Sonntag, 11. Oktober 2009

Immaculate Machine, Frankfurt, 10.10.09


Konzert: Immaculate Machine
Ort: Ponyhof, Frankfurt (ex-Bett)
Datum: 10.10.2009
Zuschauer: maximal 24 (incl. 5 Musikern, 2 DJs, 3 Clubleuten)
Dauer: 50 min


[Wenn die große Liebe das eigene Leben verlässt, kann man damit hoch unterschiedlich umgehen. Vermutlich ist es der einfachste Weg, irgendetwas Hassenswertes zu suchen, in das man sich so sehr steigert, daß die Bewältigung des Verlustes schnell leichter fällt. Der andere, unbequeme Weg ist aber manchmal auch nicht vermeidbar. Man war schließlich einmal verliebt und die Liebe jetzt einfach umzudichten, ist unehrlich. Der Preis für diese Aufrichtigkeit ist größeres Leid, die Ursache vielleicht fehlende Cleverness. Leider bin ich der doofen Fraktion zuzurechnen. Das bitteschön solltest Du, lieber Leser hierbei im Hinterkopf behalten:]

Vor etwa drei Jahren - viel zu spät - entdeckte ich eine kanadische Band für mich, die mich aus dem Stand verzauberte. Immaculate Machine, hier wenig bekannt, hieß die
dreiköpfige Band aus dem New Pornographers Umfeld, deren wundervolle Popmelodien sie sofort zu einer neuen Lieblingsgruppe machten. Unendlich dankbar war ich dafür, sie rechtzeitig empfohlen bekommen zu haben, um eines ihrer Konzerte in erreichbarer Nähe zu erleben. Im Januar 2007 spielten die drei Kanadier im so gut wie ausverkauften Bett in Frankfurt und überzeugten mich auch da restlos mit ihren überragenden Songs, den perfekt zueinander passenden Stimmen von Gitarrist Brooke Gallupe und Keyboarderin Kathryn Calder und der ordentlichen Portion Charme, die die Band verbreitete.

Im Sommer 2007 erschien auch das dritte Album der Band, das traumhaft war und
immer noch jede Menge Glücksgefühle freisetzt. Danach wurde es eine Weile still um Immaculate Machine. Irgendwann Anfang des Jahres erfuhr ich, daß die vierte Platte der Band erscheine, bekam aber unmittelbar nach Erscheinen ein mail, daß das Album schrecklich sei und nicht mehr viel mit der Band gemein habe, die wir so liebten. So eine Art musikalische Reisewarnung also. Weil ich mich auf dieses Urteil komplett verlassen kann, und ich mir die Band nicht damit versauen wollte, ein schlechtes Album (einmal) zu hören, bin ich diesem Hinweis gerne gefolgt und hatte bis zum heutigen Konzert keinen Takt von High on Jackson Hill gehört.

Und bis gestern mittag konnte ich erfolgreich
ignorieren, daß meine Lieblinge in Frankfurt sein würden, dann überkam es mich aber doch, und ich stieg ins Auto.

Immaculate Machine würden im ehemaligen Bett spielen, der tollen Musikkneipe mitten im Apfelwein-Meer in Sachsenhausen. Nun ist das Bett aber vor ein paar Monaten in ein Gewerbegebiet
umgezogen und jetzt ganz chic und modern und das, was einmal Bett war, als Ponyhof letzte Wochen wiedereröffnet worden. "Ponyhof" passte schon einmal prima, entstammt doch der Bandname dem Song One-trick Pony von Paul Simon.

Leider hat der Ponyhof zwar schon eine myspace-Seite, da aber falsche Anfangszeiten verbreitet. "Doors 20 Uhr" stand da. Ich wollte etwa um 20.30 Uhr da sein, um nicht den Anfang zu verpassen. Das klappte aber alles nicht, da Parken rund um die Klappergasse nahezu unmöglich ist. Also kam ich abgehetzt um fünf vor neun am Club an und sah
keine Raucher vor der Tür. Und aus dem Saal kam Livemusik. Mist! Das zweite Konzerte mit verpasstem Beginn innerhalb von 25 Stunden! Der Ordner, der dann aber erschien, teilte mir mit, daß sie gleich aufmachen würden. Also war das der Soundcheck und ich bis dahin der einzige Gast.

An der Zuschauerzahl sollte sich noch etwas ändern, am Ende waren wir bis zu 14. Geändert im Vergleich zu 2007 hatte sich auch die
Größe der Band, allerdings in die andere Richtung. Immaculate Machine hatten für fünf Musiker aufgebaut. Und die kamen nun nach und nach rein, erst eine kleine Frau in schwarz-rotem Kleid. Die kannte ich nicht. Dann Brooke Gallupe, mit langer, lockiger Frisur und prächtigem Schnauzbart, wenn man so etwas prächtig findet. Dann kam ein weiterer Musiker, der mir neu war und eine zweite kleine Frau, die ich noch nie gesehen hatte. Eine Chance gab es also noch für Kathryn Calder, aufzutauchen. Aber auch mit größter Phantasie war das nicht die letzte Frau, die reinkam - die Sängerin fehlte, eine riesige Enttäuschung!

Diese außer Brooke neuen Bandmitglieder stellten sich auf ihre Plätze. Der zweite Mann war der neue Schlagzeuger Aden Collinge; dazu wirkten (vermutlich) Jordan Minkoff an der zweiten Gitarre*, Brookes Schwester Caitlin am Bass und Leslie Rewega am Keyboard mit.

Natürlich begann die Band mit neuen Stücken, zu denen ich wenig sagen kann - und will. Denn sowohl Don't build the bridge, als auch
Only love you for your car oder Thank me for it later haben nichts mehr mit dem Sound der ersten Platten und EPs zu tun. Zu sehr bluesrockig, zu wenige schöne Duett-Stellen. Und natürlich fehlte die entzückende Kathryn Calder auch sonst an jeder Ecke!

Gerade als meine Mundwinkel immer weiter sanken, ein Licht! C'mon sea legs! Und noch eins! Dear
confessor! Und noch Nothing ever happens! Im Gegensatz zu Styling-Sendungen waren diese Vorhers den Nachhers hoch überlegen! Und als ob jetzt alles gut werden würde, folgte auch noch ein neues Lied, das ich mochte. And it was war gut! Der Rest der neuen Sachen gefiel mir dagegen wieder nicht. Blues, Schlagzeug- und Gitarrensoli haben bei dem alten Immaculate Machine keine Rolle gespielt und prägen den neuen Stil leider sehr. Immerhin hellten No such thing as the future und So cynical noch einmal meine Laune auf.

Wer auch solche Lieder geschrieben hat, kann kein schlechter Mensch sein!

Also klatschte ich brav, nahm zur Kenntnis, daß der kurze Applaus von gut zehn Menschen nicht dafür ausreicht, eine Band zu Zugaben zu bewegen, stellte fest, daß die Kanadier alle schrecklich nett wirkten und kaufte eine Platte und ein wundervolles Comicalbum, weil niemand Nettes es verdient, daß seine Arbeit komplett ohne Wirkung bleibt.


Setlist Immaculate Machine, Ponyhof, Frankfurt:

01: Don't build the bridge
02: Only love you for your car
03: Thank me for it later
04: C'mon sea legs
05: Dear confessor
06: Nothing ever happens
07: And it was
08: Sound the alarms
09: No such thing as the future
10: You got us into this mess
11: He's a biter
12: So cynical
13: Neighbours don't mind

Links:

- Immaculate Machine im Bett

* nein, das war Brooke Wilken. Vielen Dank für den Hinweis!




5 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Hallo
Dein Bericht trifft die Sache ganz wunderbar, Kathryn hat gefehlt. Zu ihrer Ehrenrettung muss man sagen, dass sie einen Todesfall in der Familie betrauert. Trotzdem war die Besetzung natürlich nicht adäquat.
Ich habe mich sehr an die Doku über ANVIL erinnert gefühlt...

Anonym hat gesagt…

oh ja... der Name der kleinen Dame an der Gitarre, die sich kurz aus der Stromversorgung losgesgt hat, ist Brooke Wilken.

Ich grüße
Philipp

Christoph hat gesagt…

Vielen Dank, Philipp!

Der Gedanke mit der Familie war mir auch kurz gekommen, weil die Vorgeschichte ja schon einmal bekannt gemacht worden ist.

Die Anvil Doku habe ich nie gesehen. Das werde ich aber mal nachholen, Du hast mein Interesse geweckt :-)

Anonym hat gesagt…

Oh ja, tu' das.
Riesendoku. ich hab mit Metal nichts am Hut, trotzdem sehr empfehlenswert!

Christoph hat gesagt…

Werde ich machen!

 

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