Konzert: Andy Burrows
Vorband: Nick & The
Roundabouts
Ort: Goldmark's, Stuttgart
Zuschauer: 10 (traurige Wahrheit)
Datum: 02.04.2013
Dauer: Andy Burrows 70 Minuten, Nick & The Roundabouts 30 Minuten
Ort: Goldmark's, Stuttgart
Zuschauer: 10 (traurige Wahrheit)
Datum: 02.04.2013
Dauer: Andy Burrows 70 Minuten, Nick & The Roundabouts 30 Minuten
Bericht und Fotos von Fabian von gefuehlsbetont aus Stuttgart
“Perhaps you can dance,
there is enough space for it.”
Er dreht dem Publikum seinen Rücken
zu, macht keine Ansage, bis vier vertraute Akkorde ertönen und kurz
danach gelöstes Lächeln den Raum füllt. „Sie haben‘s erkannt“,
denke ich, als ich mich kurz umdrehe und ein Pärchen sehe, das eben
jenes Szenario am Besten verdeutlicht, als sie sich glücklich in den
Arm nehmen. Da passiert Routine auf der Bühne und gleichzeitig
Emotionen in der ‚Menge‘, als Andy Burrows seinen pathetischen,
aber leichten Radiohit „Hometown“ spielt. Es ist eines der
letzten Stücke, die heute zehn(!) Leute im Stuttgarter Club
Goldmark’s zu hören bekommen. Nein, das ist kein nachträglicher
Aprilscherz. Es ist auch keins dieser Hautnahkonzerte, die man
manchmal im Radio gewinnen kann. Es ist die traurige Wahrheit, dass
sich am 2. April zehn Leute in einem Club einfinden, um einen
etablierten Indie-Musiker zu erleben, der bereits sein zweites
Soloalbum (Das erste als „I am Arrows“) veröffentlicht hat.
Jetzt stellt sich die Frage, ob man
darüber einfach hinwegsehen kann. „Ist halt so“ oder passiert
eben mal, warum nicht glücklich drüber sein, ich mein, hey, ist
doch ’ne einmalige Gelegenheit, warum weiter drüber nachdenken.
Ich könnte mich über den Rahmen erfreuen und Andy Burrows Musik
doppelt feiern, wenn ich drüber hinwegsehen würde. Mache ich aber
nicht. Denn der intime Rahmen ergab sich schon durch die Tatsache,
das Konzert im Goldmark’s stattfinden zu lassen, dem wohl besten
Club für Konzerte, bei denen man sich mit dem Künstler und maximal
70 Leuten auf einer Ebene bewegt. Der andere Punkt ist die
Fassungslosigkeit über den Umstand, dass ein Musiker wie Andy
Burrows auf eben jener kurzen Deutschland-Tour ausschließlich in
Stuttgart beim Betreten der Bühne auf eine peinlich große Fläche
Fußboden starrt, um kurz bevor er „Because I Know that I can“ am
Keyboard performt die Leute animiert, ihre Barhocker weiter nach vorn
zu bewegen. Jene Aufforderung wird erst vier Songs später erfüllt,
als er jedem(!) Gast ein Bier spendiert. „The cheapest one“, sagt
er und drückt dem Mann an der Abendkasse Geld in die Hand, fragt
nach, ob jeder ein Getränk hat, um dann den Leuten zuzuprosten. Andy
Burrows freut sich, dass die Leute da sind. Mit keiner Silbe erwähnt
er den sicher unangenehmen Zustand einer Band, die vor zehn Leuten
spielen muss. Wie motiviert man sich da als Musiker, der schon
gefühlte dreihundert Mal mit etablierten Indiekapellen wie We are
Scientists, Razorlight oder Smith&Burrows in Deutschland vor
mittelgroßem Publikum spielte? Er ist einfach ein Profi, bezeichnet
das Goldmark’s und die heutigen Gäste als „lovely“ und stellt
sich gekonnt auf die Menge ein. Er findet nur gute Worte zu einem
Abend, den ich den Umständen wegen nicht vergessen werde.
Auch der Support des heutigen Abends,
Nick&the Roundabouts, nimmt’s gelassen. Was soll er auch tun,
außer die Situation mit Humor zu nehmen und seine Lieder zu spielen.
Hätte ich es nicht danach erfahren, wäre ich wohl nie darauf
gekommen, dass Nick Sauter Münchner ist. Kommt aber auch so halb aus
Cardiff und heizt mit ruhigen Countrysongs ein. Um „4-5 Minuten
seines Sets zu füllen“ spielt er zudem „Message in a bottle“
von The Police. Keiner singt mit. „Maybe we can introduce
ourselves!“, schlägt Nick vor, dessen „Roundabouts“ überhaupt
keine Band ist, sondern eine Gedankenkonstruktion, eine Art imaginäre
Band, die ihm Impulse für sein kreatives Tun gibt. Kurz: Sein Kopf!
Oder Alkohol. Es könnte alles sein. Schlecht ist es nicht, er weiß
das Publikum bei Laune zu halten. Mit Mundharmonika und Cajon, die
sein Weggefährte Alex spielt. Doch eine Art Band. Sie teilen sich
brüderlich ein Glas Rotwein, ich nippe am Bier. Verträgt sich. Doch
die Situation geht mir nicht aus dem Kopf.
Liegt’s vielleicht an Lena? Die
spielt zeitgleich im Theaterhaus vor 1600 Leuten. Super Tourauftakt.
Ne, daran liegt’s sicher nicht. Verschwörungstheorien, aus dem
Kopf. Vor dir geschieht Kunst. Kein schmalziger Singer/Songwriter,
der über Leben und Leiden singt, es ist Andy Burrows, der von Haus
aus Schlagzeuger ist. Der hat einfach mal sein komplettes Album
selbst eingespielt, zeigt das heute auch auf der Bühne. Mal an der
Gitarre, mal am Keyboard. Sollte niemanden wundern, dass er das kann.
Mit Tom Smith von den Editors polierte er letztes Jahr kitschige
Weihnachtslieder auf, um sie mit Engelsflügeln zu präsentieren.
Funny looking angels, das schönste Weihnachtsalbum das ich habe.
Damit wurde ich auf den Guten aufmerksam, sein Name steckt ja im
Bandnamen Smith&Burrows gleich drin. Der Typ schrieb Razorlights
größten Hit, klopft bei We are Scientists und ist bester Kumpel von
Dominic Howard, dem Drummer von Muse. Oft sind es eben die Leute im
Hintergrund, die Großes bewegen. Heute steht der große Mann des
Hintergrunds verdient auf eigenen Bühnen, die wohnlich eingerichtet
sind. Wie im Video zu „Hometown“, mit rustikalem Globus und
passenden Stehlampen. Das, was Burrows spielt, ist traurigschöner
und luftiger Gitarrenpop, mit Band ist das Ganze noch viel
dynamischer. Seine Arrangements glänzen, ich brauche nicht mehr
erwähnen, dass er es kann, was er tut. Immer guter Dinge tanzt er
Walzer, passend zum Takt von „Maybe you“. Bekömmlicher Schmerz,
eine Mischung aus Zustandbeschreibung, Gefühl und einer Einstellung,
die sich sehen lassen kann. Er hätte recht, angepisst zu sein.
Nach dem Kracher „Hometown“
flüstert Burrows dem Keyboarder ins Ohr, kurzerhand spielt er
außerplanmäßig das beschwingte „Keep on moving on“. Das ist
Taktik. Als „Hometown“ erklang, zeigt sich das Publikum zum
ersten Mal offen der Band gegenüber, bewegt sich ein bisschen,
stellt den Stuhl mal zur Seite. Andy Burrows sieht das im Augenwinkel
und reagiert gekonnt. Ein Profi, der sein Publikum an die Hand nimmt,
spielt eine schnelle Nummer, statt planmäßig von der Bühne zu
gehen und dann „Keep on moving on“ als Zugabe zu spielen.
Perfekt.
So kommt er danach nur noch für einen
Song auf die Bühne, um ein zartes „Battle for Hearts & Minds“
zu spielen, in ruhiger Begleitung seines Drummers. Burrows
erlebt die Szenerie, die er in seinem Radiohit besingt: „I can see
the ground, I can’t see you, see your hometown, I can’t see you.
Leave the lights on when I go, so I can watch you down below“ –
statt Menschen sieht er Boden einer großen Stadt. Zehn
Menschen repräsentieren die Hometown Stuttgart. Eben jene sieht er
beim Verlassen des Clubs, ein kurzer Strom nach Draußen als das
Licht angeht. Er entlässt zehn Menschen nach knapp über einer
Stunde in die Nacht, aus einer verkrampften Haltung eines Publikums,
das sich wohl weniger wundert, sondern den Spieß zu seinem Gunsten
umdreht.
Denn sicher könnte ich sagen „Mann,
das ist einzigartig! Du warst da in ’ner total intimen Atmosphäre,
du wirst es noch in Jahren erzählen können, wie toll das war und
das so was nie wieder sein wird!“, bloß lässt mich der Zustand
weiter grübeln. Auf der einen Seite kann ich mich, wenn ich ganz
ehrlich bin, nicht über das vielfältige Konzertangebot Stuttgarts
beklagen (obwohl für einige Bands Deutschlands Süden schon in
Frankfurt/Main aufhört), muss aber jenes Clubsterben, so traurig es
auch ist, in einem Punkt bestätigen: Es gibt ein Angebot und zehn
Leute nehmen es wahr. Zehn Leute aus einer Stadt mit weit über einer
halben Million Einwohner, ohne den Großraum zu berücksichtigen. Da
kann ich mich schlecht hinstellen und sagen: „Ja, unser Angebot ist
dürftig, da muss mehr.“ Denn da ist was und keiner geht hin. Ein
Privatkonzert, das meinen neun anderen unbekannten Begleitern am
nächsten Morgen wohl großes Aha im Büro bescheren wird, während
ich nachdenklich in meine Tasse schaue. Vielleicht sollte ich es wie
Andy Burrows sehen.
Setlist Andy Burrows, Stuttgart:
01: Because I Know That I Can
02: Shaking the Colour
03: Company
03: Somebody Calls Your Name
04: Another Picture of You (I
am Arrows)
05: Maybe You
06: Four Seasons In One Day
(Crowded House cover)
07: Light the Night
08: If I Had a Heart
09: Save It For A Rainy Day
(The Jayhawks cover)
10: Pet Air
11: Hometown
12: Keep on Moving On
13: Battle for Hearts &
Minds (I am Arrows) (Z)
1 Kommentare :
10 Leute? Das ist wirklich peinlich!
Wäre ich nicht für ein paar Tage weggefahren, wäre ich Zuschauer Nr. 11 gewesen. :-)
Und wäre ich da gewesen, hätte ich mich während des Konzerts intensiv "fremdgeschämt".
Dass bei Lena 1600 Zuschauer, bei Andy Burrows nur 10 anzutreffen sind, ist bezeichnend für den Musikgeschmack der Stuttgarter. Peinlich!
Auch die Konzertkritiken der Stuttgarter Zeitung/ Nachrichten zeugen nicht immer von Fachverstand
(siehe Kritik des Konzerts von Bloc Party)
"Abwechslungsreiches Konzertangebot"? Das ist wohl relativ zu sehen. Für den Mainstream ist sicher einiges geboten. Was Bands abseits vom Mainstream betrifft, kann Stuttgart mit München /Köln / Hamburg / Zürich (gar nicht zu reden von Berlin) nicht mithalten. Und manche Bands ziehen Heidelberg Stuttgart noch vor.
Echt traurig! End of rant.
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