Konzert: Indochine
Ort: Parc des Expositions Lorient (Bretagne, Frankreich)
Datum: 29.03.2013
Zuschauer: etwa 5.000
Dauer: 140 Minuten
Bericht von Anja, danke, merci!
Concert complèt – Ausverkauft. Was in deutschenVenues die Konzertvorfreude je nach Lokalität trüben kann, heißt in Frankreich: Platz, Freiraum, Bewegungsfreiheit.
Nach kleiner Parkhauspanne (das Parkhaus schloss um 20 Uhr, um 19.59 Uhr suchten wir noch verzweifelt den Eingang) kamen wir als Konzertprofis pünktlich zum Hauptact als zwei der letzten von ca. 5000 Zuschauern in den Parc des Expositions in Lorient und sicherten uns standardmäßig Plätze links vorne – denn egal wann man kommt, links vorne geht immer.
Schon vor dem Auftritt von Indochine war die Stimmung „énorme“. La-Ola-Wellen rollten unter Jubel von vor der Bühne ohne Unterbrechung bis in die hintersten Sitzreihen durch die Halle.
Typisch war die bunt gemischte Zusammensetzung des Publikums: Viele Fans der ersten Stunde – Männer in Fan-Shirts aus den 80ern und Frauen, die mit ihren mittlerweile 22-jährigen Töchtern den Sänger Nicola anbeteten (mehr zum Thema Hysterie folgt später). Daneben Familienausflügler, die ihren Grundschulsprösslingen eine angemessene musikalische Früherziehung garantieren wollten. Aber auch viele Indochine- Konzertfrischlinge (so wie ich).
Die Stimmung steigerte sich, als gegen 20.40 Uhr das Licht gedimmt wurde und die Black Ouverture begann. Hinter einer Schattenwand betrat die Band die Bühne, so dass zunächst nur die Silhouetten zu sehen waren. Nicht nur für uns ein Anlass zum Fotografieren. Eingeleitet wurde das Konzert mit dem Titelsong der Tour Black City Parade. Das zweite Stück Traffic Girl startete mit einem Knaller – im wahrsten Sinne des Wortes: Konfetti schoss aus Kanonen und regnetet auf das begeisterte Publikum. Hört sich schön an, war es auch. Der Song wurde von einem Video begleitet, in dem ein „traffic girl“ den Verkehr in einer Großstadt regelt.
Auch beim nächsten Lied regnete es Konfetti, diesmal aber nur auf der Leinwand. Die Stimmung steigerte sich weiter wozu Nicola selbst beitrug, indem er das Publikum durch ausladende Armbewegungen animierte. Quelle putain de Bühnenpräsenz! Der Sänger brachte mit jeder seiner Bewegungen die weiblichen Fans mittleren Alters dazu, sich teenageresken Schreianfällen hin zu geben (noch mehr zur Hysterie folgt später). Nicht nur die weiblichen Fans konnte Nicola für sich gewinnen, er eroberte auch die Herzen der stolzen Bretonen, indem er seine Sympathie für die Region betonte und die Toleranz der Menschen in der Bretagne angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Lage lobte. (Er bezog sich dabei auf die landesweiten Proteste gegen die „Homo-Ehe“ in Frankreich.) So sah man im Publikum einige bretonische Flaggen schwingen.
In den nächsten zwei Stunden folgte eine Mischung aus alten und neuen Songs (siehe Setlist unten). Die Zuschauer gingen bei allen Liedern mit; es wurde geklatscht, gesungen und zum Teil frenetisch getanzt. Unterbrochen wurde der Auftritt durch kurze Pausen, wie beim Intro zu Wuppertal, welche die Band zum Umziehen nutzte. Besonders schön war die Ballade J’ai demandé à la lune, bei der das Publikum den Gesangspart fast vollständig übernahm. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Band jeden Zuschauer in ihrem Bann.
Danach hätte man die Zeit nutzen sollen, die Toilette auf zu suchen oder neue Getränke zu beschaffen. (Randbemerkung: In Frankreich scheint man bei Konzerten ganz auf die Musik und weniger auf Kaltgetränke konzentriert zu sein, denn während des Auftritts sah man kaum jemanden trinken.) Das befürchtete 10minütige Medley Black City Club drückte bei uns und einigen anderen Besuchern die Stimmung, besonders die Technopassagen empfand ich als enervierend.
Doch das sollte bald vergessen sein, denn ein unerwarteter Höhepunkt stand bevor: Trois nuits par semaine. Während die Band den Song weiterspielte, kletterte Nicola von der Bühne und machte begleitet von Bodyguards eine Runde durch die Halle. Wir standen direkt am Bühneneingang und waren recht verdattert von der spontanen Aktion. Nicht so die alteingesessenen Groupies (jetzt sind wir beim Thema Hysterie). Eine Publikumsbewegung von rechts nach links erfasste die Halle. 40-50jährige Frauen rannten schreiend aus der Menge und versuchten ihren Star von Nahem zu sehen. Unbeeindruckt von dem schnappte sich Nicola eine der bretonischen Flaggen aus dem Publikum und setze das Lied von den hinteren Rängen aus fort. Auf dem Rückweg zur Bühne wurde das hysterische Schreien noch lauter und noch Minuten später zappelten gestandene Damen wie Teenager und kreischten ihrer besten Freundin (oder Tochter) ihre Endorphine ins Ohr. Erstaunlich, eine solche Hysterie habe ich selbst zuletzt auf dem Konzert der Kelly Family 1995 auf der Loreley erlebt. Dennoch, ich mag es wenn Musiker Publikumsnähe zeigen. Einen krönenden Abschluss fand die Performance in einem kleinen, auf der Bühne gezündetem Feuerwerk, bevor der Song L’aventurier angestimmt wurde. Das Konzert schloss mit Europane (ou le dernier bal).
Zusammenfassen kann man den Abend mit den Kommentaren vieler Besucher, die nach dem Konzert zu hören waren: „C’était énorme!“ und „Putain de concert!“
Indochine- 29/03/13 Lorient - Parc des Expositions
00 Pré intro Trashmen
01 Black Ouverture
02 Black City Parade
03 Traffic Girl
04 Belfast
05 Punishment Park
06 La nuit des fées
07 Memoria
08 Little Dolls
09 Miss Paramount
10 Wuppertal
11 J'ai demandé à la lune
12 Tes yeux noirs
13 College Boy
14 Alice & June
15 Black City Club (Trashmen, Canary Bay, Des fleurs pour Salinger, Paradize, Play Boy, 3ème sexe)
16 Nous demain (rappel)
1 Kommentare :
Ach, auf Indochine hätte ich mal wieder Lust. Auf solche Berichte auch jederzeit!
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