Konzert: Fünf Füße für ein Halleluja
Ort: Kulturzentrum Merlin, Stuttgart
Datum: 07.04.2013
Zuschauer: voll
Dauer: etwa 100 Minuten
Ort: Kulturzentrum Merlin, Stuttgart
Datum: 07.04.2013
Zuschauer: voll
Dauer: etwa 100 Minuten
So
wie der Italo-Western das klassische amerikanische Volksmärchen im spanisch-italienisch-jugoslawischen Sand begrub, sorgten sinnfreie Hau-Drauf-Parodien mit Bud Spencer und
Terence Hill für das Ende dieser harten italienischen Variante. Filme
wie „Vier Fäuste für ein Halleluja“ arbeiteten mit boxenden
Slapstick-Einlagen, wo Corbucci und Leone düstere bleierne Balladen in Wüste
und Schnee schufen.
Die
Blockflöte des Todes, Sven van Thom und Martin „Gotti“
Gottschild, gemeinsam auf Tour als „Fünf Füße für ein
Halleluja“, nehmen bereits im Projektnamen Bezug auf die raufenden
italienischen Unterhaltungsfilme, die in den 70ern mit Spencer und
Hill die deutschen Kinos füllten und längst Kultstatus erreichten.
So wie diese Filme den Italo-Western beendeten, sind die Fünf Füße
für ein Halleluja das Projekt to end all Liedermacher-Comedy.
Das
Konzept, das die drei Berliner Künstler im bestuhlten Kulturzentrum
Merlin auf die Bühne bringen, ist stellenweise urkomisch, während
es in anderen Momenten die Grenzen des guten Geschmacks übertritt,
was dann richtig peinlich wird. Das gehört zwar auch zum Konzept,
ist aber unangenehm. Im ersten Teil des Abends wechseln sich die
Musiker und Autor Gottschild ab, der größtenteils gelungene, lustige
Geschichten zwischen Poetry-Slam und Berliner Literaturkultur
vorliest und Banjo spielt.
Die
Blockflöte des Todes, Pseudonym des einbeinigen (daher der Name des
Projekts) Liedermachers Matthias Schrei, den ich bereits zweimal an
gleicher Stelle als Solokünstler sah, agiert immer am kritischen Rand zwischen
bitterbösem Zynismus und langweiligem Sexismus. Richtige Tabubrüche
sind das dann auch nicht, sondern vielmehr Versuche einfach
gestrickte Songs als solche wirken zu lassen. Den Refrain „Fisten,
fisten, fisten / Mit Salafisten“ lässt Schrei beispielsweise das
ganze Publikum singen, das erstaunlicherweise fast geschlossen folgt.
Ist das nun lustig oder flach? Es ist ein Augenblick, in dem ich mich
frage, was das alles soll, ein Moment, in dem ich darüber nachdenke,
warum ein begnadeter Akkustikgitarrist und begabter Songwriter, der
Glanzleistungen wie das verdammt brillante „Ich hab' nie die FDP gewählt“ vollbrachte oder – im positivsten Sinn – komische Songs wie
„Mädchenhaar“
schrieb, auf die plumpe Provokationsschiene setzen muss. Letztlich
passt aber auch das zur Inszenierung. So betonen alle Musiker heute,
dass ihnen der ständige Sexismus leid täte. Das belegt dann
natürlich, dass all das kalkulierte Satire ist, wie sie von TITANIC
stammen könnte.
Dagegen
weiß Sven van Thom, den ich erst vor wenigen Wochen mit seinem Projekt Machete im Merlin im Vorprogramm von Enno Bunger sah
heute erneut zu überzeugen. Der kleine Sänger mit Krawatte zu schwarzem Hemd zeigt sich als kreativer Kopf, etwa wenn er etwas auf
die Bühne bringt, das er selbst als „Wikipedia-Schlager“
bezeichnet. Dabei sorgt der gebürtige Berliner für großen Beifall
und kollektives Lachen, indem er absichtlich klischeehaft-primitive
Schlagerbeats laufen lässt und einen stupiden Text singt, nur um dann ein
Fremdwort fallen zu lassen, dessen Wikipedia-Artikel er dann
vorliest. Grandios.
Gottschild
hat in dieser ersten Hälfte dann tatsächlich mit seinen Geschichten
die meisten Lacher auf seiner Seite – und das völlig zurecht.
Seine Kurzprosatexte sind gelungen, versetzen einen mental nach Berlin -
und das nicht nur wegen des ausgeprägten Berlinerisch des Autors. Auch eine kommentierte Dia-Show mit teilweise sehr skurrilen Fotos kommt zurecht gut an.
Die
zweite Hälfte des Abends steht dann ganz im Zeichen des
Lese-Musicals Fünf Füße für ein Halleluja, wie die drei es selbst
nennen.
Nur
leicht – wenn auch schön trashig – verkleidet mit peruanischer
Chullo (Blockflöte des Todes) und groben Patronengürtel und
Spielzeugpatronen auf dem Kopf (Gottschild) geben sie Cowboys aus
Schwerin, die nach Berlin ziehen. Hier wird dann alles mögliche
persifliert: Klassische Westernmelodien, Berliner Klischees, das Berghain und
Appassionata, diese Pferdeshow.
Benutzt
man die Suchleiste dieses Blogs, so kann man auf allerhand
Kuriositäten stoßen: Billie Ray Cyrus gehörte bis jetzt nicht
dazu. Dass dieser Tiefpunkt des Mainstream-US-Country-Rocks seit dem heutigen Tage doch
auftaucht, liegt an den Fünf Füßen. Diese wollen, so heißt es in
dem Musical, nicht nur wegen der Pferde unbedingt zur Appassionata,
sondern vielmehr wegen einer angeblichen Perfomance des
Kinderstar-Vaters, der seinen großen, unterträglichen Hit „Achy Breaky Heart“ begleitet mit einer unsichtbaren Panflöte auf dem Rüclen eines Pferdes spielen soll.
Das
ist dann wirklich lustige, gelungene Satire. Kaum wird dieses Lied
angespielt, lacht der ganze Saal. Dass das Musical-Pseudonym des
Künstler-Pseudonyms Blockflöte des Todes - namentlich „Jack the
Feinripper“ - ein auf Tiere mit Down-Syndrom stehender Sodomist ist,
bewirkt hingegen beinahe ein Umkippen der Stimmung.
Die
Zugaben stimmen mich dann jedoch versöhnlich. Van Thom singt seinen
großartigen Song „Polen (Spreewaldwalzer)“,
die Blockflöte spielt einen neuen Titel, der dann wieder beweist,
dass er einer der besten deutschen Liedermacher ist, den ich
sicherlich noch das ein oder andere Mal sehen werde, und Gotschild
liest eine zynisch-pointierte Wintergeschichte. Nicht schlecht.
Stellenweise kann ein Ritt an der Grenze des guten Geschmacks auch
großen Spaß machen. Auf das Wiedersehen mit der Blockflöte des
Todes beim vorzüglichen ChanSong-Festival des Merlins im Oktober bin ich nichtsdestotrotz gespannt. Letztlich unterhalten einen ja auch die Bud Spencer - Filme. Zumindest ein bisschen.
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