ein Ticket (im wahrsten Wortsinn) erstehen musste, das am Freitag ab 12:00 Uhr ausgegeben würde. Was uns in dem Moment noch nicht so recht klar war, dass dies das Ticket für die gesamte Sonntagsveranstaltung in Valshöllin, einer Sporthalle am Nordrand von Reykjavíks Innenstadt war.
Ich muss zugeben, dass ich mich der Tortur einer fragwürdigen Ticketschlange sicher nicht unterzogen hätte, wenn ich allein in Reykjavík gewesen wäre. Aber zu dritt war es ein bisschen wie ein Klassenausflug und wir kriegten in der Schlange sogar noch den einen oder anderen Konzerttipp für unsere Freitags- und Samstagsplanung. Da wir nicht riskieren wollten, zu weit hinten zu landen, waren wir etwa eine Stunde vor Ticketausgabe da und konnten so immerhin im Vestibül der Harpa auf dem Boden sitzend warten und nachdem es mit der Ausgabe losging, waren wir in etwa 15 min tatsächlich dran. Ich beglückwünschte mich ganz besonders zu dieser Entscheidung, als wir an einem Teil der hinter uns wartenden wirklich endlosen Schlange vorbei gingen um die Harpa mit unseren Tickets in der Hand wieder zu verlassen...
Am Sonntag waren wir alle ein wenig platt vom anspruchsvollen Programm der Tage davor und es regnete den ganzen Tag in Strömen. Es war das blanke Glück, dass für die 35 min Fußweg der Regen etwas nachließ und dann sogar ganz aufhörte, denn zusammen mit dem Wind kann man sich nicht gut vor dem Durchnässen schützen. Kaum angekommen, setzte der Regen auch schon wieder ein und ich bedankte mich noch einmal ganz herzlich bei allen Wetterheiligen, die uns ein bisschen Luft verschafft hatten.
Beim hineingehen verstanden wir auch erst, dass wir ohne die Karten für PJ Harvey für den ganzen Sonntag abgemeldet gewesen wären (außer vom Programm der nicht offiziellen Konzerte natürlich). Die Halle war zu den letzten beiden Songs von RuGI noch sehr locker gefüllt und wir konnten bis ganz nach vorn gehen und auch noch ein wenig auf dem Boden sitzen. Die beiden 14-jährigen jungen Frauen wirkten vor der Kulisse der Halle schon ein wenig falsch platziert. Das anwesende Publikum applaudierte ihnen aber ganz heftig. Der eigentliche Beginn des Konzertabends war dann ein halbstündiges Set von Kevin Morby mit Meg Duffy an der Gitarre, Cyrus Gengras am Bass und seinem ehemaligen The-Babies-Bandkameraden Justin Sullivan an den Drums. Mir war die Musik und das ganze Auftreten viel zu oberflächlich und selbstverliebt und ich fand keine musikalischen Anknüpfungspunkte.
Interessanter erschien mir da die isländische Frauenband Mammút, die in ihrer Heimat Hit an Hit reihen und 2013 immerhin acht Nominierungen in den Icelandic Music Awards hatten. Zu meinem großen Missvergnügen war dies aber ein Konzert, für das Hörschutz dringend nötig war (neben dem Nerven-Konzert das einzige). Das Spektakel veranstalteten Katrína Mogensen (Gesang), Vilborg Ása Dýradóttir am Bass, Alexandra Baldursdóttir (Gitarre) mit den beiden Herren Arnar Pétursson (auch Gitarre) und Andri Bjartur Jakobsson an den Drums. Das war zwar interessant anzusehen, aber irgendwie in der Lautstärke auch zu anstrengend, um es wirklich zu genießen. Insofern war ich eigentlich schon ziemlich hin, bevor PJ Harvey überhaupt die Bühne betraten, zumal es inzwischen so voll geworden war, dass man sich auch in den Pausen nicht mehr setzen konnte, wenn man nicht zertreten oder von stolpernden nach vorne drängenden Isländern mit Bier beschüttet werden wollte.
Wie schön hätte sich das in der ähnlich großen großen Halle der Harpa gemacht, im sitzen und ohne Streß.... Aber es spricht durchaus für die Musik von PJ Harvey und ihren neun Mitmusikern, dass mich die erste Hälfte des Konzertes noch einmal voll elektrisieren konnte und die bange Frage: War es das wert? mit einem klaren JA! zu beantworten ist. Schon der Einzug als Marching-Band war einfach nur mitreißend zu nennen. Sowohl von der Inszenierung als auch von der Musik her. Anschließend war es ein wenig wie beim Kreistraining, denn die Musiker mussten oft ihre Position wechseln und waren grob im Kreis um PJ Harvey angeordnet.
Das mag etwas despektierlich klingen, ist aber nicht so gemeint, denn die große Geste der Musik und der Inszenierung kamen gut bei mir an und es entstand schon der Eindruck, dass hier alle hervorragende Musiker waren und auch voll beteiligt an dem, was als PJ-Harvey-Konzert vielleicht zu sehr auf die dominante Figur im Zentrum konzentriert wäre. Andererseits war es auch wieder richtig, denn sie war in ihrer irgenwie unaufdringlichen Art doch DIE präsente Figur auf der Bühne. Leider wurde mir nach einer Stunde Konzert die Luft im Pulk knapp und ich musste unbedingt zur Seite hinaus. Von da konnte ich immerhin noch einiges auf der Bühne erkennen aber ein ideales Konzerterlebnis sieht natürlich anders aus und schon bald wurde es auch zu vielen anderen zu dicht vorn, sodass auf meinem Seitenplatz die Luft schon wieder zu Sauerstoffarm wurde und ich nach hinten ausweichen musste, noch lange vor den Zugaben. Damit war mein PJ-Harvey-Konzerterlebnis eigentlich zu früh zu Ende. Trotzdem ging ich sehr zufrieden nach Hause mit dem Wissen, ein hautnahes Erlebnis gehabt zu haben, das seinesgleichen sucht.
Setlist:
01: Chain of Keys
02: The Ministry of Defence
03: The Community of Hope
04: The Orange Monkey
05: A Line in the Sand
06: Let England Shake
07: The Words That Maketh Murder
08: The Glorious Land
09: Written on the Forehead
10: To Talk to You
11: Dollar, Dollar
12: The Devil
13: The Wheel
14: The Ministry of Social Affairs
15: 50ft Queenie
16: Down by the Water
17: To Bring You My Love
18: River Anacostia
19: Highway 61 Revisited (Bob Dylan cover, Z)
20: Is This Desire? (Z)
Aus unserem Archiv:
The Babies, Köln, 14.06.13
The Babies, Barcelona, 25.05.13
PJ Harvey, Hilvarenbeek, 24.06.16
PJ Harvey, Paris, 24.02.11
PJ Harvey, Paris, 14.02.11
PJ Harvey, Paris, 16.11.07
2 Kommentare :
neid, viel neid auf diese tolle konzertreise!
der drummer bei morby war meines wissens nicht
der the babies schlagwerker justin sullivan.
der sieht anders aus. bei uns spielte auch dieser
noch sehr junge bursche mit brille.
(hoffe, ich irre mich nicht.)
auch die kritik an morbys songs kann ich nur
schwerlich so stehen lassen...
;-)
Zum Glück sind ja die Geschmäcker verschieden, Eike! Und Christoph hat mich auch etwas verstört angesehen, als ich ihm gesagt habe, ich hätte das eher so naja gefunden...
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