Konzert: Tonbandgerät
Ort: Ein Wohnzimmer mit Blick über die Stadt, Stuttgart
Datum: 13.04.2013
Zuschauer: etwa 40
Dauer: 60 Minuten
„All die ganzen Jahre“ ist ein würdiger Schlusspunkt eines fantastischen Wohnzimmerkonzerts. Kredenzt wird das Ganze unplugged, alle Saiteninstrumente ausgestöpselt, Jakob, Ole, Sophia und Isa singen gemeinsam. Ein wunderschöner Moment. Dann ist Schluss und der Bernd Begemann & Die Befreiung – Klassiker „Unsere Band ist am Ende“ erschallt vom Band - beziehungsweise iPod. Kann es einen perfekteren Wohnzimmerkonzertabschluss geben?
Die Tour mit Bosse geht noch ein paar Tage; Morgen spielt man im Morgenmagazin.
03: Halbmond
04: Heute ist für immer
05: Mit dieser Welt allein
06: Landebahn
07: Irgendwie anders
08: Auf drei
09: Superman
10: Ozean
11: All die Jahre
Ort: Ein Wohnzimmer mit Blick über die Stadt, Stuttgart
Datum: 13.04.2013
Zuschauer: etwa 40
Dauer: 60 Minuten
„Ich finde es
sehr schön, dass ihr alle eure Smartphones eingesteckt habt und
zuhört. Bei unseren richtigen Konzerten schauen viele nur durch das
Display zu. Ich habe ja nichts dagegen, aber man erlebt es doch ganz
anders.“ Ole Specht grinst,
die Zuschauer lachen, hatte der Tonbandgerät-Sänger zu Beginn des
Konzerts schließlich noch augenzwinkernd angemerkt, man solle den Ton ausstellen,
weil es sonst peinlich sein könnte, wenn es bei einem ruhigen
Wohnzimmerkonzert klingle. Ihm sei nämlich genau das beim zweiten
Auftritt seiner Band in einem Wohnzimmer passiert.
Tonbandgerät
werden riesig. Das hört man ständig, liest man oft und weiß es spätestens,
nachdem man die vier Hamburger live gesehen hat.
Dass meine erste
Konzertbegegnung mit Isa, Sophia, Jakob und Ole ausgerechnet im
Wohnzimmer meiner Freundin am ersten sommerlichen Tag des Jahres stattfinden würde,
hätte ich noch vor zehn Tagen niemals in Erwägung gezogen. Dann
meldete sich ein Freund bei mir, den wiederum ein Bekannter aus Husum
gefragt hatte, ob er nicht spontan ein Wohnzimmerkonzert ausrichten
wolle, was für ihn nicht möglich war, sodass er mich fragte, ob wir
nicht Lust darauf hätten. Innerhalb weniger Minuten sagten wir zu.
Es ist ein frühsommerlicher Samstag. Die Sonne scheint über Stuttgart, im Kessel
steigen die Temperaturen rasch weit über 20C°, auf der Königsstraße
ist die Hölle los, die Parks werden wieder dicht bevölkert.
Auch Tonbandgerät
entspannen sich tagsüber im Schlosspark vom grauen Flair des
Stadtteils Wangen, wo sich das Hotel des Quartetts befindet. Im
kultigen LKA Longhorn, einem der prominentesten Clubs Stuttgart,
spielten die Vier noch am Vorabend ein starkes, elektrisches Set im
Vorprogramm von Bosse, den sie gerade auf dem ersten Drittel seiner
ausgedehnten Deutschland-Tour begleiten. Es ist jener Off-Tag vor dem
Bosse Konzert in Saarbrücken, der das exklusive Konzert in
heimischen Wänden möglich macht.
Gegen 17 Uhr
erreicht der schwarze Mercedes Vito, mit dem die Band unterwegs ist, das Haus der Eltern
meiner Freundin. Das Kennenlernen verläuft entspannt, der Soundcheck
wenig später klingt äußerst vielversprechend. Bevor die ersten
Gäste eintrudeln, unterhält man sich angeregt auf der Terasse.
Um halb neun
beginnt das Konzert, das nunmehr fünfte Wohnzimmerkonzert, das wir
ausrichten. Für Tonbandgerät ist es das sechste und mit „Mal
mich“ beginnt es äußerst stimmig. „Und ich muss sagen /
ich glaub' ich lieb' dich / wenn ich weiß, wie das geht / wenn ich
dann den Takt noch finde / in dem mein Herz für dich schlägt.“
Es
ist das aufrichtige Selbstverständnis einer jungen Band, deren
gesamtes Potential wohl erst in den kommenden Jahren ausgereizt sein
dürfte. Das Debütalbum erscheint erst am Freitag, daran dass es ein
großer Erfolg werden wird, zweifelt bereits nach dem zweiten Lied,
„Hirngespenster“, im
generationsübergreifend bevölkerten Wohnzimmer keiner mehr.
Mit
Stuttgart verbindet die Band, die sich in Norddeutschland in den
letzten Jahren eine überwältigende Fanbase erspielt hat, deutliche
Erinnerungen: Vor fünf Jahren spielte man hier im Jugendhaus West
auf einem kleinen Festival vor nicht mehr Zuschauern als am heutigen
Tag in diesem Wohnzimmer. Auf dem Programm standen damals neben
Tonbandgerät Acts, die heute bundesweit große Hallen füllen; der Stuttgarter
Singer-Songwriter Philipp Poisel und eben Bosse. Mittlerweile bei
einem großen Major-Label unter Vertrag, ist es kurios zu hören, dass
die Band damals - ohne Schlafmöglichkeit zu ihrem ersten Konzert in
Süddeutschland aufbrechend - spontan im Fechtkeller einer schlagenden
Burschenschaft unterkam.
Die
Vorteile, bei einem Majorlabel zu veröffentlichen, zeigen sich schon
bei der Videoproduktion, dem Clip zur zweiten Single „Halbmond“
wollten die Schwestern Isa
(Bass) und Sophia Poppensieker (Gitarre), Jakob Sudau (Schlagzeug)
und Ole Specht (Gesang) gerne ein sommerliches Flair verpassen, was
sie der Plattenfirma kurzerhand mitten im Winter präsentierten, die
sie entgegen der Erwartungen der jungen Musiker - zwischen 22 und 24
Jahren - selbst nach Gran Canaria fliegen ließ, wo neben dem wunderschönen Video in matten Pastellfarben
auch das Albumcover für
„Heute ist für immer“ entstand, welches übrigens in Unterensingen bei Nürtingen - also unweit von Stuttgart - unter den Augen des Produzenten Poisels aufgenommen wurde.
In der ruhigeren Akustikversion entfaltet das extrem eingängige Lied
heute seine Wirkung. Ole spielt dazu Keyboard und Glockenspiel,
verträumte Blicke füllen das Publikum.
„Mit dieser
Welt allein“ und „Landebahn“
fallen qualitativ nicht ab,
bestechen mit norddeutscher Eleganz und punkten mit unaufgeregter
Ehrlichkeit. Hamburger Popmusik ist eben doch besser als
grundsätzlich ähnliche Musik aus dem Süden. Mögen Kritiker mal
Ähnlichkeit mit Sportfreunde Stiller oder gar Pur sehen, liegen sie
doch denkbar falsch: Viel zu unprätentiös sind die Texte, um so
etwas zulässig erscheinen zu lassen, umso viel zu bodenständig
erscheinen die Vier – ohne jegliche Allüren.
Allüren
könnte eine Band, deren erste Single „Irgendwie anders“ auf
Youtube deutlich über eine halbe Millionen Mal angeklickt wurde, die die großen Clubs in der heimatlichen Hansestadt scheinbar mit
links ausverkauft und mit Preisen überhäuft wird, haben, ohne dass sich irgendjemand wundern würde. Die Bodenständigkeit des gesamten Erscheinungsbilds lässt den Abend magisch erscheinen. Veröffentlicht im letzten September begeistert
die genannte Single heute Abend jeden.
Das Video dazu wurde von Freunden der
Musiker in kürzester Zeit auf Sylt gedreht, was Ole so
anekdotenreich erzählt, dass er vor dem Konzert gar nicht hätte
erwähnen müssen, was für ein großer Bernd Begemann – Fan ist.
Der
Sound ist perfekt. Adam, Fahrer, Roadie und Freund der Band, hat hier
ganze Arbeit geleistet. „Auf drei“ ist
ein schönes Stück Popmusik, das Lehramtstudent (Deutsch und
Politik) Ole fast rappt. Sophia ist eine unheimlich filigrane
Akustikgitarristen und das Bassspiel der angehenden Juristin Isa
ist stets tadellos.
„Superman“,
eines der ältesten Stücke des noch jungen Band-Oeuvres – und
eines der schönsten. „Du
bist was du isst, / demnach bin ich nicht interessant / Ich kauf bei
dir mal nur Brötchen / und zahl mit Flaschenpfand.“ Gewidmet
wird es heute den beiden Besuchern, die damals auch im Jugendhaus
West dabei waren und die Tonbandgerät nach dem Bosse-Konzert am
Vortag einluden.
Beim
vorletzten Lied spielt Ole Melodica. „Ihr
bekommt noch einen Song aus dem Norden.“ „Ozean“ ist
für mich einer der angenehmsten Küstensongs, die mir spontan
einfallen. „Wir
sollten da bleiben / Wir sollten da bleiben / Unser Boot ist zwar
kein Schiff / Aber es ist besser“. Alle
Zuschauer singen geschlossen den Refrain mit.
„All die ganzen Jahre“ ist ein würdiger Schlusspunkt eines fantastischen Wohnzimmerkonzerts. Kredenzt wird das Ganze unplugged, alle Saiteninstrumente ausgestöpselt, Jakob, Ole, Sophia und Isa singen gemeinsam. Ein wunderschöner Moment. Dann ist Schluss und der Bernd Begemann & Die Befreiung – Klassiker „Unsere Band ist am Ende“ erschallt vom Band - beziehungsweise iPod. Kann es einen perfekteren Wohnzimmerkonzertabschluss geben?
Dass das Quartett selbst auch Spaß hatte, wie Sophia im Tourblog am nächsten Tag berichtet, macht die Sache für uns noch schöner.
Die Tour mit Bosse geht noch ein paar Tage; Morgen spielt man im Morgenmagazin.
Im November geht
Tonbandgerät auf große Deutschland-Tour; in Stuttgart wird der
Keller Klub bespielt. Und wer weiß, vielleicht gibt es auch
irgendwann einmal ein Wiedersehen bei uns im Wohnzimmer mit den
grundsympathischen Hamburgern.
Setlist, Tonbandgerät, Stuttgart:
01: Mal mich
02: Hirngespenster03: Halbmond
04: Heute ist für immer
05: Mit dieser Welt allein
06: Landebahn
07: Irgendwie anders
08: Auf drei
09: Superman
10: Ozean
11: All die Jahre
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