Konzert: Nive Nielsen & The Deer Children
Ort: Studio 672, Köln
Datum: 07.04.2013
Zuschauer: 50 bis 60 (darunter ein Idiot)
Dauer: genau 60 min
Als ich aus dem Stadtgarten kam, hoppelten zwei Kaninchen über einen kleinen Grünstreifen. Auf der abgehetzten Hinfahrt fuhr auf der Autobahn eine Weile ein offenes Cabrio (bei 8° C) neben mir her, Fahrer und Beifahrerin werden morgen Mittelohrentzündungen haben aber hey - es ist jetzt Frühling!
Auch in Südgrönland war es heute mild. In der Region Narssarssuaq lag die sonntägliche Höchsttemperatur bei 12° C, wir hatten also gleiches Wetter, die Grön- und die Rheinländer. Im Studio 672 stand heute mit Nive Nielsen eine der ersten Gruppe auf dem Programm.
Ich hatte vergessen, daß Nive Nielsen und ihre Deer Children heute in Köln Station machen würden, eines meiner sozialen Netzwerke hatte versagt. Bei lastfm hatte ich heute morgen geguckt, ob etwas in Köln stattfände. Nive Nielsen tauchte da bei meinen empfohlenen Konzerten nicht auf. Plattform zwei, Facebook, rettete den Abend. "Liebe Kölner, liebe Münsteraner! Ihr solltet heute bzw. morgen unbedingt diese tolle Musik aus Grönland anhören und -gucken!"
Dummerweise war es da schon kurz vor sieben, und die Website des Stadtgartens, in dessen Keller das Studio 672 liegt, war unerfreulich unpräzise. 20.30 Uhr. War das der Einlass, der Beginn? Gäbe es eine Vorgruppe? So schrecklich schwer ist es doch gar nicht, ein paar grundlegende Informationen auf die eigene Webseite zu stellen. Jedenfalls hätte ich es mir um zwanzig nach sieben fast anders überlegt, weil mir das Risiko, in ein schon laufendes Konzert reinzukommen, zu groß war. Naja, ich bin (Überraschung!) hingefahren, habe einen Parkplatz und eine Karte gefunden und war kurz vor Beginn des vorgruppenlosen Abends im Kellerclub. Hätte ich mich nicht hungrig abgehetzt und auf eine Vorgruppe spekuliert, wäre der Abend ein riesiger Flop gewesen. Als das erste Lied (Room) vorbei war, war er das Gegenteil! Lange habe ich kein so wunderschönes Stück mehr gehört. Für diese drei Minuten hatte sich jede Abhetzerei gelohnt!
Nive Nielsen hatte fünf Begleiter mitgebracht, einen Schlagzeuger, einen Bassisten, einen Keyboarder (der aber auch Autoharp, Glockenspiel, Schlagzeug und Gitarren spielte) und zwei weitere Gitarristen (die als Zweit- und Drittinstrument Banjo bzw. Keyboard und Klarinette spielten). Die enorm sympathische Sängerin wechselte zwischen Gitarre und einer knallroten Ukulele. Manchmal waren vier Gitarren im Einsatz, es war also nicht der ruhige Folkabend, den ich eigentlich erwartet hatte.
Das (teil)bestuhlte Studio, das (haha!) gesetztere Publikum, die nach Rockpalast aussehenden Begleitmusiker und das erste Stück hatten noch auf eine ruhige Veranstaltung hingewiesen. Im Verlaufe des Konzerts dominierten aber durchaus die lauteren Stücke. Sehr oft begannen Lieder leise, steigerten ihre Lautstärke aber nach und nach sehr deutlich. Circumstances, das dritte Stück, ist ein Beispiel dafür. Es wurde richtig krachig gegen Ende und bescherte mir eine (absurd klingende) Assoziation der Musik der Grönländerin. Nives Titel erinnerten mich an Element of Crime mit weiblicher Stimme und ohne Trompete (dafür gab es ab und zu eine Klarinette). Vermutlich braucht man dafür schon arg viel weit hergeholte Phantasie, je mehr Lieder ich live hörte, umso mehr fühlte ich mich bestätigt.
Aber Schluß mit meinen Phantasien.
Es kam zwar keines der Stücke mehr an das am hellsten strahlende Room gleich zu Beginn ran, aber auch das restliche Programm überzeugte mich restlos. Circumstances, Wrong und das erste der beiden auf Grönländisch gesungenen Lieder gefielen mir dabei besonders. Wie dieser Song in Nives Heimatsprache hieß, weiß ich leider nicht mit Gewißheit. Sie sagte seinen Titel nicht an (bei Aqqusernit tat sie das, auch wenn meine aufgeschriebene Version davon abenteuerlich abweicht). Auch ein Blick auf ihren linken Oberarm half leider nicht. Da stand zwar Nives Setlist, ich stand aber zu weit weg, um sie lesen zu können.
Ich stand auch eigentlich wit genug von dem oben erwähnten Idioten in der letzten Reihe weg, der das Konzert seiner Freundin erklärte. Er tat das so laut, daß ich dauernd im rechten Ohr Sachen wie "die Gitarre ist kaputt" hören musste. Es war der Bass, nicht die Gitarre, geschenkt! Er war auch nicht kaputt, ein Kabel war es offenbar. Aber dieses penetrante (und viel zu laute) Kommentieren von Sachen, die jeder sieht, war schrecklich. Ich wette, Kollege Nervensäge ist auch der, der "Telefon" sagt, wenn irgendwo eines klingelt. Vielleicht waren Nive und die Deer Children auch seinetwegen so herrlich laut, genutzt hat es aber wegen der vielen ruhigen Passagen wenig.
Einer der Gitarristen (der mit den Banjo - ich habe nur seinen Nachnamen Petersen verstanden) sagte irgendwann in einer Stimmpause, daß wir ruhig (alle bis auf Ihrwisstschon) und dunkel seien. Er gucke in einen schwarzen Raum. Daraufhin drehte der Techniker etwas Licht im Zuschauerraum an, der Musiker entdeckte eine Discokugel. "Gibt es einen Motor?" - "Elektromotor?" bemühte er sich auf Deutsch. Und der Motor ging an, die Kugel drehte sich. "Fine for a Greenlandic disco song!" - Aqquesernit (der Name ist so toll, daher schreibe ich ihn so oft), bei dem Nive ein Kazoo spielte!
Ich habe mich gestern auf der Rückfahrt im offenen Cabrio gefragt, ob die Ebay-Erfinder, dieses Pez-Figuren sammelnde Paar, auch noch Dinge über ihre Website kaufen und verkaufen. Daß ich das Konzerttagebuch täglich (auch passiv) nutze, hat sich heute mal wieder ausgezahlt. Ohne Gudruns und Olivers Berichte wäre ich vielleicht nie bei Nive Nielsen gelandet- ganz schön doof!
Setlist Nive Nielsen & The Deer Children, Studio 672, Köln:
01: Room
02: Pirate song
03: Circumstances
04: Easily
05: Uulia (?)
06: Dear Leopold
07: Granma
08: Vacuum cleaner killer
09: Done & gone
10: Wrong
11: Rock 'n' roll (for Abner Jay)
12: In my head
13: Aqqusernit
14: Good for you (Z)
Links:
- Nive Nielsen And The Deer Children, Paris, 12.06.12
- Nive Nielsen And The Deer Children, Beverungen, 27.05.12
4 Kommentare :
Vielen Dank für den Bericht. Mir ging es an diesem Sonntagabend umgekehrt: Ich hatte die Qual der Wahl zwischen John Grant, Neve Nielsen und Moddi, zu dem ich letztendlich gegangen bin. Es war auch ein wunderbares Konzert. Schön, hier öfter etwas über die Konzerte zu erfahren, zu denen man es nicht geschafft hat.
ja, nive lohnt. tolles mädel, wunderbare begleitband.
Auch bei mir die Qual der Wahl: Nive, Milk Carton Kids oder, und das ist es letztlich geworden, Dave McGraw & Mandy Fer. Leider verpasse ich Nive jetzt auch noch morgen in Aachen wg. Dienstreise :-(
Der blonde Wuschelkopf an der Gitarre (oberstes Bild rechts) ist Anders Pedersen, sonst bei Giant Sand tätig.
Vielen Dank, Uwe!
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