Dienstag, 30. März 2010

LoneLady, Paris, 29.03.10


Konzert: LoneLady
Ort: Maison de Radio France, Black Session France Inter, C'est Lenoir
Datum: 29.03.2010
Zuschauer: so einige frei Plätzchen
Konzertdauer: eine Stunde


Auf meinen Kopfhörer läuft Siouxsie and The Banshees und zwar das legendäre Album The Scream. Ich bin auf dem Weg zu den Radiostudios von France Inter, die im 16. Pariser Arrondissement liegen. Für mich ist das ein halbstündiger Fußmarsch und eine gute Gelegenheit, mich ein wenig zu bewegen. Nachdem ich 2004 noch einmal meine engsten Jeans zumachen konnte, bin ich inzwischen wieder richtig fett geworden. Das passt irgendwie nicht zur (Post)-Punk Musik. Da sind sie alle dürr, vermutlich weil sie sich den Hunger wegrauchen oder gar harte Drogen nehmen. Auch Julie Campbell aka LoneLady, die heute bei France Inter auf dem Programm steht, ist hager und knochig. Aber irgendwie steht ihr das genau wie die schwarzen Waver-Klamotten perfekt. Sie ist noch so jung, daß sie Siouxsie and The Banshees, Joy Division und die Gang Of Four nicht aktiv miterlebt haben kann. Vielleicht hat sie alte Platten auf dem Speicher der Eltern gefunden und ist so mit dem New Wave Virus infiziert worden. War ja auch eine faszinierende Zeit damals in Manchester als das kultige Label Factory (Joy Division, A Certain Ratio, The Durutti Column etc.) seine Glanzzeiten hatte und alle in die Hacienda gepilgert sind. Vieles wird rückblickend natürlich auch verklärt und idealisiert, das ist ja immer so. Tennisfans die heutzutage behaupten, Tennis sei damals spannender gewesen, sollen sich mal ein Match von Borg gegen Vilas ansehen. Wegschnarchen würden sie ob des lahmen Rumgeeiers! Genau wie ich während des Auftritts der Französin Raymonde Howard , die kurzerhand als Erste auf die Bühne von France Inter geschickt wird. Sie war auf dem Programm nicht ausgewiesen und ist so etwas Ähnliches wie die Vorgruppe von Lonelady. Ihr Garagenrock, den sie mit einem schlechten englischen Akzent vorträgt, ist belanglos. Eine halbe Stund verstreicht ohne besondere Vorkommnisse.

Dann macht sich die rotblonde LoneLady bereit. Zusammen mit ihren zwei Begleitmusikern an Keyboard und Schlagzeug fängt sie erst um 22 Uhr 30 an und hat lediglich eine halbe Stunde Spielzeit. Leider ist zu konstatieren, daß dies völlig ausreichte, denn die Monotonie und die fehlenden Varianten innerhalb der Lieder ist doch frappierend. Ein Song gleicht dem nächsten. Immer der gleiche Schlagzeug-Rhythmus, repetitive Gitarrenriffs und ein Synthiespiel mit zwei Fingern. In der Maroquinerie vor ein paar Tagen hat mir das Ganze doch wesentlich besser gefallen. Erst mit dem schnellsten Lied des Sets, Early The Haste Comes, kommt etwas Bewegung in die Sache. Das gestochen scharfe Gitarrenriff erinnert an die Gang Of Four (Andy Gil), die Julie Campbell verehrt. Ihre fragile, brüchige Stimme ist gar nicht schlecht, aber an Siouxsie zu Glanzzeiten kommt sie keinswegs ran. Die war doch wesentlich angriffslutiger, bissiger und energischer.

Mit Marble wird kurz vor Schluß der beste Song performt. Die Synthiemelodie ist gothisch düster und später kommt auch noch die kurz angerissene Gitarre ins Spiel. Ohne Frage ein starkes Lied, auf das noch das ebenfalls gelungene Intuition zum Abschluß gepackt wird. Dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack. Das soll jetzt der heißeste Post Punk Revival Act aus Manchester sein? Punk is dead, Post Punk is dead and the Post Punk Revival is dead too! Oder so. Aber es gibt doch The XX?! Stimmt! Angesichts einer bei Licht betrachtet doch recht mittelmäßig prickelnden LoneLady relativiert sich der Hype um die Band mit den zwei Buchstaben. The XX haben es wohl doch überzeugend hinbekommen, mit minimalistischen Mitteln etwas Spannendes zu schaffen.

Auf dem Rückweg höre ich erneut Siouxsie and The Banshees. Diesmal das Album Juju. Wesentlich abwechslunsgreicher und komplexer als das, was uns eben ihre Nacheiferin LoneLady geboten hat!

Aus unserem Archiv:

LoneLady, Paris, 23.03.2010



3 Kommentare :

E. hat gesagt…

gutes abschluss statement. man darf das erlebte ruhig in beziehung setzen. und wenn die vergleichsmomente überschatten, gehört auch das gesagt. entwicklungspotential hast du ja schließlich bei lonelady auch ausgemacht.

dein einstiegsabsatz - mit jeans und nicht passen usw. - hat mich herzhaft lachen lassen. ich führe immer wieder gern einen meiner dozenten an, der mit weit ausholenden armbewegungen das dilemma des in die jahre kommenden mannes aufzeigte: die steil nach unten gerichtete testosteron- und dem gegenüber die ebenso steile, aber noch oben verlaufende körperfett- kurve.

Oliver Peel hat gesagt…

Entwicklungspotential ist bei LoneLady auf jeden Fall vorhanden. Sie hat ein paar richtig gute Lieder und eine nahegehende Stimme (die im übrigen nicht wirklich nach Siouxsie klingt). Sie müßte sich etwas stärker von ihren Einflüssen lösen und mehr variieren, dann kann was draus werden.
Lobenswert ist, daß sie minimalistisch agiert und den Bombast anderer Post Punk Revival Bands bei Seite läßt.

Die Körperfettkurve, oh je, die schlägt bei mir stark nach oben aus! Ich sollte mal wieder joggen, so kann das nicht weitergehen! Du als Marathonläufer solltest damit aber keine Probleme haben, Eike, oder doch?

E. hat gesagt…

bins zufrieden. einen vernünftigen bmi halte ich seit jahren.

 

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