Konzert: Kate Tempest
Ort: Kex Hostel & Gamla Bió, Reykjavik (Iceland Airwaves Festival)
Datum: 04. & 05.11.2016
Dauer: gut 25 & gut 40 min
Zuschauer: jeweils volle Häuser (200 / 750)
Heute morgen um 4:18 Uhr stand ich an einer Fußgänger-Ampel in Reykjavik und war auf dem Weg zum Shuttle-Bus zum anderen Shuttle-Bus zum Flughafen. 4:18 Uhr. Auch Gemma, Esther, Alicia, Pete, Bradley und zwei andere Londoner sind um diese Zeit wach, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Esther ist Krankenschwester und kommt vom Dienst, Pete wohnt wieder bei seinem Vater und bringt seine Geld mit Alkohol durch, Alicia träumt von ihrem toten Partner. Pete, Gemma und die anderen sind die Hauptdarsteller des neuen Albums von Kate Tempest.
Ich hatte die Londoner Schriftstellerin und Musikerin 2014 beim tollen Weekend-Fest in Köln gesehen, das Konzert war atemberaubend! Auf dem Iceland Airwaves spielte die Rapperin zwei Shows, die offizielle am Samstag im Gamla Bió, dem alten Opernhaus und eine als Teil des Off-Programms im Kex Hostel, das vom Sender KEXP (Seattle) übertragen wurde.
Im Kex war es knallvoll. Weil ich das befürchtet hatte, war ich sehr früh da. Auch wenn das Zeit für eine kluge Platzwahl ließ, stand kurz vor Beginn um halb neun zielsicher die größte Deppin im Saal (eine angetrunkene Britin) vor mir. An den falschen Stellen lachen und klatschen, ist selten so unpassend wie bei Kate Tempests Texten; nach 100 Selfies bei Europe is lost begeistert zu johlen, ist absurd.
Kate Tempest, ihre Keyboarderin, ihr Schlagzeuger und ihr Keyboarder wurden von KEXP anmoderiert. Kate stellte ihre Band vor und machte dann klar, daß sie die ersten 25 Minuten ihres Albums spielen würde. Und so war das. Kate Tempests Texte sind eindrucksvoll. Ihre Darbietung, teils als Text, wie bei einem Poetry Slam, dann gerappt oder gesungen mit Band, atemberaubend! Wie merkt sich die Künstlerin die Texte? In 25 Minuten kann man eine ganze Menge vortragen. Natürlich kann ich Let them eat chaos nicht auswendig, mir fiel daher nur eine Abweichung auf: Kate rappte fuck-frei, es wurden f***s daraus, das amerikanische Radio übertrug schließlich.
Wir kamen in der knappen halben Stunde bis zu Pete und dem Sturm, der über der Straße ausbricht. Wie die Geschichte ausgehe, könnten wir auf ihrer Platte weiterhören. Oder am Tag danach in der Oper.
Setlist Kate Tempest, Kex Hostel, Reykjavik:
01: Picture a vacuum
02: Lionmouth door knocker
03: Ketamine for breakfast
04: Europe is lost
05: We die
06: Whoops
07: Brews
08: Don't fall in
Im Hauptkonzert im Gamla Bió trat Kate Tempest vor wiederum ausverkauftem Haus auf. Sie hatte diesmal 40 Minuten Zeit, konnte also mehr von der Geschichte der sieben Londoner erzählen. Allerdings reichte auch das nicht fürs ganze Album - also die ganze Geschichte, die Platte ist schließlich ein vertontes Buch. Die Poetin ließ We die weg - und auch später Grubby, erzählte die Story aber fertig.
Es ist vielleicht etwas weit hergeholt, mich erinnerte Kate Tempest wieder einmal sehr an Anne Clark. Die ältere Britin ist vielleicht poetischer und sicher weniger wütend, ihr Stil ist Wave nicht Rap. Aber der Sprechgesang, die Geschichten, das ist gar nicht so weit auseinander. Daß ich Morgen nach dem zweiten Konzert unbewußt Hope Road von Anne Clark im Ohr hatte, machte mir den Zusammenhang wieder deutlich. Allerdings endet Anne Clarks Straßenlied trotz des Titels anders ("there is no Hope Road"), Kate Tempests Straßenalbum läßt die zumindest zu.
Intensiv ist eines dieser ekligen Worte, die man viel zu oft in Konzertkritiken liest. Mir fällt aber kein besseres ein, die Stimmung eines Kate Tempest-Konzerts zu beschreiben.
Setlist Kate Tempest, Gamla Bió, Reykjavik:
01: Picture a vacuum
02: Lionmouth door knocker
03: Ketamine for breakfast
04: Europe is lost
05: Whoops
06: Brews
07: Don't fall in
08: Pictures on a screen
09: Perfect coffee
10: Breaks
11: Tunnel vision
Links:
- aus unserem Archiv:
- Kate Tempest, Düsseldorf, 29.10.16
- Kate Tempest, Mannheim, 03.06.16
- Kate Tempest, Köln, 28.11.14
- alle Berichte vom Iceland Airwaves 16
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