Konzert: Twin Sister & Johnny Flynn (Idiot Glee, The New Wine)
Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 26.11.2010
Zuschauer: mittlerer Andrang
Konzertdauer: Twin Sister etwa 45 Minuten
Die Konzertbloggerei macht so langsam einen kauzigen Typen aus mir. Am Freitag zum Beispiel. Diego Zavatarelli, argentischer Gitarrenlehrer mit Wohnsitz Paris, gab meiner Frau eine Übungsstunde im heimischen Wohnzimmer. Um die beiden nicht zu stören und weil ich auch noch einen Konzertbericht schreiben wollte, bin ich noch nicht einmal aus meinem Arbeitszimmer gekrochen gekommen, um ihm "Guten Tag" zu sagen. Das war ja noch vertretbar, schließlich soll er ja keine Schwätzchen mit mir halten, sondern meiner Süßen beibringen, wie man richtig an den Saiten zupft. Dann aber war die Übungstunde vorbei und man rief mich hinzu, um gemeinsam eine Tasse Tee zu trinken. Ich nippte kurz an dem Heißgetränk, lief dann aber zurück an meinen Computer, weil ich noch Bilder hochladen und beschriften musste. Alles für das Konzerttagebuch versteht sich. Eigentlich wollte ich damit bis zum Abend durch sein. Ich brach den Vorgang aber ab, weil ich keine Egoist sein wollte und gesellte mich wieder zu Diego und meiner Frau. Während wir uns unterhielten, guckte ich permanent nervös auf meine Uhr, weil ich logischerweise schon wieder auf dem Sprung zu einem neuen Konzert war. Diego (rechts auf einem Foto mit SuperBravo) hatte aber Lust mit mir zu kommunizieren und so plauderten wir noch eine Weile weiter. Irgendwann würgte ich ihn aber ab (bildlich gesprochen versteht sich, der gute Kerl lebt noch!) und sagte, daß ich jetzt unbedingt los müsse. Er verabschiedete sich ungläubig guckend und kopfschüttelnd von mir und ich raste Richtung U-Bahn. Durch den Plausch hatte ich mich etwa um 20 Minuten verspätet. Zeit, die mir fehlte, um mehr von dem Konzert von Johnny Flynn zu genießen, daß in der von mir aus weit entfernten Flèche d'or bereits begonnen hatte.
Als ich gerade die Eingangstür passiert hatte, stoppte mich meine Konzertfreundin Michela. Sie ist Fotografin und kommt aus Rom. Auf das Konzert, das drinnen lief hatte sie nicht viel Bock und außerdam wollte sie jetzt mit mir plaudern. "Komm mit, ich möchte, daß Du mir draußen Gesellschaft leistet." Geht nicht, sagte ich, ich will doch noch das Ende von Johnny Flynn sehen. "Mensch, bist du aber ungemütlich, du siehst doch jeden Tag Konzerte, Oliver!", meinte sie nicht zu Unrecht. Dennoch ließ ich sie stehen und rannte in den Konzertsaal rein. Zum zweiten Mal am heutigen Tage hatte ich das dumme Gefühl, der Bloggerei alles unterzuordnen und mich nicht wirklich sozial zu verhalten. Verflucht!
Nun gut, von dem Auftritt von Johnny Flynn, den der junge Folksänger aus England ganz allein an der Akustikgitarre bestritt, habe ich gerade noch zwei Titel mitbekommen. Trotzdem ist mir sofort aufgefallen, daß in der ersten und zweiten Reihe auschießlich junge Mädchen standen. Frauenquote 100 %. Johnny, der Womanizer! Oder stehen jetzt die ganzen pubertierenden Mädels auf Folkmusik und sind nur deshalb zu Herrn Flynn gekommen? Wohl kaum, denn wenn ein Damien Jurado (ein etwas pfundiger Bursche) auf der Akustischen kratzt, sieht man nur alte Männer mit Bärten im Publikum. Hmm. Unfair! An Johnnys Stelle würden mich diese lustmolchigen Groupies aber eher abtörnen. Erinnert mich nämlich an meine Schulzeit, als ein Mädchen aus meiner Klasse mir morgens den Weg zum Schulbus versperrte. Sie saß auf einer Treppe und wartete auf mich, um mir zu sagen, daß sie total auf mich abfährt. Ich wäre damals am liebsten im Erdboden versunken! Dennoch habe ich die Situation ausgenutzt, um ihr im Wald ein paar Zungenküsse zu verpassen. Danach habe ich sie aber selbstverständlich abgeschossen...
Kommen wir zu Twin Sister aus New York, die als nächste Band anstand. Die gefielen mir auf Anhieb außerordentlich gut. Also ich meine, die brünette Sängerin mit den Rehaugen gefiel mir sofort außerordentlich gut, bei der Musik war ich mir zunächst nicht so sicher. Niedlicher Süßwarenpop ist ja eher nicht so meine Sache. Eigentlich. Bei Twin Sister aber wurde das Ganze mit so vielen Ideen und interessanten Wendungen geboten, daß ich von Lied zu Lied angetaner war. Jeder Song klang anders, mals gab es psychedelische oder shoegazige Anklänge, dann plötzlich 80er Jahre Diskosound und ab und an wurden auch die Gitarren mal ein wenig noisiger. Vor allem aber störte glücklicherweise nie ein Bubblegum-Refrain, der bei so vielen Popbands schnell nervtötend wird.
Auffällig war die Stimme des Gitarristen, der auch ab und zu mitsang. Er klang wie ein Eunuch und als er sich und die Band dem Publikum vorstellte, kicherten einige Leute im Publikum, weil er so hoch sprach. Die Typen in der Band waren mir allerdings weitgehend schnuppe, denn ich glotzte die ganze Zeit nur auf die hübsche Sängerin. Der Süßen wurde es gegen Ende zu warm und sie ließ ihren schicken blauen Blazer fallen. Nun war der Blick frei auf ein wunderschönes Tattoo, das sie am Arm trug. Ich konnte mich daran kaum sattsehen, hatte von der Glotzerei fast Stielaugen! Leider konnte ich das Bild nicht richtig erkennen, es schien einem Comicstrip zu entstammen.
Insgesamt ein schönes Konzert, das mich auch noch zum Kauf ihrer auf Domino erschienenen Doppel EP (Vampires With Dreaming Kids und Color Your Life ) verleitete. Ich kann die Silberlinge empfehlen, sie liefen jetzt schon ein paar Mal auf meiner Anlage.
Ganz zum Schluß traten dann auch noch The New Wine auf, aber über deren billligen 1980er Jahre- Sound hülle ich lieber den Mantel des Schweigens.
Konzerttermine Johnny Flynn:
29.11.2010: Gebäude 9, Köln
30.11.2010: Atomic Café, München
01.12.2010: Magnet Club, Berlin
02.12.2010: Molotow, Hamburg
Aus unserem Archiv:
Johnny Flynn, Paris, 21.04.10
Johnny Flynn, Paris, 10.11.07
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