Freitag, 9. Oktober 2009

Lawn Factory & New Pretoria, Paris, 08.10.09

Konzert: Lawn Factory & New Pretoria
Ort: L'International, Paris
Datum: 08.10.2009
Zuschauer: der Laden war gut besucht



Heute nachmittag kam mir plötzlich der Gedanke, daß ich eigentlich ein Buch über die französische Indiemusikszene schreiben könnte. Fachlich traue ich mir das zu, schließlich habe ich in den letzten Jahren so ziemlich jede interessante französiche Band mindesten einmal live gesehen. Aber wen würde das interessieren? Wahrscheinlich keine Sau! Oder gibt es etwa doch ein paar Leutchen, die wissen wollen, ob es neben auch international bekannten Acts wie Indochine, Air, Daft Punk oder Phoenix noch etwas anderes gibt im Land des Käses und der schönen Frauen?

Wie auch immer und ganz egal, ob es je das obengenannte Buch geben wird: Ich poste munter weiter Konzertberichte über französische Bands! Denn ich stehe hinter der lokalen Szene, die viel Gutes, Interessantes und Abwechslungsreiches bietet. Natürlich kommt es schon einmal vor, daß ich auf Gruppen treffe, die bei Licht betrachtet recht mies sind, aber meistens werde ich eher positiv überrascht.

So wie heute! Lawn factory sagten mir vorher nämlich überhaupt nichts. Aber das war egal, denn Bands entdecke ich am liebsten live.

Wer steckt nun also hinter dem Namen? Eigentlich nur eine Person. Die Französin Maud Nadal. Sie ist die Schwester von Rafael und bereitet ihren Bruder immer perfekt auf das Pariser Grand Slam Turnier vor... - Ist natürlich Quatsch! Mit dem aufgepumpten Spanier hat sie selbstverständlich nichts zu tun, wenngleich ihr Nachname auf iberische Wurzeln schließen lässt.

Mehr Gemeinsamkeiten mit Rafa hat sie jedoch mit PJ Harvey (deren Lied The Piano sie covert), Joanna Newsom und Kate Bush. Sind natürlich gleich große Namen, die hier als Referenzen herhalten müssen, aber es ist nun einmal schwierig, eine Stimme zu beschreiben. Deshalb schmeisst man als Kritiker immer mit vergleichbaren Künstlern nur so um sich. Sorry!

Aber Joanna Newsom drängt sich allein deshalb auf, weil auch Maud Harfe spielt. Nicht so ein riesiges Monsterteil wie die Newsom,
sondern ein Miniding, das sich sich auf den Schoß legte. Autoharp heisst dieses seltsame Instrument, das aber wundervolle Töne ausspuckt, wenn man es denn beherrscht. Verblüffend wie die Französin mit einer Hand über die Saiten strich und mit der anderen das Ding ähnlich wie ein Keyboard spielte. Bei etwa der Hälfte der Lieder kam diese kleine Harfe zum Einsatz, den Rest bestritt Maud auf der Akustikgitarre. Auch ihre beiden Begleiter erledigten ihre Aufgaben mit Bravour. Wunderbar der Backgroundgesang der Keyboarderin Melody, präzise und melodisch das Spiel des E-Gitarristen Fantin.

Lustigster Songtitel mit Sicherheit Velib, denn dies ist der französiche Begriff für die Leihfahrräder, die man seit gut 2 (oder ist das schon wieder länger her?) Jahren einfach nehmen und benutzen kann, ein Abonnement freilich vorausgesetzt. Aber auch in musikalischer Hinsicht überzeugte mich Velib am meisten. Das ist einfach toller melancholischer Indiefolk mit schrammeligen Gitarren, Glöckchen und einem herzerweichenden Gesang!

Logisch, daß ich mir hinterher die erste EP After The Wind zulegen musste. Sie kostete lediglich 3 Euro und bietet dafür 5 Lieder. Da kann man nicht meckern., oder? Lawn Factory werde ich genauestens weiterverfolgen. Eine super Entdeckung!

Setlist Lawn Factory, L'International, Paris:

01: Old Man
02: Oh My Knees
03: Here You Are
04: New Harp
05: Be Sure
06: A Film
07: Velib
08: Eat Love


Mir bereits vorher bekannt, waren die nachfolgenden New Pretoria. Ich hatte mir ihre
feine CD The Backyard's Legacy zugelegt und kenne auch Stéphan Lipiansky, den sympathischen Sänger. Der Bursche steht nicht nur New Pretoria vor, sondern hat mit Frenchtoast sogar sein eigenes, nichtkommerzielles Kleinlabel gegründet. Der umtriebige Laden kann sich unter anderem damit rühmen, das letzte wunderbare Album von Reza veröffentlicht zu haben. Aber damit nicht genug, Stéphan hat auch noch sein Soloprojekt, das er Lafayette Young nennt.

Wenn er aber mit New Pretoria auftritt, sind etliche Musiker auf der Bühne versammelt. Ich glaube insgesamt waren sie zu fünft. Und was die Jungs zu bieten hatten, war richtig gut! Hauptverdienst daran hat Stephan, der eine Baritonstimme sein Eigen nennen kann, die Stuart Staples, Matt "The National" Berninger und Ian Curtis vor Neid erblassen lässt (falls Ian unter der Erde denn noch zu einer Gefühlsregung wie Neid fähig ist...)! Da stört auch der kleine Akzent nicht, den der Leader von New Pretoria wie eigentlich fast alle Franzosen hat, die versuchen in der Sprache Shakespeare's zu singen. Richtig gekonnte Kompositionen können die Pariser vorweisen und sie müssen sich deshalb auch nicht hinter ihren englischen oder amerikanischen Vorbildern verstecken.

Eine neue LP ist in Arbeit und wird auch bald erscheinen. Von diesem noch nicht veröffentlichten Opus stammten dann auch bis auf eine einzige Ausnahme alle Lieder. Eines davon wurde dem inhaftierten Roman Polanski gewdimet, was ein paar Witzbolde im Publikum mit dem Hinweis kommentierten, man solle dann aber auch Fréderic Mitterand einen Song widmen. Nun, die Sensationspresse kommentiere ich auf dem Konzerttagebuch nicht! Ich beschränke mich darauf, unseren werten Lesern die Beschäftigung mit New Pretoria nahezulegen...

Und wann kommt nun ein Buch über die französische Indieszene? Hmm, vermutlich wird es nie das Licht der Welt erblicken :(




 

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