Konzert: PJ Harvey
Ort: Down the Rabbit Hole Festival
Datum: 24.06.2016
Dauer: 80min.
Zuschauer: 10.000
PJ Harvey ist nicht für endloses Touren bekannt. Fünf Jahre nach der letzten längeren Tournee spielt sie jetzt einige Konzerte und Festivals in Europa. Beim "Down the Rabbit Hole" Festival trat sie am Freitag als Headliner auf.
Die Bühne ist bereitet, und sie ist riesig. Neun weitere (männliche) Musiker marschieren ein, und das ist wörtlich zu nehmen. Von rechts kommend, mit Trommeln, Pauken, Gitarren und Saxophonen im Anschlag formen sie das Bild einer Militärband. PJ Harvey steht dazwischen, wirkt zierlich und sieht fantastisch aus. Sie trägt ein längeres, schwarze Oberteil und einen sehr kurzen, schwarzen Minirock.
Ihre Bewegungen sind fließend, sie macht ausladende Bewegungen mit den Armen und tänzelt wie in Zeitlupe über die Bühne bevor sie wieder zum Saxophon greift und der Sound einem völlig den Atem nimmt. Alle Instrumente sind gedoppelt: Zwei Schlagzeuger, zwei Gitarren, zwei Keyboards und zwei Saxophone sorgen für einen tiefen, bedrohlichen und rumpelnden Sound den man so vielleicht noch nie gehört hat.
Nur PJ`s Stimme steht alleine für sich und klingt brillant. Nach "Chain of Keys" folgen zunächst weitere Stücke vom neuen Album und wer dieses, vielleicht wie ich, auf CD etwas sperrig und unrund fand wird live mehr als entschädigt. Zwar ist es eine durch und durch perfekt geplante Show, jeder Einsatz und jedes Solo sind fester Bestandteil der Aufführung, die manchmal fast wie das klassisches Bühnenstück einer modernen Oper wirkt. Trotzdem ist dies alles kein Nachteil.
Es gibt soviel zu sehen, so tolle, druckvolle Versionen der neuen Songs das es fast zu viel wird. Dazu ein Bühnenbild, zu deuten entweder als dreidimensionales Kunstwerk oder als symbolische Schießscharten, passend zu den aufwühlenden Texten über den Status Quo in England. Und dann kommt der Punkt, wo diese Show eben doch noch ihren spontanen Moment erhält.
Aufgewühlt vom "Brexit" trägt PJ ein Gedicht des Autors John Donne aus dem Jahr 1624 vor:
"No man is an island, Entire of itself, Every man is a piece of the continent, A part of the main.
If a clod be washed away by the sea, Europe is the less.
As well as if a promontory were.
As well as if a manor of thy friend's Or of thine own were:
Any man's death diminishes me, Because I am involved in mankind, And therefore never send to know for whom the bell tolls;
It tolls for thee."
Mehr gibt es an diesem Abend zu diesem Thema wohl nicht zu sagen. Es folgen die drei stärksten Songs aus "Let England Shake" bevor weitere neue Songs folgen.
Die Band ist einfach nur brillant, sogar Blues und Bluegrass sind hörbar und immer wieder diese tiefen Tenorsaxophone die wie Sirenen durch die Songs grooven. Am Ende dann noch fast ein Punksong, das uralte "50th Queenie", damals im alten Huxleys in Berlin 1992 zum ersten Mal gespielt.
"Down the Water", hier eher in einer schwächeren Version, das immer tolle "To bring you my love" sowie eine einmalige Interpretation von "River Anacostia" beenden einen denkwürdigen Abend.
Die künstlerische Klasse des gesamten Vortrags war in jeder Sekunde spürbar und machten diesen Festivalauftritt zu einem kompletten Konzertersatz. Das ist selten und muss gerade, einen Tag vor dem wichtigen Glastonbury-Auftritt besonders gelobt werden.
Hoffen wir, dass PJ Harvey weiterhin lieber sparsam mit ihren Liveterminen umgeht um die Spannung und Qualität der einzelnen Gigs weiterhin so hoch zu halten.
Fotos: Michael Graef
0 Kommentare :
Kommentar veröffentlichen