Konzert: Yeti Lane, halbakustisch
Ort: Panic Room, Paris
Datum: 06.10.09
Zuschauer: in der Sitze zwischen 40 und 50
Konzertdauer: etwa 40 Minuten
Im Oberkampfviertel wird Paris zum Dorf. Zumindest was die Indieszene anbelangt. Man muss nur durch die Gegend zwischen Fille Du Calvaire und Saint Maur schlendern und schon trifft man ziemlich bald auf bekannte Geschichter des lokalen Musikmilieus. Nicht weiter verwunderlich, wenn man weiß, daß hier etliche Clubs beheimatet sind. Auf der Strecke (lose Aufzählung ohne geographische Rangfolge und Logik) befinden sich das Bataclan, das Nouveau Casino, die UFO Bar, die Alimentation Générale, das International und das Pop In. Und das Pop In war auch der Laden, in dem ich mich heute mit Musik berieseln lassen wollte. Vor der Eingangstüre war aber gegen 20 Uhr 30 noch nichts los, ganz im Gegensatz zum Panic Room, dem Schuppen, der bloß eine Tür weiter liegt. Die Menschenansammlung ließ mich neugierig werden. Würde hier heute etwas Besonderes stattfinden? Ich näherte mich und erkannte Remi Alexandre, den Gitarristen von Syd Matters. Dann sah ich auch die drei Burschen, die das Trio Yeti Lane bilden. Wie ich kurze Zeit später erfuhr, sollten sie heute im Panic Room auf dem Programm stehen. Das reizte mich, obwohl ich ja eigentlich zu Björn Kleinhenz ins Pop In wollte. Was also tun? Die Entscheidung wurde mir letztlich abgenommen, denn schon kurz nach neun bat man die Zuschauer, in den tunnelförmigen Keller hinabzusteigen, um das Konzert von Yeti Lane zu genießen. Ich wähnte mich als Glückspilz, denn ich glaubte in diesem Moment heute zwei Konzerte gratis spendiert zu bekommen. Yeti Lane im Panic Room und dann anschließend Björn Kleinhenz im Pop In. Aus Erfahrung weiß ich, daß die Gigs im Pop In selten vor 10 Uhr beginnen und es somit machbar war, beide zu sehen. Clubhopping nennt man das wohl neudeutsch, oder?
Ich sitze also kurz nach 21 Uhr auf einem Bänkchen im Panic Room und fühle mich trotz des Namens gar nicht so unwohl. Wie lange man es hier drin wohl aushalten könnte, wenn man die Tür zur Treppe aus Schutz vor Angreifern verriegelte? Dazu ist ein Panic Room doch da, um sich zu verschanzen. Oder nicht?
Aber da hier kein Hollywood Film nachgespielt wird, bleibt der Zugang nach oben und nach unten natürlich frei und es tröpfeln langsam aber sicher immer mehr Neugierige ein.
Vorne auf der kleinen Bühne sitzen vor einem Spiegel Ben Pleng und Loac. Zusammen mit dem Drummer Charlie bilden sie die Gruppe Yeti Lane. Charlie hat heute aber frei, da kein Schlagzeug vorgesehen ist und halbakustisch gespielt wird. Auch die Keyboards bleiben außen vor. Ich frage mich, ob es möglich ist, den hochkomplexen Sound der Truppe, der Einflüsse von Indierock, Postrock, Krautrock, Dreampop und Shoegaze vereint, lediglich mit zwei Gitarren und zwei Stimmen (Ben und Loac singen beide) hinzubekommen. Schon nach wenigen Minuten bekomme ich die Antwort auf dem Tablett serviert. Es ist möglich. Und wie! Es klingt in der abgespeckten Variante vielleicht sogar noch schöner, da die Melodien und Grundstukturen der Stücke besser zur Geltung kommen. Sogar der Opener Tiny Corrections, den ich auf dem Album am wenigsten mag, gefällt mir plötzlich. Noch stärker ist aber gleich anschließend Think It's Done von dem eine Musikzeitschrift behauptet, es klänge nach Elliott Smith. Und in der Tat: in der heutigen Konstellation kann ich wirklich gewisse Ähnlichkeiten mit meinem Lieblingssänger ausmachen. Toll! Glänzend ist auch das zunächst trüb dahinplätschernde Black Soul ("Every shade of blue suits you perfectly"). Ben und Loac verstehen es auf das Vorzüglichste Spannung aufzubauen, mit Stimmungen, Intensität und Tempo zu spielen und von ruhigen Fahrwassern auf stürmische See umzuschalten. Wunderschön auch die vielen tollen kleinen Melodien, die Loac aus seiner hübschen Gitarre rauskitzelt und das harmonische Zusammenspiel der beiden Stimmen. Es ist wahrlich eine Wonne den jungen Herren zuzuhören! Und als sie dann auch noch irgendwann ihren Sensationshit Lonesome Georg in einer neuen Version abfeuern, kennt meine Begeisterung keine Grenzen mehr. Am liebsten würde ich nach vorne stürmen und die Kerle umarmen, so unfassbar gut finde ich Lonesome Georg, die Geschichte über eine Schildkröte! Selbt der britische NME schwärmt davon in den höchsten Tönen und titelte unlängst: "Yeti Lane - Cult Parisian space cadets go hyper-drive."
Ach herrlich war's! Was für eine grandiose Band! Vergesst ab sofort Penny Lane und investiert euer Geld lieber in das Debütalbum von Yeti Lane anstatt es für die überteuerten Boxsets der Beatles zu vergeuden!
Und was war mit Björn Kleinhenz? Der kam nicht! Autopanne in Deutschland, sagte man mir. Untrügliches Zeichen dafür, daß das Konzert ausgefallen ist: zwei hübsche, blauäugige Schwedinnen betreten das Pop in und kommen ein paar Minuten später enttäuscht wieder rausmarschiert. Sie murmeln etwas in einer mir unverständlichen Sprache - wahrscheinlich "Mist, der Kleinhenz hat uns versetzt" - und ziehen unverrichteter Dinge ab...
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