Mittwoch, 29. Juni 2016

Sun Kil Moon, Down the Rabbit Hole Festival, 24.06.2016


Konzert: Sun Kil Moon
Ort: Down the Rabbit Hole Festival
Datum: 24.06.2016
Dauer: 50min
Zuschauer: 600


Sun Kil Moon für ein Festival zu verpflichten ist ja schon mutig genug. Die "vermeintlich" schlechte Laune von Sänger und Bandleader Mark Kozelek ist legendär. Ihn aber an einem Freitagmittag (die meisten sind noch mit Zeltaufbau und Kaltgetränken beschäftigt) um 15:50 Uhr auf einer Zeltbühne zu platzieren wirkt absurd. 


Die dunkle, traurige und wortgewaltige Musik passt viel mehr zur Nacht als zum Tag. Doch Kozelek hat anscheinend keine Abneigung mehr gegen Tourneen und Festivals, in den letzten Jahren spielt er ja zum Glück häufiger als früher live. 

Fotos und Gerede werden natürlich direkt von der Präsentatorin der Bühne verboten. Kozelek erscheint, gewohnt hemdsärmelig und beginnt gleich mit dem ersten Zehnminüter. "Somehow the Wonder of Life Prevails", dem einzigen Song heute, der nicht von den letzten drei Platten stammen sollte.

Der Set beginnt also mit dem langsamsten Stück, für einen guten Aufbau sinnvoll, aber zu der oben genannten Uhrzeit eine Geduldsprobe. Kozelek mahnt sofort wieder zur Ruhe, er wolle etwas "magisches kreieren", muss dann aber selber lachen und macht einfach weiter. 

So steigert sich der Set weiter, immer mehr kommen die anderen Bandmitglieder ins lautere Spiel, einzelne Eskapaden wie ein Solo oder ähnliches verbieten sich natürlich. Alle Blicke sind immer auf Kozelek gerichtet, der mit seinen Wortlawinen das Ende eines Songs immer mit einer nach unten fallenden Handbewegung ankündigt. 

Die Intensität seiner Stimme ist immer wieder großartig. Diese Art von Sprechgesang für Erwachsene ist einmalig.

Da muss sich selbst ein Schlagzeuger wie Steve Shelley unterordnen, der ja immerhin schon eine halbe Ewigkeit für Sonic Youth trommelt. Waren die Stücke auf Benji ja noch von großer Erzählkunst im kleinen geprägt (einfache, fast banale Geschichten) hat Kozelek im einzigen neuen Song des frühen Tages ein großes Thema mit großen Parolen zu bieten.

"Me We" handelt schon von dem Attentat in Orlando und ist ein wütender Protest gegen die Waffenlobby in Amerika. Auch hier reichen 10 Minuten kaum um die konstanten Reime zu fassen, der Mann hat wirklich viel zu erzählen. 

Dann noch das schönste Stück, eine rockige Version von "Richard Ramirez died today of natural causes". Ein Hit wäre das, wenn es noch Sendungen gäbe, die im Radio solche Musik spielen würden. 

Leider war das neue Album (hier spielt  Justin Broadrick von Godflesh noisige Gitarre zu den Lyrics) nur im letzten Stück präsent, einer tollen Version von "America`s most wanted".

Aber das war ja zu erwarten. Das Einzige was bei einem Sun Kil Moon Konzert zuverlässig ist, ist die Veränderung. Kozelek wird nie mehr ein Künstler werden, der dem Publikum ein "Best of..." oder eine falsches Lächeln schenkt. 

Hier und heute aber überzeugt er als Songschreiber und Performer der es sich leisten kann, die Zuhörer das eine oder andere Mal zu fordern oder zu überfordern. Ein Privileg.

Foto: Michael Graef


 

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