Freitag, 19. November 2010

The National, Neu-Isenburg, 18.11.10


Konzert: The National
Ort: Hugenottenhalle, Neu-Isenburg
Datum: 18.11.2010
Zuschauer: wohl ausverkauft aber nicht überlaufen
Dauer: The National 95 min, Phosphorescent 45 min


So recht weiß ich mein drittes National-Konzert des Jahres nicht einzuschätzen. Ich hatte mir vorher
vorgenommen, keine Vergleiche zum Sommer anzustellen, als ich die Band so stark gesehen habe, daß man das nicht besser machen kann. Das funktionierte gut, denn obwohl Überraschungen weitestgehend fehlten, mochte ich den Auftritt der um Bläser verstärkten Amerikaner gerne. Trotzdem war das Konzert "nur" gut, die äußeren Umstände ließen nicht mehr zu. Aber der Reihe nach...

Rund um Frankfurt gibt es eine Reihe mittelgroßer Hallen, die für Konzerte genutzt werden, die vom Zuschauerzuspruch zwischen Batschkapp und Jahrhunderhalle liegen. The National sind in dieser
Hallengröße angekommen, weil sie sich mit ihrem fünften Album High Violet immer mehr in den Focus einer größeren Öffentlichkeit gespielt haben. Der Morgenmagazin-Auftritt der Band vor ein paar Wochen hat dazu vermutlich kaum beigetragen, ist aber Symbol für den Bekanntheitssprung (wobei es natürlich einem Ritterschlag gleichkommt, von Cherno Jobatey, der noch nie von ihnen gehört hatte, gelobt zu werden).

Die Hugenottenhalle ist einer dieser Säle für die Übergangszeit im Frankfurter
Umland. Sie liegt in der Innenstadt von Neu-Isenburg und ist mit dem Auto trotzdem schwer erreichbar, weil die Parkkapazitäten eher übersichtlich sind. Der Parkplatz neben der Halle war besetzt, das Parkhaus des Einkaufscenters schließt um 21 Uhr. Also durch Wohngebiete streunen und den Wagen da irgendwo loswerden; ideal ist das natürlich nicht.

Die Halle hat eine achteckige Grundform, von oben sieht der Saal wie ein in die Länge gezogenes Stop-Schild aus. Weil die Bühne an einer der breiten Seiten liegt, ist der Raum bequem und luftig. Daß das zu Lasten des Klangs gehen sollte, merkte ich später erst.

Als ich reinkam, begannen gerade Phosphorescent aus Brooklyn. Wir haben hier
schon über Pariser Auftritte der Indierock-Band berichtet, ich kannte sie nicht, mochte sie aber auch nicht. Die gespielten Lieder waren melodiös-langweilig, die beiden besseren Momente, als es lauter wurde, wirkten aufgesetzt. Ich bin natürlich dankbar für jede namhafte Band, die als Vorgruppe mitgebracht wird, Phosphorescent langweilten dann aber doch zu sehr. Ich würde nicht so weit gehen wie derjenige, der auf ihrer Wikipedia-Seite dies hinterlassen hat: "i steal a whole bunch of crap from other bands, then add my own computer-generated music. im a total fake, and everybody should know" Aber wenn James Blunt Lust auf Rockmusik hat, hört er sicher solche Musik (ich wollte eigentlich nicht mehr über den lästern, seit ich weiß, daß er alleine uns alle vor dem 3. Weltkrieg gerettet hat).

Als es dann wirklich spannend wurde, war der Raum innen zwar voll, wegen seiner Weitläufigkeit an den Seiten aber eher spärlich gefüllt. Die Vorgruppe war furchtbar leise, was The National nicht gut tut, je lauter die live sind, desto besser die Konzerte. Glücklicherweise hatten die Toningenieure aber die Regler vor The National höher gefahren; es fingt mit Runaway gut an. Bei den ersten Stücken gefiel mir der Klang noch. Mich störte da nur die Passivität des Publikums. Mistaken for strangers hatte mir beim Latitude Festival noch Gänsehaut beschert - und einen der besten Konzertmomente, die ich je erlebt habe. Mehrere Tausend Leute, alle singend und schreiend, das war nicht nur ein sehr gutes Lied, das da gespielt wurde, es war viel intensiver, auch wenn das schrecklich platt klingt. Heute war Mistaken for strangers
nicht viel anders als vor dem Fernseher beim Rockpalast, das Lied ist so nicht schlechter, mit dem, wie man The National auch erleben kann, hatte das aber nichts zu tun.

Es war nicht keine Stimmung, das wäre ganz falsch. Hinterher wurde frenetisch
geklatscht. Aber während der Lieder passierte jenseits des Gitters nichts. Und, und das fand ich erstaunlich, die neuen Stücke kamen sehr viel besser an als die Gassenhauer von Alligator oder Boxer!

Neben der Passivität des Publikums kam bei Slow show ein weiteres Problem dazu (zumindest fiel es mir da erstmals auf), die Halle erzeugt Echos! Wenn Trommelschlag und Echo im Takt waren, war das nicht schlimm, bei Slow show und vielen anderen schepperte aber zeitversetzt off beat alles von der hinteren Wand zurück. Das war manches Mal richtig scheußlich, Slow show oder auch Abel hat dieser Effekt versaut.

So fies wie die Echos, so gut sind die Bläsereinsätze. Wenn Posaune und Trompete
einsetzen, gibt das vielen Stücken einen genau richtig dosierten Zusatzreiz. Bei Afraid of everybody zum Beispiel wirkte das besonders gut; ein echter Zugewinn!

Höhepunkte auf der Bühne waren wieder die ekstatischen Stücke wie Abel, Squalor Victoria oder Mr. November, bei denen Sänger Matt Berninger ausrastet, heute allerdings nur stimmlich. Trotz der Stimmung waren alle drei grandios!

Bemerkenswert waren dann noch drei weitere Szenen. Da war zum einen
Lemonworld, keiner meiner unbedingten Lieblinge. Der Sänger, der wieder viel redete und dabei sehr sympathisch war, seine introvertierten Auftritte ohne Publikumsansprache gefielen mir aber trotzdem sehr viel besser, patzte am Ende des Stücks ein wenig, ehrlich gesagt wäre mir das nicht weiter aufgefallen. Er lamentierte danach aber, daß sie das Lied zum ersten Mal gut gespielt hätten, und ausgerechnet dann müsse er das Ende versauen. "We have a hard time playing this song. For the first time it sounded awesome and I messed it up."

Eine herrliche Szene spielte sich zwischen Matt und den Dessner-Zwillingen ab. Irgendwer hatte den Wunsch nach Beautiful head vom Debütalbum The National nach vorne gebrüllt. Matt Berninger beendete das schnell: "I forgot it!" Sie würden das Stück nicht spielen. Lieder von den ersten beiden Platten sind ja eh große Ausnahme live. Einer der Dessners antwortete: "I know it...!"

Und dann wollte er im Zugabenteil bei Mr. November ins Publikum. In Köln hatte er diese Stelle auch für einen Ausflug genutzt. Allerdings versuchte er es rechts über eine Treppe, die vollkommen zugebaut war und blieb oben. Ausflug verschoben! Erst beim nächsten Lied (Terrible love), kletterte der Sänger
vorne runter und ging durch die Halle.

Beendet wurde das Konzert durch ein akustisches
Vanderlyle crybaby geeks, das wunderschön war, aber ganz ehrlich doch eher zu Bands wie Travis passt. Band toll, Stimmung und Halle mau - aber gut war es natürlich trotzdem. Nur nicht so.

Setlist The National, Hugenottenhalle, Neu-Isenburg:

01: Runaway
02: Anyone's ghost
03: Mistaken for strangers
04: Bloodbuzz Ohio
05: Slow show
06: Squalor Victoria
07: Afraid of everyone
08: Conversation 16
09: Little faith
10: Apartment story
11: Lemonworld
12: Abel
13: Daughters of the Soho riots
14: England
15: Fake empire

16: Sorrow (Z)
17: Mr. November (Z)
18: Terrible love (Z)
19: Vanderlyle crybaby geeks (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- The National, Wien, 18.08.10
- The National, Haldern, 14.08.10
- The National, Latitude-Festival, 16.07.10
- The National, Paris, 07.05.10
- The National, Haldern, 09.08.08
- The National, Montreux, 16.07.08
- The National, Köln, 27.11.07
- The National, Paris, 14.11.07

- mehr Fotos aus Neu-Isenburg



8 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Das klingt aber alles nur mittelmäßig prickelnd...

Anonym hat gesagt…

Ich fand's geil!! Ich stand aber auch in der ersten Reihe und war total hin und weg. Die Hugenottenhalle ist leider dafür bekannt, dass die Acoustic dort sehr schlecht ist. Ich hatte mir irgendwann mal gesagt, dort nicht mehr hinzugehen. War dann aber froh, dass ich gestern dort war. Was soll man auch tun, wenn sie nur dort im Frankfurter Raum spielen. Also habe ich schon vorher gewusst, was in Sachen Halle auf mich zukommt und bin immer noch schlicht hin und weg von Matt und den anderen.

Felse hat gesagt…

Hi, haben uns ja gestern abend schon nachem Konzert unterhalten. Sehe The National auch als Band, die unter freiem Himmel im dunkeln ihre wahre Pracht entfalten kann. Ich erinnere an das erste Haldern von ihnen. War schon gut gestern aber hinten mittig kam überhaupt keine Stimmung auf. Bin dann weiter zurück damit ich Platz hatte die Musik entfalten zu lassen. Da wars dann geil. War auch für mich alleine da...

Spielerisch wars richtig gut. Songauswahl hat auch gepasst. Auch wenn Start A War fehlte. Was mir doch auf den Zeiger ging: das mitklatschen (angetrieben von der Band) und die für mich zu lauten Posaunen. "Meckern" auf hohem Niveau.

Kann es sein, dass Matt nicht so viel getrunken hat wie sonst???

Gruss und bis zu Arcade Fire
Felse

Julius hat gesagt…

Ich glaub auch, dass National unter freiem Himmel einfach noch viel besser sind.
Recht glücklich schaut der Matt da beim ZDF nicht gerade aus :)

markus hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
markus hat gesagt…

Ich hab mir am 19.11. die Show im Atelier in Luxemburg angesehen. Das Konzert war solide (aber auch nicht wirklich umwerfend). Am Publikum lag's hier zumindest nicht, die Halle war komplett ausverkauft und die Zuschauer fast schon ein bißchen zu aufgedreht. Das Konzert von The National wirkte irgendwie allzu routiniert (um nicht zu sagen komplett einstudiert - inklusive einiger Kalauer von Matt Berninger und den Dessners und dem obligatorischen Ausflug von Matt ins Publikum).

Meckern auf hohem Niveau? Vielleicht, aber ich hatte mir am Abend zuvor im kleinen Rahmen gerade Giardini di Mirò angesehen und deren Performance war absolute Spitze.

Falls es jemand interessiert, hier noch die komplette Setlist von The National:

01 - Runaway
02 - Anyone's Ghost
03 - Mistaken For Strangers
04 - Bloodbuzz Ohio
05 - Slow Show
06 - 29 Years
07 - Squalor Victoria
08 - Afraid Of Everyone
09 - Conversation 16
10 - Available
11 - Cardinal Song
12 - Apartment Story
13 - Lemonworld
14 - Abel
15 - Daughters Of The SoHo Riots
16 - England
17 - Fake Empire
==
18 - Sorrow
19 - Mr. November
20 - Terrible Love
21 - Vanderlyle Crybaby Geeks

Prinzheinrich hat gesagt…

Du hättest die HuHa mal vor der neuen PA hören sollen. Das Parkhaus bleibt übrigens offen, bis die letzten konzertbesucher gegangen sind. Das steht leider nicht auf dem Schild. Ich habe den Namen des Trompeters nicht verstanden. Kann mir da jemand helfen?

Anonym hat gesagt…

Dies war mein erstes Konzert von National. Eindrücke: Halle fand ich von der Größe her genau richtig, Sound könnte besser sein, aber okay. Stimmung habe ich woanders auch schon euphorischer erlebt, hatte ich bei dieser Art Musik aber auch nicht wirklich erwartet (war zuletzt bei den Arctic Monkeys, da gehts natürlich anders ab).
Was offenbar langjährigen Fans allzu bekannt ist, hat mich dagegen ziemlich irritiert: dass Matt Berninger schon ziemlich breit auf die Bühne kommt und man zwischendurch und vor allem gegen Ende Angst hat, er fällt auf die Schnauze. Hat er Bühnenangst oder ist er Alki? Ich fand die Atmosphäre trotzdem ganz schön und die Sachen von der High Violet kamen gut rüber (bin eher Fan von Alligator und Boxer). Insgesamt: schöner Gig, der das gehalten hat, was ich mir erhofft hatte.

 

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