Konzert: Deleyaman
Ort: Champ de Mars, unweit des Eiffelturms, 7. Pariser Arrondissement (kiosque de musique)
Datum: 04.10.2009
Zuschauer: etwa 30
Konzertdauer: ungefähr 1 Stunde
Unglaublich! Da gehe ich nur eine Runde im Park spazieren, um etwas frische Luft zu schnappen und treffe durch Zufall auf ein Open Konzert einer Band, die mich auf Anhieb verzaubert!
Tatort: Champs de Mars. Dieser altehrwürdige, ehemalige Militärexerzierplatz, zwischen Ecole Militaire und Eiffelturm gelegen, dient mir und Pariser Familien als Hort der Erholung und Entspannung. Im Sommer picknicken hier auf den Wiesen unzählige Touristen und Einheimische und verlassen das Gelände oft erst gegen 3 Uhr morgens. Das Stück des Parks, das in der Nähe der Ecole Militaire liegt, wird als Platz genutzt, wo sich Hunde austoben können, dient aber auch als Fußballfeld. Der Untergrund ist sandig. In der Mitte gibt es einen überdachten Unterschlumpf, wo man sich gegen Regen schützen kann. Die überdachte Fläche ist betoniert, man gelangt zu ihr über eine Steintreppe. Sie bietet sich auch als Konzertbühne an und wird auch ab und zu dafür genutzt.
Ganz in der Nähe befinden sich grüne Parkbänke, auf denen die Clochards mit ihren Hunden abhängen und saufen. Immer, wenn ich die armen Schlucker da so sehe, versetzt mir das einen Stich ins Herz. Wie kann es sein, daß Leute so tief abstürzen, in einem Viertel in dem es so viel Reichtum gibt? Die Presse redet über die Finanzkrise, die zwar erheblichen Schaden verursacht, aber wenn sie vorbei ist, werden die meisten nur geringe persönliche Einbußen gehabt haben. Die heimatlosen Gesellen aber leben permanent in der Krise, ihr ganzes Leben ist eine Krise. Sie werden nichts davon merken, wenn es wieder aufwärts geht. Auch ein Wirtschaftswunder würde ihnen persönlich nicht helfen.
Ein paar von ihnen haben sich ganz in der Nähe der Bühne hingepflanzt. Einer dieser Burschen zischt an seiner Bierdose, wippt aber auch im dreampoppigen, melancholischen Rhythmus mit, der von der Band Deleyaman gespielt wird. Zwei der männlichen Bandmitglieder, darunter der Sänger, sehen auch fast wie Clochards aus* ihre schwarz-grauen Bärte bedecken verhärmte Gesichter, die von Furchen durchzogen sind. Auch ihre Kleidung wirkt äußerst ärmlich. Eine Zeitlang glaube ich, daß es sich um ein Konzert von Obdachlosen für Obdachlose handelt. Diesen Gedanke halte ich für trostspendend. Ist es nicht toll, wenn diese armen Menschen zumindest noch die Kraft haben, kreativ tätig zu sein? Schon in meiner Berliner Studentenzeit war ich begeistert von einem Theaterstück, das Landstreicher aufgeführt haben.
Hinterher stelle ich aber fest, daß ich mich getäuscht habe, bei der Band Deleyaman handelt es sich um eine internationale Truppe, mit Mitgliedern aus Frankreich, den USA, Schweden und Armenien, die sogar einen Plattenvertrag hat und bereits vier Alben verbuchen kann. Neuester Output ist Forth, Part One und davon stammen auch die meisten Lieder des heutigen Sets. Besonders Temples hat es mir wirklich angetan. Ein düster-melancholisches, fast gothisches Stück, das wohlig an Joy Division oder And Also The Trees erinnert. Allerfeinster Dreampop, gesungen von Bandleader Aret Madilian, der in Los Angeles aufwuchs und auch türkische Wurzeln hat. Ich schwebe wie auf einer Wolke, die Musik trifft mich mitten ins Herz. Später singt auch eine Frau (Beatrice Valantin), abwechselnd auf englisch und französisch. Ihre Stimme ist wunderschön. Ich bin von ihrem Vortrage wie gefesselt, schließe die Augen und lasse mich ganz weit davontragen. Alle Sorgen des Alltags sind für ein paar Minuten vergessen. Musik hat die Kraft, jede Art von Schmerz zu ersticken, soll Kurt Cobain einmal (zumindest sinngemäß) gesagt haben. Wie recht er damit hat! Musik ist die kraftvollste Kunst, sie spricht Ebenen unseres Unterbewußtseins an, die ansonsten nicht erreicht werden.
Ein ergreifenderes Konzert habe ich seit langem nicht mehr gesehen!
Am Ende verkauft mir der Bandleader aus einem unglaublich alten und runtergekommenen Kleinbus zwei seiner CDs, die er aus Pappkartons zieht. In einer gerechten Welt würden die Typen in einem klimatisierten Van durch die Gegend ziehen! Und Obdachlose müssten ihr Essen nicht in Mülltonnen suchen. Aber ich muß mir auch an die eigene Nase fassen, Geld gebe ich ihnen nur selten, aus Angst sie würden es sofort versaufen und sich keine Lebensmittel davon kaufen. Was also tun?Ort: Champ de Mars, unweit des Eiffelturms, 7. Pariser Arrondissement (kiosque de musique)
Datum: 04.10.2009
Zuschauer: etwa 30
Konzertdauer: ungefähr 1 Stunde
Unglaublich! Da gehe ich nur eine Runde im Park spazieren, um etwas frische Luft zu schnappen und treffe durch Zufall auf ein Open Konzert einer Band, die mich auf Anhieb verzaubert!
Tatort: Champs de Mars. Dieser altehrwürdige, ehemalige Militärexerzierplatz, zwischen Ecole Militaire und Eiffelturm gelegen, dient mir und Pariser Familien als Hort der Erholung und Entspannung. Im Sommer picknicken hier auf den Wiesen unzählige Touristen und Einheimische und verlassen das Gelände oft erst gegen 3 Uhr morgens. Das Stück des Parks, das in der Nähe der Ecole Militaire liegt, wird als Platz genutzt, wo sich Hunde austoben können, dient aber auch als Fußballfeld. Der Untergrund ist sandig. In der Mitte gibt es einen überdachten Unterschlumpf, wo man sich gegen Regen schützen kann. Die überdachte Fläche ist betoniert, man gelangt zu ihr über eine Steintreppe. Sie bietet sich auch als Konzertbühne an und wird auch ab und zu dafür genutzt.
Ganz in der Nähe befinden sich grüne Parkbänke, auf denen die Clochards mit ihren Hunden abhängen und saufen. Immer, wenn ich die armen Schlucker da so sehe, versetzt mir das einen Stich ins Herz. Wie kann es sein, daß Leute so tief abstürzen, in einem Viertel in dem es so viel Reichtum gibt? Die Presse redet über die Finanzkrise, die zwar erheblichen Schaden verursacht, aber wenn sie vorbei ist, werden die meisten nur geringe persönliche Einbußen gehabt haben. Die heimatlosen Gesellen aber leben permanent in der Krise, ihr ganzes Leben ist eine Krise. Sie werden nichts davon merken, wenn es wieder aufwärts geht. Auch ein Wirtschaftswunder würde ihnen persönlich nicht helfen.
Ein paar von ihnen haben sich ganz in der Nähe der Bühne hingepflanzt. Einer dieser Burschen zischt an seiner Bierdose, wippt aber auch im dreampoppigen, melancholischen Rhythmus mit, der von der Band Deleyaman gespielt wird. Zwei der männlichen Bandmitglieder, darunter der Sänger, sehen auch fast wie Clochards aus* ihre schwarz-grauen Bärte bedecken verhärmte Gesichter, die von Furchen durchzogen sind. Auch ihre Kleidung wirkt äußerst ärmlich. Eine Zeitlang glaube ich, daß es sich um ein Konzert von Obdachlosen für Obdachlose handelt. Diesen Gedanke halte ich für trostspendend. Ist es nicht toll, wenn diese armen Menschen zumindest noch die Kraft haben, kreativ tätig zu sein? Schon in meiner Berliner Studentenzeit war ich begeistert von einem Theaterstück, das Landstreicher aufgeführt haben.
Hinterher stelle ich aber fest, daß ich mich getäuscht habe, bei der Band Deleyaman handelt es sich um eine internationale Truppe, mit Mitgliedern aus Frankreich, den USA, Schweden und Armenien, die sogar einen Plattenvertrag hat und bereits vier Alben verbuchen kann. Neuester Output ist Forth, Part One und davon stammen auch die meisten Lieder des heutigen Sets. Besonders Temples hat es mir wirklich angetan. Ein düster-melancholisches, fast gothisches Stück, das wohlig an Joy Division oder And Also The Trees erinnert. Allerfeinster Dreampop, gesungen von Bandleader Aret Madilian, der in Los Angeles aufwuchs und auch türkische Wurzeln hat. Ich schwebe wie auf einer Wolke, die Musik trifft mich mitten ins Herz. Später singt auch eine Frau (Beatrice Valantin), abwechselnd auf englisch und französisch. Ihre Stimme ist wunderschön. Ich bin von ihrem Vortrage wie gefesselt, schließe die Augen und lasse mich ganz weit davontragen. Alle Sorgen des Alltags sind für ein paar Minuten vergessen. Musik hat die Kraft, jede Art von Schmerz zu ersticken, soll Kurt Cobain einmal (zumindest sinngemäß) gesagt haben. Wie recht er damit hat! Musik ist die kraftvollste Kunst, sie spricht Ebenen unseres Unterbewußtseins an, die ansonsten nicht erreicht werden.
Ein ergreifenderes Konzert habe ich seit langem nicht mehr gesehen!
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