Mittwoch, 24. März 2010

Jessie Evans & LoneLady, Paris 23.03.10


Konzert: Jessie Evans & Lonelady (Festival les femmes s'en mêlent)

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 23.03.2010
Zuschauer: so gut wie ausverkauft
Konzertdauer. Jessie Evans etwa eine Stunde, LoneLady ungefähr 45 Minuten



Beinchen heben kennen wir ja schon zur Genüge, wenn wir mit unserem Hund Gassi gehen. Bei Konzerten war mir diese Geste aber ziemlich neu. Ob die Saxofonistin Jessie Evans ein dringendes Bedürfnis hatte? Nein! Das Beinchen heben gehört bei ihr zu Show. Frei nach dem Motto: "Guckt mal alle her, ich spiele Saxofon auf einem Bein und falle nicht um."

Nur einer der vielen Gimmicks der heißblütigen Kalifornierin, die ich schon am Vortag bei eiern Black Session bei France Inter gesehen hatte. Hier und heute in der Maroquinerie war die Atmosphäre aber ganz anders als in den sterilen Radiostudios. Die Leute gingen voll mit, tanzten zu den stakkatischen Rhytmen wild ab und bekamen zur Belohnung immer wieder eine Wasserdusche verpasst. Jessie hatte die seltsame Angewohnhei, alle 10 Minuten ihre unzähligen Wasserfläschen über den Köpfen der Besucher zu entleeren. Vielleicht wollte sie uns abkühlen, nachdem sie uns mit ihrer sexgeladenen Show massiv aufgeheizt hatte. Am Ende war auch ihre Bühne überall nass und einmal war sie auf dem feuchten Boden gar ausgerutscht. Sensationell wie elegant sie diese gefährliche Szene meisterte! Anstatt wie bei Fußballspielern üblich, den sterbenden Schwan zu spielen, schwang sie sich federleicht wieder auf und machte weiter als sei nichts passiert. Nichts und niemand konnte sie in ihrem Elan stoppen. Gleich mehrfach verließ sie die Bühne und rannte mitten durch die laut johlenden Zuschauer hindurch. Sie verausgabte sich völlig, gab 200 Prozent. Aber auch ihr Smoking und Fliege trangender Drummer Toby Dammit verdiente sich Bestnoten. Ungemein raffiniert und virtuos sein Schlagzeugspiel. Seine Stäbe hielt er wie ein chinesischer Tischtennisspieler. Zusätzlich hatte sie heute auch noch eine Bongospielerin, die dem Sound eine Afronote verlieh. Stilistisch ist das Ganze schwer zu definieren. Was ist das? Burlesker Tango Punk? Ich weiß es nicht so recht. Aber man braucht ja auch nicht für alles eine Schublade. Bei Jessie Evans werden einfach unglaublich viele Stile miteinander vermischt. Das Ergebnis ist unglaublich tanzbar und hypnotisierend, trotz oder gerade wegen seiner (gewollten) Monotonie und Repetivität. Highlights des explosiven Sets waren Stücke wie Scientist Of Love, Let Me On (ooh ooh , you know my love is true) oder der auf spanisch gesungene Tango Ninos Del Espacio.

Irgendwann konnte sich niemand mehr der Power der Frau mit dem Schlangenkostüm entziehen. Sie hatte auf ganzer Linie abgeräumt und die Maroquinerie in ein Tollhaus verwandelt. Wenn Jessie Evans nicht noch deutlich bekannter wird, fress ich 'nen Besen, das Weib ist einfach ein Vulkan und wie für die Bühne geschaffen!

Ob man das auch über die im Anschluß auftretende Engländerin Julie Campbell aka LoneLady sagen konnte? Nun, das hängt natürlich immer von dem Musikstil ab. Julie macht New Wave à la Gang Of Four, Joy Division oder Siouxsie, folglich gehört sie zu einer Gattung, die so gar nichts mit dem bunten Karneval einer Jessie Evans zu tun hat. Bei LoneLady dominiert die Frabe schwarz und zwar von Kopf bis Fuß. Halt! Stimmt nicht so ganz. Der Kopf bzw die Haare sind nämlich rötlich bei Miss Campbell. Und ihre Frisur ist toll! Volles Rohr achtziger Jahre, aber mit deutlich weniger Haarspray versehen als bei ihrer (völlig uninteressanten) Landsfrau La Roux. Ich mochte die kühle Ausstrahlung von Julie von Beginn an. Sie wirkte schüchtern und reserviert, aber dennoch charismatisch und faszinierend. Ich war auf ihr zusammen mit einem Drummer und einem Keyboarder bestrittened Konzert gespannt. Würde sie mich begeistern können? Zunächst blieb alles ein wenig blass. Schrammelig-wavige Rhtymen, ein punkiger Gesang und ein peitschenartiges Schlagzeug, eigentlich alles toll, aber dennoch wollte der Funke nicht so recht überspringen. Die ersten drei Lieder konnten mich noch nicht aus der Reserve locken. Dann aber forcierte die Dame das Tempo und spilelte mit viel Pepp Early The Haste Comes. Ich zuckte wild mit dem Fuß und fing an, warm zu werden. Nun hatte LoneLady einen Lauf. Die letzten vier Songs gefielen mir durch die Bank weg. Saucool wie Julie rasant schnell und hochelegant Gitarre spielte. Marble klang mit seiner Synthielinie unfassbar nach Joy Division, aber auch nach The XX. Ein Hammersong, den ich dieses Jahr sicherlich noch 1000 mal hören werde! Intuition beschloss dann letzlich das recht kurze Set der neuen New Wave Ikone, die ich hinterher dann auch noch am Merch traf. Nett, die Julie. Aber sie sollte öfters lächeln.

Setlist LoneLady, La Maroquinerie, Paris:

01: Immaterial
02: If Not Now
03: Nerve Up
04: Early The Haste Comes
05: Army
06: Bloedel
07: Marble
08: Intuition


Photos Lonelady hier



1 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Blödel?
Mein neues Lieblingslied (ohne es zu kennen).

 

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