Donnerstag, 29. Oktober 2009

Stars Like Fleas, Paris, 28.10.09


Konzert: Stars Like Fleas

Ort: Centre Georges Pompidou, Paris
Datum: 28.10.2009
Zuschauer: hmm? Wieviele Leute passen in ein mittelgroßes Kino?
Konzertdauer: etwa 75 Minuten


Schon mal was von einer Band aus Brookyln namens Stars Like Fleas gehört? Nein? Ja? (weil ihr bei den im Oktober stattfinden Konzerten in Offenbach, im Hamburger Hafenklang, oder im Berliner Tacheles wart?) - Wie auch immer, die sechsköpfige Band*, die zwei weibliche Mitglieder zählt (Violine, Harfe), spielt einen experimentellen Pop mit postrockigen Elementen, der selten nervt und viel häufiger betörend schön ist. Zu bewundern heute in einem kinoähnlichen Raum im Erdgeschoß des modernen Museums Centre Pompidou.

Ins das von Renzo Piano erbaute Centre Georges Pompidou gehe ich normalerweise nur, um mir zeitgenössiche Austellungen anzusehen. Musiker haben mich noch nie hierhin bewegt. Ohnehin habe ich erst vor ein paar Wochen zum ersten Mal davon erfahren, daß es in dieser Location auch Konzerte gibt. Anlaß war ein von Augen-und Ohrenzeugen als sehr durchwachsen beschriebener Gig von Adam Green und Carl Barat. Heute also mit Stars Like Fleas eine kuriose Band aus New York. Auf die Sonderlinge bin ich schon einmal über Stücke auf Samplern in Musikmagazinen gestoßen, ansonsten aber war die Kapelle für mich ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Bei MySpace hatte ich bereits vor längerer Zeit entdeckt, daß Vincent Moon, Starfilmer der Blogothèque auf die Formation steht und wer das feine Näschen von Vincent kennt, weiß, daß er immer früh an spannenden Acts dran ist. Die Neugierde war also geweckt und das Kennenlernen von neuen Locations finde ich ohnehin immers sehr aufregend.

Also nix wie hin! Ich Glückspilz wurde auch noch von zwei reizenden Mädels begleitet, von denen die eine noch nicht einmal eine Eintrittskarte hatte. Das beamtenähnliche Personal am Eingang war aber auf typisch französische Weise kulant und lies sie umsonst rein, weil sie die Kasse schon geschlossen hatten...

Wir stolperten Treppenflure entlang und öffneten die schwere Türe, die zu dem Kinosaal führte, wo Stars Like Fleas bereits begonnen hatten. Sofort stach der seltsame Kauz ins Auge, der für den Gesang verantwortlich war. Dieser Talibanbart! Diese Mütze! Und was war das überhaupt für eine weiße Kutte, die von einem grellbunten riesigen Tuch bedeckt wurde? - Aber egal, Äußerlichkeiten sollten nie eine allzu große Rolle spielen! Auch der unfassbar gute Drummer konnte mit einem langen Rauschebart aufwarten, während sich die beiden Frauen der Truppe extra für den heutigen Tage rasiert hatten. Ha, kleiner Scherz am Rande! Eine von den beiden, eine Asiatin, fiedelte wie eine Weltmeisterin, die andere bearbeitete ihre Harfe auf eine Weise, wie man das von einer Joanna Newsom oder Serafina Steer noch nicht kannte. Alles sehr innovativ, das Ganze! Die Formation wurde komplettiert durch einen am hinteren Bühnenende platzierten Pianisten und einen rechts stehenden Gitarristen. Sechs Musiker also, die prima zusammenspielten, wenngleich die äußerst langen Kompositionen keineswegs konventionellen Strukturen entsprachen. Da wurde mit Vogelgezwitscher gearbeitet, sphärische Geräusche ertönten im Rund, ein Megaphon kam zum Einsatz und stilistische Brüche gab es zuhauf. Dennoch hatte man nie das Gefühl, daß der rote Faden fehlte, alles wirkte insgesamt stimmig und vor allem waren die Stücke von betörender, träumerischer Schönheit. Allein die Stimme des seltsamen Sängers war sublim, es war herrlich im zuzuhören. So etwas wie die Stars Like Fleas war mir zuvor noch nie untergekommen. Zwar könnte man Bands wie Grizzly Bear, Animal Collective, die Dirty Projectors, Radiohead, Xiu Xiu, Gris Gris oder Cloud Cult als Referenzen nennen, würde damit aber nicht genau den Kern der Sache treffen. Insofern ist es gar nicht so abwegig, wenn die Band im Hinblick auf ihre Einflüsse behauptet: absolutely none!

Innerhalb der endlos langen Stücke ragten vor allem Karma's Hoax und I Was Only Dancing heraus,
die beide auf der LP The Ken Burns Effect drauf sind. I Was Only Dancing ist auch sicherlich das greifbarste und zugänglichste Lied der Gruppe, es erinnerte in manchen Momenten an Aracde Fire, Polyphonic Spree, oder Mercury Rev und schuf eine wirklich traumhafte Atmosphäre.

Das mit dem traumhaft hatten schließlich manche Zuschauer dann zu wörtlich genommen! Als der Sänger die Zugabe als einen cinematographischen Track ankündigte,
zu dem man sich am besten hinlegt und die Augen schließt, kletterten prompt ein paar Leutchen auf die Bühne und streckten sich auf dieser aus. Während der nächsten 10 Minuten lagen sie wie reglos da und erhoben sich erst wieder als die letzten Töne verklungen waren...

Ein außergewöhnliches Konzert! Toll!

Setlist Stars Like Fleas, Centre Pompidou, Paris:

01: Banjo Song
02: Al Baloney
03: Karma's Hoax
04: Rah-Rah-Rah
05: You Are My Memoir
06: I Was Only Dancing

07: Early Riser (?)

Links:

Das schreibt Plattentest.de zum 2007 er Album The Ken Burns Effect


* heute zumindest zu sechst erschienen. Ansonsten zählt die Kapelle wohl bis zu 10 Musiker, unter anderem auch Sam Amidon, den ihr von meinen Konzertberichten her kennt (oder auch nicht).



 

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