Sonntag, 21. März 2010

Baby Dee, Paris, 20.03.10


Konzert: Baby Dee

Ort: Bateau El Alamein, Paris
Datum: 20.03.2010
Zuschauer: 100 vielleicht?, sehr voll
Konzertdauer: Baby Dee etwa 1 Stunde


Das klang gar nicht gut, wenn Baby Dee hustete. Er, nein sie natürlich, schien ernsthaft krank zu sein. Neben der hartnäckigen Bronchitis (?) fielen auch die kurzen Haare und der Gehstock auf. Aber die Künstlerin war nicht die einzige, die heute abend litt. Ich selbst war so dermaßen eingepfercht, daß meine beiden Beine und Füße einschliefen und nach einer gewissen Zeit vollkommen taub waren. Kaum auszuhalten das Ganze! Die Betrachtung dieses an sich schönen Konzertes eine einzige Tortur!

Die Veranstaltung fand auf einem Pariser Hausboot namens Bateau el Alamein statt. Für ein paar andere Gäste bereits altbekannt, für mich Betretung von Neuland. Ein ungemein atmosphärisches und uriges Teil dieser alte Kahn, mit den unzähligen Blumenkübeln auf der Terrasse. An den Wänden hinter der Bühnen hingen alte afrikanische Masken und auch sonst war alles mit Flohmarktobjekten zugestellt. Das wäre was für meinen Vater gewesen!

Als ich eintrat, war die Vorgruppe schon durch und die Gäste warteten sitzenderweise auf Baby Dee und seine beiden Streicher. Mein Freund Benoit filmte und brachte sich schon einmal in Stellung. Als die Pianistin und Harfespielerin auf die Bühne kam, war ich genötigt,
auf engstem Raume im Schneidersitz Platz zu nehmen. Mein Rücken war gegen die Beine meines Hintermannes gequetscht und desöfteren bekam ich ungewollt kleine Checks von seinem Knie ab. Baby Dee hatte ich nie zuvor live gesehen, obwohl sie bereits einmal auf genau diesem Hausboot aufgetreten war. Das Outfit: ein Hingucker! Ein weißer Fell-Overal mit schwarzen Punkten und Kapuze, dazu knallrote Socken und keine Schuhe. Krass! Fast wie ein überdimensionales Kaninchen. Die Musikerin spielte zunächst Klavier und schon ziemlich bald kam es zu den ersten Hustenanfällen. Dennoch sang die Amerikanerin sehr schön und auf eigenartige Weise. Den Kopf hin- und herschüttelnd, ließ sie ihre barocke Stimme vibrieren und schien phasenweise die Texte zu kichern. Sehr theatralisch das Ganze, wunderbar begleitet vom einfühlsamen Cello und dem riesigen Kontrabass, den ein Jüngling mit viel Kraftaufwand zupfte. Baby Dee war mit dem Sound dennoch alles andere als zufrieden. Nicht bösartig aber doch ziemlich barsch, bluffte sie den Soundingenieur an und sagte: "Du bist ein netter Kerl und machst deine Sache gut, aber das klingt hier so gar nicht wie beim Soundcheck, tu gefälligst was dagegen. Peng! Der saß! Nicht zimperlich die exzentrische Amerikanerin. Allerdings auch immer mit einer Prise schwarzem Humor, Zynismus und augenzwinkernd vom Leder ziehend. Ob das Publikum denn bereit sei, sie so lange zu ertragen? Ihre Hustenanfälle hinzunehmen? Ja, wir waren bereit. Und lauschten gespannt dem wundervollen Harfenspiel, das bei einigen Stücken den Raum erfüllte. Sehr eigenartig die Technik. Baby Dee nahm die Saiten richtig hart ran und verteilte seinem Instrument manchmal auch Schläge mit der flachen Hand. Als wolle sie es bestrafen. Interessant auch die Mimik. Grimassierend, zeternd, bebend. Und die hellblauen Augen warfen ab und zu diabolisch stechende Blicke in die Runde. Überschattet wurde der Vortrag aber immer wieder von den schlimmen Hustanfällen. Fast ein Wunder, daß die Künstlerin zu Ende spielen konnte. "Im really fucking sick", erklärte sie entschuldigend und der Schweiß tropfte ihr über die Stirne. Unter der fellenen Kapuze muss es aber auch tierisch heiß gewesen sein!

Hinsichtlich der gespielten Lieder gefiel mir Lilacs besonders gut.
Fast mittelalterlich klingend, lieblich und wunderschön. Aber auch Endlees Night an der Harfe stach heraus. Gesanglich irgendwo zwischne Märchenerzähler und Operndiva schwankend, arbeitete sich die Harpistin durch die Songzeilen und war hinterher sichtlich von dem tosenden Applaus gerührt.

Rührend ist sowieso ein gutes Stichwort für dieses bitter-süße Konzert, das eine verletztliche, aber auch sehr schlagfertige Musikerin zeigte, die ohne Kapuze noch einmal für eine Zugabe zurückkam.
Da sah man dann, daß die rötlichen Haare sehr kurz gehalten waren und ganz anders aussahen, als auf den Fotos, die ich bisher gesehen hatte, wo Baby Dees Haupt eine wallende Lockenpracht zierte.

Get Well Soon, Baby Dee!
And please come back!


Setlist Baby Dee, Bateau El Alamein, Paris:

01: Flowers On The Tracks
02: Safe Inside The Day
03: The Earlie King
04: A Compass Of The Light
05: Prelude
06: Love's Small Song
07: A Book Of Songs For Anne Marie
08: Lilacs
09: Brother
10: Teeth Are The Only Bones That Show
11: Endless Night
12: Set Me As A Seal
13: As Morning Holds A Star

Link:

Das Klienicum hat auch schon einmal über Baby Dee geschrieben. Wo weiß ich aber nicht, weil die Suchmaschine auf der Seite echt kacke ist! Eike, bitte den passenden Link schicken. Danke!



2 Kommentare :

E. hat gesagt…

hier gabs mal einen kurzen verweis auf ein neues album:
http://dasklienicum.blogspot.com/2008/02/ein-pfund-mp3-87.html
und dieses wurde dann im mitfünfziger bereich des jahres 2008 mit ***1/2 bedacht:
http://dasklienicum.blogspot.com/2008/11/listenterror-beste-alben-2008.html

Oliver Peel hat gesagt…

Oh ja, vielen Dank, Eike!

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates