Konzert: Tocotronic (& Dillon)
Ort: E-Werk, Köln
Datum: 04.03.2010
Zuschauer: sehr voll
Dauer: Tocotronic gut 90 min, Dillon 30 min
Mit einer Ausnahme kam ich bei jedem meiner bisherigen Tocotronic-Konzerte zu dem Schluß, daß die Hamburger eine exzellente Studioband sind. Mir ging es heute anfangs genauso. Ich mag Schall & Wahn, die neue Platte, sehr gerne, trotzdem sprang der Funke selbst bei großartigen Stücken wie Eure Liebe tötet mich oder Die Folter endet nie, die am Anfang gespielt wurden, so gar nicht auf mich über. Komisch! Als ich schon schulterzuckend "da kannste nix machen" dachte, drehte sich alles, das Konzert packte mich komplett und dauerte glücklicherweise noch lange genug. Am Ende stand ich perplex da, während vom Band das wundervolle Die großen weißen Vögel von Ingrid Caven lief. Unterm Strich ein aufregender Abend mit vielen Lieder, mit denen ich nicht gerechnet hatte.
Aber jetzt der Reihe nach:
So leer wie heute, habe ich die Straßen rund um Palladium und E-Werk wohl noch nie erlebt. Direkt vor den gegenüberliegenden Sälen waren 30 Minuten vor Beginn einige freie Parkplätze. Der Eindruck bestätigte sich im E-Werk dramatisch. Es war enorm leer, allerdings hatte man die Empore geöffnet.
Die heutige Vorgruppe, die ein wenig euphorisch als Special guest angekündigt worden war, wollte ich nicht verpassen, weil ich Dillon vor zwei Jahren einmal im Melt! Klub im Gloria gesehen hatte und danach nicht so recht wußte, wie mir das denn nun gefallen hatte.
Dillon ist eine Band, ein Projekt der ursprünglich aus Köln stammenden Berlinerin Dominique Dillon de Byington. Die Sängerin und Pianistin hatte einen zweiten Musiker dabei, den sie als Leon vorstellte. Gewonnen hatte mich die junge Frau, als sie das E-Werk nach dem ersten Lied begrüßte: "Hallo Köln, hallo Mama!"
Musikalisch ist Dillon nicht ganz leicht einzuordnen. Zu Dominiques meist einhändigem Klavierspiel kamen Beats von Band, sowie Leons unglaublich klar klingende Trommeleien. Aber es könnten auch Flöte, Fagott oder Zither dabei sein, das Außergewöhnliche an dieser Band bliebe trotzdem vor allem die Stimme der Berlinerin, die mit ihrem starken Oszillieren an Kate Bush erinnert. Die zweite, freie Hand nutzte Dillon für gestenreiche Unterstützung ihres Spiels. Sie schlug sie sich aufs Herz, streckte sie, fast, als wäre die Hand ein zusätzliches Instrument.
Die komplexen Stücke der Sängerin sind ohne Zweifel reizvoll. Einige der Lieder gefielen mir sehr gut, allen voran das ausgezeichnete Duett Not together but alone am Schluß des Sets. Einfache Kost, die man mal so nebenher (oder vorher) hört, ist die Musik von Dillon aber sicher nicht. Für den großen Erfolg ist Dominique auch sicher zu verhutschelt. Ich fand charmant, wenn ihre Texte oft nach einer Phantasie-Sprache klangen, sie mit den Händen fuchtelte oder beim ihrer Mutter gewidmeten Dominique die Fassung (und ein paar Tränen) verlor. Aber es war schon speziell. Womit die Euphorie des Veranstalters berechtigt war: Dillon war aus verschiedenen Gründen ein Special guest.
Setlist Dillon, E-Werk, Köln:
01: ?
02: In the dark in the park
03: Ausgabe II
04: Texture of my blood
05: Dominique
06: Your flesh against mine
07: Tiptapping
08: Not together but alone
(vollkommen ohne Gewähr)
Wann genau aus dem guten aber irgendwo egalen Tocotronic-Konzert ein sehr gutes, fesselndes wurde, weiß ich nicht mehr. Vermutlich aber endgültig mit dem Bruch im Programm, als Gitarrist Rick McPhail sein Instrument abstellte und Schlagzeuger Arne Zank aufstand. Ich dachte da ernsthaft, der reguläre Teil sei damit vorbei. Tocotronic hatten 40 Minuten gespielt, und das schien mir nicht zu unrealistisch. Rick und Arne tauschten aber nur die Plätze, um Arne zwei sehr alte Tocotronic Songs singen zu lassen, Ich werde nie mehr alleine sein und Bitte gebt mir meinen Verstand zurück, ineinander gespielt und herrlich schief.
Danach war alles nur noch großartig! Das distanzierte, oft arrogant wirkende Gebaren von Sänger Dirk v. Lowtzow störte mich gar nicht mehr, genauso wenig die Posereien von Dirk und Bassist Jan Müller. Es machte auf einmal alles ganz schrecklich viel Spaß. Daß die Tocotronic-Lieder überzeugen, mußte man mir nie einreden, jetzt war es aber auch live wieder so, wie ich die vier auf dem Highfield-Festival vor drei Jahren erlebt hatte.
Auch wenn es vermutlich den meisten Zuschauern anders als mir ging, ich meine mich zu erinnern, daß die ganz ausgelassene Stimmung mit Gepoge und allem erst im Lauf des Konzerts entstand. Als Dirk dann vor dem zweiten Zugabenblock (Blöckchen, es war nur noch ein Lied) sagte: "Ihr beschämt uns, ihr Jecken!", hatte er zumindest mit dem Jecksein vollkommen recht.
Ein tolles Konzert unterm Strich, gar keine Frage! Warum es so ausging und kein vergeudeter Abend war, weiß ich nicht. Ob es an mir oder an denen lag, keine Ahnung. Aber das ist doch auch egal.
Setlist Tocotronic, E-Werk, Köln:
01: Eure Liebe tötet mich
02: Ein leiser Hauch von Terror
03: Die Folter endet nie
04: Die Grenzen des guten Geschmacks 2
05: Verschwör Dich gegen Dich
06: Schall & Wahn
07: Aber hier leben, nein danke
08: Imitationen
09: Jenseits des Kanals
10: Medley: Ich werde nie mehr alleine sein - Bitte gebt mir meinen Verstand zurück
11: Jungs, hier kommt der Masterplan
12: Let there be rock
13: Macht es nicht selbst
14: Drüben auf dem Hügel
15: Keine Meisterwerke mehr
16: Stürmt das Schloß
17: Gift
18: Mein Ruin (Z)
19: Ich bin viel zu lange mit Euch mitgegangen (Z)
20: Sag alles ab (Z)
21: Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit (Z)
Links:
- Tocotronic, Köln, 07.06.08
- Tocotronic, Hohenfelden, 17.08.07
Ort: E-Werk, Köln
Datum: 04.03.2010
Zuschauer: sehr voll
Dauer: Tocotronic gut 90 min, Dillon 30 min
Mit einer Ausnahme kam ich bei jedem meiner bisherigen Tocotronic-Konzerte zu dem Schluß, daß die Hamburger eine exzellente Studioband sind. Mir ging es heute anfangs genauso. Ich mag Schall & Wahn, die neue Platte, sehr gerne, trotzdem sprang der Funke selbst bei großartigen Stücken wie Eure Liebe tötet mich oder Die Folter endet nie, die am Anfang gespielt wurden, so gar nicht auf mich über. Komisch! Als ich schon schulterzuckend "da kannste nix machen" dachte, drehte sich alles, das Konzert packte mich komplett und dauerte glücklicherweise noch lange genug. Am Ende stand ich perplex da, während vom Band das wundervolle Die großen weißen Vögel von Ingrid Caven lief. Unterm Strich ein aufregender Abend mit vielen Lieder, mit denen ich nicht gerechnet hatte.
Aber jetzt der Reihe nach:
So leer wie heute, habe ich die Straßen rund um Palladium und E-Werk wohl noch nie erlebt. Direkt vor den gegenüberliegenden Sälen waren 30 Minuten vor Beginn einige freie Parkplätze. Der Eindruck bestätigte sich im E-Werk dramatisch. Es war enorm leer, allerdings hatte man die Empore geöffnet.
Die heutige Vorgruppe, die ein wenig euphorisch als Special guest angekündigt worden war, wollte ich nicht verpassen, weil ich Dillon vor zwei Jahren einmal im Melt! Klub im Gloria gesehen hatte und danach nicht so recht wußte, wie mir das denn nun gefallen hatte.
Dillon ist eine Band, ein Projekt der ursprünglich aus Köln stammenden Berlinerin Dominique Dillon de Byington. Die Sängerin und Pianistin hatte einen zweiten Musiker dabei, den sie als Leon vorstellte. Gewonnen hatte mich die junge Frau, als sie das E-Werk nach dem ersten Lied begrüßte: "Hallo Köln, hallo Mama!"
Musikalisch ist Dillon nicht ganz leicht einzuordnen. Zu Dominiques meist einhändigem Klavierspiel kamen Beats von Band, sowie Leons unglaublich klar klingende Trommeleien. Aber es könnten auch Flöte, Fagott oder Zither dabei sein, das Außergewöhnliche an dieser Band bliebe trotzdem vor allem die Stimme der Berlinerin, die mit ihrem starken Oszillieren an Kate Bush erinnert. Die zweite, freie Hand nutzte Dillon für gestenreiche Unterstützung ihres Spiels. Sie schlug sie sich aufs Herz, streckte sie, fast, als wäre die Hand ein zusätzliches Instrument.
Die komplexen Stücke der Sängerin sind ohne Zweifel reizvoll. Einige der Lieder gefielen mir sehr gut, allen voran das ausgezeichnete Duett Not together but alone am Schluß des Sets. Einfache Kost, die man mal so nebenher (oder vorher) hört, ist die Musik von Dillon aber sicher nicht. Für den großen Erfolg ist Dominique auch sicher zu verhutschelt. Ich fand charmant, wenn ihre Texte oft nach einer Phantasie-Sprache klangen, sie mit den Händen fuchtelte oder beim ihrer Mutter gewidmeten Dominique die Fassung (und ein paar Tränen) verlor. Aber es war schon speziell. Womit die Euphorie des Veranstalters berechtigt war: Dillon war aus verschiedenen Gründen ein Special guest.
Setlist Dillon, E-Werk, Köln:
01: ?
02: In the dark in the park
03: Ausgabe II
04: Texture of my blood
05: Dominique
06: Your flesh against mine
07: Tiptapping
08: Not together but alone
(vollkommen ohne Gewähr)
Wann genau aus dem guten aber irgendwo egalen Tocotronic-Konzert ein sehr gutes, fesselndes wurde, weiß ich nicht mehr. Vermutlich aber endgültig mit dem Bruch im Programm, als Gitarrist Rick McPhail sein Instrument abstellte und Schlagzeuger Arne Zank aufstand. Ich dachte da ernsthaft, der reguläre Teil sei damit vorbei. Tocotronic hatten 40 Minuten gespielt, und das schien mir nicht zu unrealistisch. Rick und Arne tauschten aber nur die Plätze, um Arne zwei sehr alte Tocotronic Songs singen zu lassen, Ich werde nie mehr alleine sein und Bitte gebt mir meinen Verstand zurück, ineinander gespielt und herrlich schief.
Danach war alles nur noch großartig! Das distanzierte, oft arrogant wirkende Gebaren von Sänger Dirk v. Lowtzow störte mich gar nicht mehr, genauso wenig die Posereien von Dirk und Bassist Jan Müller. Es machte auf einmal alles ganz schrecklich viel Spaß. Daß die Tocotronic-Lieder überzeugen, mußte man mir nie einreden, jetzt war es aber auch live wieder so, wie ich die vier auf dem Highfield-Festival vor drei Jahren erlebt hatte.
Auch wenn es vermutlich den meisten Zuschauern anders als mir ging, ich meine mich zu erinnern, daß die ganz ausgelassene Stimmung mit Gepoge und allem erst im Lauf des Konzerts entstand. Als Dirk dann vor dem zweiten Zugabenblock (Blöckchen, es war nur noch ein Lied) sagte: "Ihr beschämt uns, ihr Jecken!", hatte er zumindest mit dem Jecksein vollkommen recht.
Ein tolles Konzert unterm Strich, gar keine Frage! Warum es so ausging und kein vergeudeter Abend war, weiß ich nicht. Ob es an mir oder an denen lag, keine Ahnung. Aber das ist doch auch egal.
Setlist Tocotronic, E-Werk, Köln:
01: Eure Liebe tötet mich
02: Ein leiser Hauch von Terror
03: Die Folter endet nie
04: Die Grenzen des guten Geschmacks 2
05: Verschwör Dich gegen Dich
06: Schall & Wahn
07: Aber hier leben, nein danke
08: Imitationen
09: Jenseits des Kanals
10: Medley: Ich werde nie mehr alleine sein - Bitte gebt mir meinen Verstand zurück
11: Jungs, hier kommt der Masterplan
12: Let there be rock
13: Macht es nicht selbst
14: Drüben auf dem Hügel
15: Keine Meisterwerke mehr
16: Stürmt das Schloß
17: Gift
18: Mein Ruin (Z)
19: Ich bin viel zu lange mit Euch mitgegangen (Z)
20: Sag alles ab (Z)
21: Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit (Z)
Links:
- Tocotronic, Köln, 07.06.08
- Tocotronic, Hohenfelden, 17.08.07
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